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Biologika sind bei Psoriasis-Arthritis schon in erster Linie empfohlen
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05.03.2020
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<p class="article-intro">Die Früherkennung der Psoriasis-Arthritis (PsA) spielt eine immer wichtigere Rolle. Denn es stehen immer mehr neue, gut wirksame Medikamente für die Behandlung zur Verfügung. In einem Workshop am Rheuma-Top-Symposium ging Prof. Dr. med. Paul Hasler, Chefarzt Rheumatologie am Kantonsspital in Aarau, näher auf die Erkrankung, die Früherkennung und die Therapieoptionen ein.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mechanischer Stress spielt bei seronegativen Spondyloarthritiden, insbesondere bei der PsA, eine grosse Rolle.</li> <li>Hinter plötzlich auftretenden Kniebeschwerden wie auch hinter mechanisch bedingten Achillessehnen- oder Plantarfaszienansatzschmerzen kann sich manchmal eine PsA verbergen.</li> <li>Die CASPAR-Klassifikationskriterien sind für die Früherkennung hilfreich.</li> <li>Für schwerere Formen der PsA steht heute eine breite Palette antientzündlicher und immunmodulierender Substanzen zur Verfügung. Dazu gehören neben den TNF-Blockern auch Biologika einer neuen Generation, erste JAK-Hemmer sowie PDE-4-Inhibitoren.</li> <li>GRAPPA empfiehlt Biologika bei PsA in bestimmten Situationen bereits in erster Linie, also schon ohne einen vorhergehenden Therapieversuch mit einem konventionellen Basistherapeutikum wie Methotrexat.</li> <li>Therapieziele sind die Remission oder die Reduktion der Krankheitsaktivität sowie die Verbesserung der Gelenksfunktion und der Lebensqualität.</li> <li>Risikofaktoren und Komorbiditäten müssen bei PsA stets im Auge behalten werden und sollen regelmässig (mindestens alle 5 Jahre) gescreent werden.</li> </ul> </div> <p>Die Psoriasis ist mit einer Prävalenz von 2–3 % eine relativ häufige Erkrankung.<sup>1</sup> Bei etwa jedem fünften Patienten sind auch die Gelenke betroffen. Die PsA tritt meist erst spät, im 4. oder 5. Lebensjahrzehnt auf. «Mechanischer Stress spielt bei seronegativen Spondyloarthritiden, insbesondere bei der PsA, eine grosse Rolle», erklärte Prof. Hasler. Hinter plötzlichen Kniebeschwerden könnte sich deshalb durchaus auch einmal eine PsA als Ursache verbergen. Viele Patienten haben auch Schmerzen am Achillessehnen- oder Plantarfaszienansatz. Diese Enthesitiden sind meist mechanisch, durch Fehlbelastungen bedingt und auf eine verkürzte Wadenmuskulatur zurückzuführen.<sup>2</sup> «Diesen Patienten ein Biologikum zu verschreiben macht keinen Sinn», betonte der Experte. Denn ihnen könne meistens schon allein durch das Aufdehnen der Wadenmuskulatur geholfen werden.<br /> Direkt mit der Erkrankung assoziiert ist auch Übergewicht. Eine dauerhafte Normalisierung des Gewichts bringt deshalb ebenfalls oft schon eine Besserung.<br /> «Immunhistochemisch ist für die PsA eine Anhäufung von TNF-alpha in der Synovialis, in der Auskleidung im Gelenk, typisch», erläuterte Prof. Hasler. Im Vergleich zur rheumatoiden Arthritis (RA) ist bei der PsA auch die Osteoblastenaktivität höher. Diese ist denn auch der Grund für die vermehrte Kalzifizierung und Knochenbildung. Ausgeprägter als bei der RA ist bei der PsA überdies die Neutrophilie. Bei der RA wiederum lassen sich mehr Lymphfollikel und aktive Mastzellen in der Synovialis nachweisen.<sup>3</sup></p> <h2>Früherkennung ist möglich</h2> <p>Eine Früherkennung der PsA ist möglich. Ein empfehlenswertes Hilfsmittel für die klinische Beurteilung der PsA sind die CASPAR-Klassifikationskritierien.<sup>4</sup> Sie sind erfüllt, wenn bei einer entzündlichen Erkrankung der Gelenke, der Wirbelsäule und/oder der Sehnen/Sehnenansätze mindestens 3 Kriterien des Punkte-Scores beim Patienten vorhanden sind. Dazu gehören eine Psoriasis beim Patienten und/oder bei einem Verwandten ersten oder zweiten Grades, typische Nagelveränderungen (Tüpfelung, Onycholyse, Hyperkeratose), ein negativer Rheumafaktor, eine Daktylitis und radiologisch nachgewiesene Knochenneubildung an den Gelenksrändern. Die CASPAR-Kriterien haben mit 98 % eine gute Spezifität und mit 91 % eine gute Sensitivität. «In seltenen Fällen kann die Diagnose PsA aber auch gestellt werden, wenn die Kriterien nicht erfüllt sind, und dies muss man im Hinterkopf haben», betonte der Rheumatologe.<br /> Ein hilfreiches Tool für den dermatologischen ambulanten Bereich ist der GEPARD-Score.<sup>5</sup> Der Fragebogen kann von den Patienten im Wartezimmer ausgefüllt werden und macht es auf einfache Art möglich, PsA-Patienten herauszufiltern, um sie an den Rheumatologen zu überweisen.<br /> Etwas schwieriger gestaltet sich im praktischen Alltag die Identifikation einer PsA ohne Hautbeteiligung. Die betroffenen Patienten haben meistens eine oligoartikuläre Erkrankung. «Es wird angenommen, dass die ‹PsA sine Psoriasis› eine inkomplette Spondyloarthritis ist», so der Referent. In diesen Kreis gehören die reaktive Arthritis ohne nachweisbaren (infektiösen) Trigger und eine präradiologisch ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew).<sup>6</sup> Kriterium für die Diagnose ist ein Verwandter ersten Grades mit Psoriasis.</p> <h2>Alternativen zu TNF-Blockern</h2> <p>Für schwerere Formen steht heute eine breite Palette antientzündlicher und immunmodulierender Substanzen zur Verfügung. Neben den schon älteren TNF-Blockern gehören dazu auch immer mehr Biologika einer neuen Generation sowie erste JAK-Hemmer, also orale zielgerichtete synthetische Basistherapeutika, und Phosphodiesterase-4-Inhibitoren. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser neuen Substanzen wurden in klinischen Studien untersucht.<br /> Für den Anti-IL17-Antikörper Secukinumab beispielsweise zeigte eine Arbeit eine deutlich stärkere Symptomreduktion im Vergleich zu Placebo.<sup>7</sup> 60 % der mit Secukinumab behandelten Patienten zeigten ein ACR20-Ansprechen. Der Score erfasst ein «patient-reported» Outcome sowie eine 20 % ige Reduktion von Gelenkschmerz, -schwellung und Funktionsbeeinträchtigung. «In der Studie trat die Wirkung von Secukinumab auch rasch, praktisch nach der ersten Verabreichung, ein», so Prof. Hasler. Die Substanz sei denn auch nach seiner klinischen Erfahrung eine sehr gute Alternative zu einem TNF-Inhibitor.<br /> Ein ähnlich gutes ACR20-Ansprechen im Placebovergleich zeigen Daten für den IL17-Hemmer Ixekizumab und den JAK-Hemmer Tofacitinib.<sup>8, 9</sup> Beide Substanzen waren in den Arbeiten besser wirksam als der TNF-Inhibitor Adalimumab.<br /> Für die periphere PsA untersuchte eine klinische placebokontrollierte Studie die Wirksamkeit des PDE-4-Inhibitors Apremilast, der hierbei ein 40 % iges ACR20-Ansprechen zeigte.<sup>10</sup></p> <h2>Biologika schon vor konventionellen Basistherapien</h2> <p>«Die Nebenwirkungen stellten bei all den untersuchten neuen Wirkstoffen kein grösseres Problem dar», erläuterte Hasler. Generell sei die Wirkung der neuen Substanzen bei Biologika-naiven Patienten am grössten. In welcher Reihenfolge sie am besten eingesetzt werden, sei allerdings nicht bekannt.<br /> Allgemein richtet sich die Therapie nach dem Schweregrad und dem Haupt-Beschwerdebild. Die Behandlung der PsA basiert weitestgehend auf Empfehlungen der GRAPPA (Group for Research and Assessment of Psoriasis and Psoriatic Arthritis) und der EULAR (European League Against Rheumatism).<sup>11, 12</sup> Die Behandlungsalgorithmen der beiden Fachgesellschaften unterscheiden sich gemäss Professor Hasler nur in wenigen Punkten. So legt EULAR etwas mehr Gewicht auf die Diagnose und GRAPPA macht zusätzliche Empfehlungen für die Hautmanifestationen der Erkrankung. Zudem kommen Biologika, insbesondere die Anti-TNF-Substanzen, bei GRAPPA zum Teil schon früher zum Einsatz: Bei einer aktiven Enthesitis oder Daktylitis sowie bei einer axialen Beteiligung empfiehlt die GRAPPA ein Biologikum ohne vorangehende Behandlung mit einem konventionellen Basistherapeutikum (wie zum Beispiel Methotrexat), wenn Patienten nicht auf NSAR und/oder Glukokortikoidinjektionen angesprochen haben.<sup>11</sup> Es gilt hier zu beachten, dass die Behandlung gemäss Indikationen der Swissmedic und der Limitationen des BAG vorzunehmen ist.</p> <h2>Risikofaktoren und Komorbiditäten mitbehandeln</h2> <p>Zu den Therapiezielen gehören die Remission oder Reduktion der Krankheitsaktivität sowie die Verbesserung der Gelenksfunktion und der Lebensqualität. Wie Prof. Hasler ausführte, soll der Therapieverlauf kontinuierlich beobachtet und die Behandlung regelmässig reevaluiert und wenn nötig rasch angepasst werden.<br /> Die Risikofaktoren und Komorbiditäten gilt es bei der PsA immer im Auge zu behalten. Sie sollten deshalb regelmässig – mindestens alle 5 Jahre – gescreent werden. Wenn nötig sollten überdies Prophylaxemassnahmen eingeleitet und die Begleiterkrankungen immer gut mitbehandelt werden.<sup>13</sup> «Die PsA-Patienten haben wie die Diabetiker ein etwa doppelt so grosses Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung», so Hasler. «Sie entwickelten zudem häufiger als die Allgemeinbevölkerung Komorbiditäten, wie Infektionen, Osteoporose, Magengeschwüre und Depressionen.» Zudem würden PsA-Patienten deutlich früher versterben.<sup>14</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Rheuma Top 2019, 22. August 2019, Pfäffikon
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<p><strong>1</strong> Springate DA et al.: Incidence, prevalence and mortality of patients with psoriasis: a U.K. population-based cohort Study. Br J Dermatol 2017; 176(3): 650-8 <strong>2</strong> Olivieri I et al.: Role of trauma in psoriatic arthritis. J Rheumatol 2008; 35: 2085-7 <strong>3</strong> Veale D et al.: Immunopathology of psoriasis and psoriatic arthritis. Ann Rheum Dis 2005; 64(Suppl II): 26-9 <strong>4</strong> Taylor W et al.: Classification criteria for psoriatic arthritis. Arthritis & Rheumatism 2006; 54(8): 2665-73 <strong>5</strong> Härtle P et al.: Detection of psoriasis arthritis with the GEPARD patient questionnaire in a dermatologic outpatient setting. Z Rheumatol 2010; 69: 157-63 <strong>6</strong> Olivieri I et al.: Psoriatic arthritis sine psoriasis. J Rheumatol Suppl 2009; 83: 28-9 <strong>7</strong> Mease P et al.: Secukinumab inhibition of interleukin-17A in patients with psoriatic arthritis. NEJM 2015, 373: 1329- 39 <strong>8</strong> Mease PJ et al.: Ixekizumab, an interleukin-17A specific monoclonal antibody, for the treatment of biologic-naive patients with active psoriatic arthritis: results from the 24-week randomised, double-blind, placebo-controlled and active (adalimumab)-controlled period of the phase III trial SPIRIT-P1. Ann Rheum Dis 2017; 76: 79-87 <strong>9</strong> Mease P et al.: Tofacitinib or adalimumab versus placebo for psoriatic arthritis. NEJM 2017; 377: 1537-50 <strong>10</strong> Kavanaugh A et al.: Treatment of psoriatic arthritis in a phase 3 randomised, placebo-controlled trial with apremilast, an oral phosphodiesterase 4 inhibitor. Ann Rheum Dis 2014; 73: 1020-6 <strong>11</strong> Coates L et al.: Group for Research and Assessment of Psoriasis and Psoriasic Arthritis. Treatment recommendations for psoriasis. Arthritis Rheumatol 2015; 68(5): 1060-71 <strong>12</strong> Gossec I et al.: European League Against Rheumatism (EULAR) recommendations for the management of psoriatic arthritis with pharmacological therapies: 2015 update. Ann Rheum Dis 2016; 75(3): 499-510 <strong>13</strong> Baillet A: Points to consider for reporting, screening for and preventing selected comorbidities in chronic inflammatory rheumatic diseases in daily practice: a EULAR initiative. Ann Rheum Dis 2016; 75: 965 <strong>14</strong> WHO: Global Report on Psoriasis. https://apps.who.int/iris/handle/10665/204417</p>
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