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41. Badener Rheumatologischer Fortbildungstag und 8. Burgenländischer Rheumatag

<p class="article-intro">Ein praxisbezogenes Programm wurde dieses Jahr in Baden geboten. Themen waren unter anderem die Transition von Jugendlichen und der Umgang mit Kortison. ÖGR-Präsident Dr. Rudolf Puchner sprach über Biologika und Biosimilars.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Wenn Rheumakinder erwachsen werden</h2> <p>Der &Uuml;bergang von der kinderrheumatologischen Betreuung in die Erwachsenenrheumatologie ist weder f&uuml;r die Patienten noch f&uuml;r die Angeh&ouml;rigen und &Auml;rzte einfach. Was &auml;ndert sich? &bdquo;In der Kinderrheumatologie ist die Betreuung familienorientiert, die Gespr&auml;che werden mehr mit den Eltern und weniger mit den Kindern gef&uuml;hrt und die Betreuungsintensit&auml;t ist relativ hoch&ldquo;, erkl&auml;rt Dr. Josef Feyertag, Wilhelminenspital, Wien. Aus dieser Situation wird der jugendliche Rheumapatient gleichsam &bdquo;herausgerissen&ldquo; und kommt nun in die internistische Betreuung. &bdquo;Internisten sind es nicht gewohnt, mit Eltern zu sprechen. Sie wollen mit dem Patienten sprechen.&ldquo; Die Betreuung wird symptomorientierter, die Betreuungsintensit&auml;t sinkt deutlich. F&uuml;r den Jugendlichen bedeutet dies, eine Verantwortlichkeit &uuml;bernehmen zu m&uuml;ssen, die vorher haupts&auml;chlich bei seinen Eltern gelegen ist.<br /> Definitionsgem&auml;&szlig; soll Transition eine geplante, koordinierte &Uuml;berleitung von chronisch kranken Jugendlichen aus der Kinder- in die Erwachsenenbetreuung sein. Die EULAR hat dazu Empfehlungen erarbeitet (Foster HE et al: Ann Rheum Dis 2017; 76: 639-46). Unter anderem wird darin betont, dass der Transitionsprozess schon m&ouml;glichst fr&uuml;h &ndash; laut Feyertag ab dem 13. Lebensjahr &ndash; starten und einem geplanten Ablauf folgen soll, der mit dem Patienten und den Angeh&ouml;rigen erarbeitet wird. Jede betreuende Einrichtung sollte Strategien zur strukturierten Transition vorhalten und die individuellen Transitionsprozesse dokumentieren. In einigen europ&auml;ischen L&auml;ndern (Gro&szlig;britannien, Belgien, Niederlande, Deutschland) sind bereits eigene Transitionsprogramme geschaffen worden, die auch Checklisten anbieten (siehe z.B. www. berliner-transitionsprogramm.de).<br /> F&uuml;r die Praxis empfiehlt Feyertag, sich f&uuml;r die erste Sprechstunde in der Erwachsenenrheumatologie eine ganze Stunde &ndash; ohne St&ouml;rungen &ndash; Zeit zu nehmen, um mit dem jungen Patienten auch grunds&auml;tzliche Fragen er&ouml;rtern zu k&ouml;nnen. &bdquo;Oft wissen die Patienten nicht einmal, an welcher Krankheit genau sie leiden&ldquo;, berichtet Feyertag. In weiterer Folge sollte der Arzt das Selbstmanagement der Jugendlichen f&ouml;rdern, indem er z.B. Terminvereinbarungen nicht mit den Eltern, sondern direkt mit dem Patienten trifft. Die Anwesenheit der Eltern in den Sprechstunden sollte alsbald nicht mehr n&ouml;tig sein. Dann k&ouml;nnen auch Themen wie Sexualit&auml;t, Drogen, Verh&auml;ltnis zu den Eltern etc. gezielter angesprochen werden. Auch Berufsw&uuml;nsche bzw. Probleme in der Schule sollten besprochen werden, denn &bdquo;in Schulen gibt es oft wenig Verst&auml;ndnis f&uuml;r diese Erkrankung&ldquo;, so Feyertag.</p> <h2>Kunstfehler bei der Kortisontherapie vermeiden</h2> <p>&bdquo;Fehler im Rahmen einer Kortisontherapie sind zunehmend Thema in gerichtlichen Prozessen&ldquo;, wei&szlig; Dr. Ren&eacute; Thonhofer, LKH M&uuml;rzzuschlag. Immer wieder komme es leider zu falschen Anwendungen, z.B. bei fehlender Indikation oder weil das Kortison zum falschen Zeitpunkt oder in einer falschen Dosis verabreicht wird. Wichtig sei es, folgende Punkte zu beachten:</p> <ul> <li>Kortison erst verabreichen, nachdem eine Diagnose gestellt worden ist, denn diese Therapie kann die rheumatologische Diagnostik verf&auml;lschen;</li> <li>unter Beachtung publizierter Leitlinien die richtige Dosis f&uuml;r die richtige Erkrankung finden und auch die Dosisreduktion empfehlungsgem&auml;&szlig; durchf&uuml;hren;</li> <li>Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t bedenken.</li> </ul> <p><br /> &bdquo;Kortison w&auml;re ein ideales Arzneimittel, wenn es nicht so viele Nebenwirkungen h&auml;tte&ldquo;, so Thonhofer. Von simplen Hautnebenwirkungen bis hin zu schweren Infektionen, Osteoporose, Diabetes und kardiovaskul&auml;ren Problemen reichen die Komplikationen. Die Mortalit&auml;t steigt bei 15mg/Tag nach einem Jahr auf das 3,6-Fache (Listing J et al: Ann Rheum Dis 2015; 74: 415-21). H&auml;ufig sind auch unerw&uuml;nschte Wirkungen an den Augen wie Katarakt oder Glaukom, wobei die Katarakt schon bei geringer Dosierung auftreten kann. Nicht nur die t&auml;gliche, sondern auch die kumulative Dosis ist relevant f&uuml;r Nebenwirkungen. So erh&ouml;hen z.B. 5400mg das Risiko f&uuml;r eine osteoporotische Fraktur um das 13-Fache (Balasubramanian A et al: Osteoporos Int 2016; 27: 3239-49). Das entspricht in etwa einer zweij&auml;hrigen Therapie mit 7,5mg.<br /> Ein laut Thonhofer zu wenig beachtetes Problem ist die kortisoninduzierte Nebenniereninsuffizienz, die im Mittel 37,4 % der behandelten Patienten betrifft: &bdquo;Das Risiko daf&uuml;r ist unabh&auml;ngig von der Dosis und der Applikationsform und bleibt auch nach Absetzen der Kortisontherapie bestehen.&ldquo; Drei Jahre nach Beendigung der Kortisontherapie sind gem&auml;&szlig; Studiendaten noch 15 % von einer Nebenniereninsuffizienz betroffen (Broersen LHA et al: J Clin Endocrinol Metab 2015; 100: 2171-80; Joseph RM et al: Semin Arthritis Rheum 2016; 46: 133-41).<br /> Diesen Problemen steht der Nutzen einer Kortisontherapie gegen&uuml;ber, der z.B. bei fr&uuml;her RA gegeben ist: Wenn zus&auml;tzlich zur Basistherapie intraartikul&auml;r Glukokortikoid verabreicht wird, reduziert das die entz&uuml;ndliche Aktivit&auml;t und erh&ouml;ht sowohl Remissionsraten als auch Lebensqualit&auml;t (Kuusalo LA et al: Clin Exp Rheumatol 2016; 34: 1038-44). Unter Beachtung von Risiken und Nutzen ist jedoch auch der Einsatz systemischer Kortisongaben bei RA f&uuml;r die Betroffenen von Vorteil, insbesondere als &bdquo;bridging&ldquo;: Durch die rasche entz&uuml;ndungshemmende Wirkung von Kortison werden die Entz&uuml;ndung und damit auch die Schmerzen gelindert; auf diese Weise wird die Zeit bis zum Eintritt der Wirkung einer DMARD-Therapie &uuml;berbr&uuml;ckt (Verschueren P et al: Arthritis Res Ther 2015; 17: 97). Zum Einsatz kommt Prednisolon in einer Dosis von 15 bis maximal 30mg. Die Vorteile einer lokalen gegen&uuml;ber einer systemischen Kortisontherapie liegen in der k&uuml;rzeren Zeitdauer bis zum Ansprechen und der geringeren Dosierung, wodurch es zu weniger Nebenwirkungen kommt. Auch im Vergleich mit der intramuskul&auml;ren Gabe schneidet die intraartikul&auml;re besser ab. Intraartikul&auml;res Kortison gilt daher als integraler Bestandteil in der Behandlung der fr&uuml;hen RA. Wichtig bei Gelenkinfiltrationen: &bdquo;Steril arbeiten und Gelenkerg&uuml;sse zuerst absaugen!&ldquo;, so Thonhofer.<br /> Systemische Glukokortikoide k&ouml;nnen bei rheumatischen Erkrankungen einen Benefit erbringen, z.B. bei der Therapie der Polymyalgia rheumatica, aus der sie nicht wegzudenken sind. Als Initialdosis werden 12,5&ndash;25mg Prednisolon&auml;quivalent gegeben. &bdquo;Hier sind im Einzelfall Nutzen und Risiko sorgf&auml;ltig abzuw&auml;gen&ldquo;, betont Thonhofer, &bdquo;beispielsweise das Rezidivrisiko gegen ein eventuell vorhandenes Diabetesrisiko.&ldquo; Auch die Dosisreduktion sollte nach einem individualisierten Therapieplan unter Ber&uuml;cksichtigung von Krankheitsaktivit&auml;t und Komorbidit&auml;ten erfolgen. In der Regel wird nach 4&ndash;8 Wochen auf 10mg reduziert, in weiterer Folge alle 4 Wochen um 1mg bis zum Ausschleichen.<br /> Bei unkomplizierter Riesenzellarteriitis werden 40&ndash;60mg Prednisolon oral empfohlen, bei komplizierter 0,5&ndash;1g Methylprednisolon i.v. f&uuml;r 3 Tage. W&auml;hrend der ein- bis dreij&auml;hrigen Therapiedauer soll nach 2&ndash;4 Wochen alle 2 Wochen um 10mg bis auf eine Tagesdosis von 20mg reduziert werden, danach alle 2&ndash;8 Wochen um 1&ndash;2,5mg (Buttgereit F et al: JAMA 2016; 315: 2442-58). &bdquo;Rezidive treten bei bis zu f&uuml;nfzig Prozent der Patienten auf, meist bei einer Dosis von weniger als 10mg Prednisolon&ldquo;, erkl&auml;rt Thonhofer. &bdquo;Andererseits sehen wir viele Komplikationen. Besonders gef&uuml;rchtet ist eine Sepsis mit gramnegativen Keimen.&ldquo; Bei Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis pl&auml;diert Thonhofer daher f&uuml;r kortisonsparende Therapien, insbesondere wenn kardiovaskul&auml;re Komorbidit&auml;ten vorhanden sind. F&uuml;r die Kortisoninitialdosis bei RA gibt es keine genauen Empfehlungen. Derzeit werden meist 15&ndash;30mg Prednisolon peroral als &Uuml;berbr&uuml;ckung bis zum Wirkeintritt der Basistherapie verordnet. Dieses Vorgehen verbessert nicht nur die Lebensqualit&auml;t, sondern hat auch nachhaltig g&uuml;nstige Effekte auf klinische und radiologische Parameter (Smolen JS et al: Ann Rheum Dis 2017; 0: 1-18). &bdquo;Nach drei bis sechs Monaten sollte Kortison aber ausgeschlichen sein&ldquo;, wei&szlig; Thonhofer.<br /> Auch die Initialtherapie der Arthritis urica ben&ouml;tigt systemisches Kortison, und zwar 30&ndash;35mg Prednisolon&auml;quivalent f&uuml;r 5 Tage. Nach dem Gichtanfall k&ouml;nnen neben der harns&auml;uresenkenden Therapie 5&ndash;7,5mg Kortison als Prophylaxe verschrieben werden. Hierf&uuml;r gibt es aber auch Alternativen wie NSAR, Colchizin oder IL-1-Hemmer.<br /> Bei Psoriasisarthritis sind systemische Glukokortikoide mit Zur&uuml;ckhaltung anzuwenden, die Dosierung soll abh&auml;ngig von der entz&uuml;ndlichen Aktivit&auml;t und den Risiken erfolgen. Allgemeine Empfehlungen gibt es nicht. Bei Befall des Axialskelettes besteht keine Indikation f&uuml;r Kortison. &bdquo;Insgesamt gilt f&uuml;r jede Kortisontherapie: so wenig und so kurz wie m&ouml;glich, aber so hoch und so viel wie n&ouml;tig&ldquo;, so Thonhofer zusammenfassend. &bdquo;Und immer an die M&ouml;glichkeit einer lokalen Applikation denken.&ldquo;</p> <h2>Biologika und Biosimilars</h2> <p>Biologika haben die Behandlung und Pr&auml;vention vieler Erkrankungen revolutioniert. F&uuml;r Rheumatologen sind sie mittlerweile unverzichtbar geworden. &bdquo;Die Einf&uuml;hrung der Biologika war f&uuml;r mich eine der wesentlichsten Bereicherungen in meiner beruflichen Laufbahn&ldquo;, berichtet Dr. Rudolf Puchner, Wels.<br /> Biologika sind nicht billig, sie sind ein erheblicher Kostenfaktor f&uuml;r das Gesundheitsbudget. Da sie nun aber nach und nach das Ende ihrer Patentdauer erreichen, n&uuml;tzt die pharmazeutische Industrie die M&ouml;glichkeit, sehr &auml;hnliche Produkte zu entwickeln und zu vermarkten. Diese k&ouml;nnen &ndash; unter der Bezeichnung Biosimilars &ndash; zu niedrigeren Preisen angeboten werden. Allerdings ist hier der Preisunterschied nicht so gro&szlig; wie derjenige zwischen herk&ouml;mmlichen Arzneimitteln und Generika, denn der Herstellungsprozess ist &auml;hnlich aufwendig und es muss ein Zulassungsprocedere durchlaufen werden. Mit einer Kostenersparnis von derzeit etwa 30 % im Vergleich zu Biologika kann immerhin gerechnet werden.<br /> Biosimilars werden das Gesundheitsbudget also entlasten. &bdquo;Dies sollte dazu f&uuml;hren, dass sehr wirksame Medikamente in verschiedenen L&auml;ndern breiter eingesetzt werden k&ouml;nnen&ldquo;, hofft Puchner. Der Zugang zu Biologika ist n&auml;mlich international sehr unterschiedlich und keineswegs &uuml;berall optimal. So variieren z.B. die Verschreibungskriterien: In Deutschland und &Ouml;sterreich sind Biologika zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) bei einem DAS28-Score &gt;3,2 verschreibbar, in England und Italien erst bei einem DAS28 &gt;5,1. Die QUEST-RA-Studie (Sokka T et al: Ann Rheum Dis 2007; 66: 1491- 6) hat einen starken inversen Zusammenhang zwischen dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes und dem durchschnittlichen DAS28-Wert festgestellt. &bdquo;Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Wohlfahrt eines Landes streng mit der Krankheitslast assoziiert ist&ldquo;, erkl&auml;rt Puchner. Der Anteil an Patienten mit RA, die Biologika erhalten, variiert ebenfalls von Land zu Land und betr&auml;gt z.B. in Deutschland 25 % , in Polen hingegen nur 1,3 % (Pentek M et al: Eur J Health Econ 2014; 15(suppl 1): 35-43; Huscher D et al: Ann Rheum Dis 2015; 74: 738-45). Die COMORA-Studie (Dougados M et al: Ann Rheum Dis 2014; 73: 62-8) hat eine klare Assoziation zwischen Krankheitsaktivit&auml;t und sozio&ouml;konomischem Status belegt, und zwar sowohl auf individuellem Level, in Bezug auf Ausbildung, als auch auf L&auml;nderebene, gemessen am BIP.<br /> Im Gegensatz zu klassischen Arzneimitteln, die durch chemische Synthese oder Extraktion hergestellt werden, ben&ouml;tigt man f&uuml;r die Produktion von Biologika und Biosimilars lebende Wirtszellen. Dieses Verfahren bedingt Variabilit&auml;ten in der Molek&uuml;lstruktur der Endprodukte. &bdquo;Die Herstellung eines v&ouml;llig identischen Nachbaus eines Biologikums ist technisch kaum m&ouml;glich&ldquo;, wei&szlig; Puchner. &bdquo;Auch das Originalprodukt weist schon eine gewisse Variabilit&auml;t auf.&ldquo;<br /> Hinsichtlich Qualit&auml;t und Sicherheit sind Biosimilars nach derzeitigem Wissensstand als gleichwertig zu betrachten. &bdquo;Die gesetzlichen Bestimmungen, die zur Zulassung eines Biosimilars f&uuml;hren, sind in Europa und in den USA sehr streng&ldquo;, so Puchner. Die Herstellung muss nach den gleichen Pfaden und Richtlinien erfolgen, wie sie bei den Biologika angewandt werden. Abweichungen in der Molek&uuml;lstruktur d&uuml;rfen nicht die wirksame Aminos&auml;uresequenz betreffen. Eine biologisch gleichwertige Wirksamkeit muss durch &Auml;quivalenzstudien nachgewiesen werden, und auch Pharmakodynamik und Pharmakokinetik m&uuml;ssen mit dem urspr&uuml;nglichen Biologikum &auml;quivalent sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s89_abb1.jpg" alt="" width="1455" height="922" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 41. Badener Rheumatologischer Fortbildungstag und 8. Burgenländischer Rheumatag, 20. Mai 2017, Baden </p>
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