
Wissenswertes zu Stimulanzien
Bericht:
Hanna Gabriel, MSc
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Stimulanzien fördern die Aufmerksamkeit, innere Ruhe und Selbstkontrolle. Neben der ADHS-Therapie könnten sie besonders dort entscheidend sein, wo sich eine solche mit Bipolarität oder Depression überlappt.
Bei der Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kommen Stimulanzien zum Einsatz. Sie wirken anregend, fördern Wachheit, Konzentrationsfähigkeit und kognitive Leistungsfähigkeit. Im Vortrag von Prof. Dr. med. Dominique Eich-Höchli waren neben deren Verwendung auch Überschneidungen zwischen psychischen Störungen ein zentrales Thema.
Stimulanzien in der Therapie
Einteilung
Unter die Substanzklasse der Stimulanzien fallen nicht nur Therapeutika wie Amphetamin-Derivate (z.B. Amphetamin, Lisdexamfetamin), Piperidin (z.B. Methylphenidat) und Benzhydrylsulfinyle (z.B. Modafinil), sondern auch Koffein, Kokain oder Nikotin.1, 2
First-Line-Treatment bei der ADHS ist Ritalin (Methylphenidat). Für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre ist Attentin (Dexamphetamin) zugelassen. Weiters wurden im Vortrag Focalin (Dexmethylphenidat) mit Wirkungseintritt nach ½h und das ab 1h wirkende Elvanse/Vyvanse (Lisdexamfetamin) hervorgehoben. Dabei ist der teilweise extreme Konsum koffeinhaltiger Getränke unter ADHS-Patienten wegen der Dopamin-Wiederaufnahme-hemmenden Wirkung von Methylphenidat zu beachten.
Wirkung
Die Gabe von Stimulanzien zielt bei ADHS auf die Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung, Impulsivität und Hyperaktivität. Die positiven Effekte von Stimulanzien sind dabei sehr weitreichend. Sie verbessern die kognitive Leistung, indem sie die Konzentration steigern, Ablenkbarkeit reduzieren und so zu einer Steigerung des Arbeitspensums führen. Stimulanzien beruhigen das Verhalten und helfen, es situativ besser anzupassen, sodass Patienten seltener aggressiv reagieren. Insgesamt bessern sich dadurch die Selbstregulation und die soziale Kompetenz. Viele Patienten erleben erstmals das Gefühl innerer Ruhe und bemerken einen Rückgang ihrer Rastlosigkeit und des Rededranges. Gerade bei ADHS-Patienten bessern sich die oftmals starken Stimmungsschwankungen innerhalb eines Tages. Die emotionale Erregbarkeit nimmt ab und die Patienten reagieren seltener hypersensibel.
Anwendung
Voraussetzung sind natürlich eine gesicherte Diagnose und eine ausführliche Aufklärung. Insbesondere sind Patienten hinsichtlich der Kostenerstattung zu informieren. Stimulanzien kommen (on-label) bei ADHS und Narkolepsie zum Einsatz, könnten aber auch bei Tic-Störungen, Autismus, intellektuellen Beeinträchtigungen, chronischer Müdigkeit, schwerer Depression oder Binge-Eating-Störungen helfen.
Das Management von Nebenwirkungen muss vor allem den Rebound-Effekt im Blick haben. Stimulanzien sollten hier überlappend verabreicht oder auf lang wirksame Präparate umgestellt werden.
Kontraindiziert sind Stimulanzien bei Psychosen, Glaukomen, Hyperthyreose, Schwangerschaft, der gleichzeitigen Einnahme von Monoaminooxidase-Hemmern sowie Hypertension bzw. Arrhythmien. Bei einer vorliegenden Suchtproblematik (relative Kontraindikation) ist die Anwendung lang wirksamer Präparate möglich.
Eine Krankheit kommt selten allein
Ein Grossteil der ADHS-Patienten leidet an weiteren Komorbiditäten, die sich einer Studie zufolge auch in genetischen Überlappungen zwischen ADHS und u.a. Bipolarität, schwerer Depression und Migräne niederschlagen.3 Dennoch (oder gerade deshalb) wird eine ADHS oft nicht als solche erkannt. Dabei kann ihre frühzeitige Behandlung das Auftreten anderer psychischer Störungen nachweislich verzögern.4,5
Beim gemeinsamen Auftreten von ADHS und anderen psychischen Störungen ist die beeinträchtigendere zuerst zu behandeln.6 Im Zusammenhang mit bipolaren Störungen, die eine häufige Komorbidität darstellen und viele Symptome mit einer ADHS teilen, empfiehlt die Canadian ADHD Resource Alliance (CADDRA), zunächst die bipolare affektive Störung zu behandeln und erst nach Stimmungsstabilisierung die ADHS. Dies stellt ausserdem sicher, dass durch die Gabe von Stimulanzien keine Manie getriggert wird.7 Gleiches gilt bei schweren Depressionen, Angststörungen oder Abhängigkeitserkrankungen. Auch von der World Federation of ADHD wurde heuer eine umfassende Guideline zur ADHS-Behandlung insbesondere hinsichtlich Komorbiditäten (auch somatischer Art) publiziert.8
Zum Schluss bleibt der Appell, gerade bei schweren psychischen Störungen mit frühem Beginn und komplexem Verlauf aktiv nach einer unentdeckten ADHS zu suchen.
Quelle:
19. Jahrestagung der Schweizerische Gesellschaft für Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie, 9. September 2021
Literatur:
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Stimulans 2 https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Stimulanzien 3 Brainstorm Consortium, Anttila V, Bulik-Sullivan B et al.: Science 2018; 360: eaap8757 4 Barkley RA, Brown TE: CNS Spectr 2008; 13: 977-84 5 Nierenberg AA et al.: Biol Psychiatry 2005; 57: 1467-73 6 Katzman MA et al.: BMC Psychiatry 2017; 17: 302 7 Viktorin A et al.: Am J Psychiatry 2017; 174: 341-8 8 Faraone SV et al.: Neurosci Biobehav Rev 2021; 128: 789-818