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Ergebnisse widersprechen früheren Annahmen

Weniger Suizidversuche bei Frauen, die hormonell verhüten

Frühere Studien hatten ergeben, dass hormonelle Verhütungsmittel mit einem höheren Risiko für Suizidversuche in Verbindung zu bringen sind. Dies hatte zu Bedenken hinsichtlich der Sicherheit geführt. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Rate der Suizidversuche bei Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel verwenden, tatsächlich niedriger ist als bei Frauen, die keine hormonelle Verhütung anwenden.

Laut Dr. Elena Toffol, der leitenden Forscherin an der Universität Helsinki, hätten Frauen, insbesondere jüngere Frauen, eine höhere Rate an Depressionen und Suizidversuchen als Männer in ähnlichem Alter. Viele Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel einnehmen, berichten über Stimmungsschwankungen als Nebenwirkung. Erste Berichte aus den Jahren 2018 und 2020 haben darauf hingewiesen, dass die Verwendung von hormonellen Verhütungsmitteln mit einer höheren Zahl bzw. einem höheren Risiko von Suiziden und Suizidversuchen verbunden war.

Hormonelle Kontrazeptiva assoziiert mit niedrigerer Rate an Suizidversuchen

Dr. Toffol und ihr Team verwendeten mehrere finnische Datenbanken, um die Suizidversuche von Anwendern hormoneller Verhütungsmittel und Nichtanwendern anhand von Daten aus dem Zeitraum 2017–2019 zu vergleichen. Sie zogen Ergebnisse von 587.823 Frauen heran, was etwa 50 % der gesamten Frauen in der Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen in Finnland entspricht. Die Hälfte dieser Frauen hatte hormonelle Verhütungsmittel (Pillen, Implantate, Pflaster und Ringe) verwendet. Das Forschungsteam stellte fest, dass die Suizidversuchsrate in der Altersgruppe 15–19 Jahre bei Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel verwenden, ähnlich hoch war wie bei Frauen die nicht hormonell verhüteten. Die Suizidraten sanken in älteren Altersgruppen, mit einem stärkeren Rückgang bei den Anwenderinnen hormoneller Verhütungsmittel als bei den Nichtanwenderinnen in den Altersgruppen der 20- bis 24-Jährigen und der 25- bis 29-Jährigen. Die Forscher beobachteten 474 Fälle von Suizidversuchen (IR: 0,81 pro 1000 Personenjahre, 95% CI: 0,74–0,88) bei Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel einnahmen, während unter Konsumenten hormonbasierter Verhütungsmittel 344 AS-Fälle (IR: 0,59, 95% CI: 0,53–0,65) auftraten. Das Inzidenzratenverhältnis (IRR) von Konsumentinnenen hormoneller Kontrazeptiva im Vergleich zu Nichtkonsumentinnen betrug 0,73 (0,63–0,83). Bei Frauen, die keine Verhütungsmittel verwendeten, war das Risiko für einen Suizidversuch um 37% höher als bei denjenigen, die hormonelle Verhütungsmittel verwendeten.

Fazit der Studienleiterin

Dr. Toffol erklärte: „Die Stärke dieser Studie liegt in ihrem großen Umfang und darin, dass wir die Daten nach Suizidversuchen, psychiatrischer Vorgeschichte, Alter und Verwendung von Verhütungsmitteln trennten. Wir haben eine größere Altersspanne einbezogen als andere Studien, und wir haben ein verschachteltes Studiendesign verwendet, bei dem wir jeden Suizidversuch mit 4 Kontrollpersonen gepaart haben, sodass wir feststellen konnten, ob die Verwendung von Verhütungsmitteln in den letzten sechs Monaten ein Faktor für den Suizidversuch war. Dabei haben wir festgestellt, dass Frauen ohne psychiatrische Vorgeschichte, die hormonelle Verhütungsmittel, insbesondere Präparate, die Ethinylestradiol enthalten, verwendeten, ein ein deutlich geringeres Risiko für einen Suizidversuch aufwiesen als Frauen, die keine hormonellen Verhütungsmittel einnahmen.“

Unabhängige Beurteilung

Professor Andrea Fiorillo (Universität von Kampanien, Neapel) Schatzmeister der European Psychiatric Association und Chefredakteur der Zeitschrift European Psychiatry, kommentierte: „Diese interessante Studie konzentriert sich auf die komplexe Beziehung zwischen hormoneller Verhütung und suizidalem Verhalten. Frühere Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen der Verwendung hormoneller Verhütungsmittel und einem höheren Risiko für Suizidversuche. Die Studie von Toffol widerlegt diese Daten. Dieses auffällige Ergebnis verdient natürlich eine sorgfältige Bewertung und muss in verschiedenen Frauenkohorten wiederholt und auf die Auswirkungen verschiedener psychosozialer Stressfaktoren wie wirtschaftliche Umwälzungen, soziale Unsicherheit und Ungewissheit aufgrund der COVID-Pandemie kontrolliert werden. Diese Studien könnten dazu beitragen, die Verwendung hormoneller Kontrzeptiva zu entstigmatisieren.“

„Use of Hormonal Contraception and Attempted Suicide: A Nested CaseControl Study“, Vortrag beim 30. Kongress für Psychiatrie der European Psychiatric Association (EPA), 4.–7. Juni 2022, virtuell

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