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Resilienz ist trainierbar

Was uns psychisch stark macht

<p class="article-intro">Ein traumatisches Ereignis führt bei einigen Menschen zu einer lang anhaltenden seelischen Erkrankung, andere gewinnen mehr oder weniger rasch ihre Stabilität wieder. Was ist es, was uns resistent macht, und wie kann man psychischen Erkrankungen vorbeugen?</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Resilienz ist nicht nur ein Pers&ouml;nlichkeitsmerkmal. Resilienz ist auch dynamisch, sie entwickelt sich prozesshaft und ist damit trainierbar, betonte Prof. Dr. med. Klaus Lieb von der psychiatrischen Universit&auml;tsklinik Mainz, die seit Kurzem auch das Deutsche Resilienz- Zentrum beherbergt. Resilienz ist variabel und situationsspezifisch: Wer einmal resilient war, muss es sp&auml;ter nicht zwangsl&auml;ufig immer noch sein. Und die Resilienz gegen&uuml;ber einem Stressor muss nicht heissen, dass sie auch gegen&uuml;ber anderen Stressoren besteht. Zudem k&ouml;nnen Anpassungs- und Bew&auml;ltigungsleistungen in einem Lebensbereich, beispielsweise dem Beruf mit eher kognitiven Herausforderungen gut ausgepr&auml;gt sein, in einem anderen wie dem sozialen Kontext der Familie nicht so gut.<sup>1</sup> Ein stressfreies Leben ist es nicht, was widerstandf&auml;hig macht, erg&auml;nzte Prof. Lieb, eher zwei bis drei bew&auml;ltigte schwierige, aber nicht zu traumatische Lebensereignisse.<br /><br /> Positive und ver&auml;nderbare Faktoren f&uuml;r psychische Gesundheit und Resilienz laut Prof. Dr. med. Martin Bohus, wissenschaftlicher Direktor des Instituts f&uuml;r psychiatrische psychosomatische Psychotherapie am Zentralinstitut f&uuml;r seelische Gesundheit in Mannheim:</p> <ul> <li>Sinn f&uuml;r Koh&auml;renz (Verstehbarkeit, Bew&auml;ltigbarkeit und Sinnhaftigkeit),</li> <li>Kontroll&uuml;berzeugungen, Selbstwirksamkeitserwartung, Selbstwertgef&uuml;hl,</li> <li>metakognitive Bewusstheit (Achtsamkeit, Religiosit&auml;t und Spiritualit&auml;t),</li> <li>positive Emotionen, Optimismus, Hoffnung,</li> <li>F&auml;higkeit zur Emotionsregulation und</li> <li>soziale Unterst&uuml;tzung.</li> </ul> <h2>Auch ein aktiver molekularer Prozess</h2> <p>Resilienz wird auch molekulargenetisch untersucht. Prof. Dr. med. Bart P. F. Rutten von der Maastricht School of Mental Health and Neuroscience untersuchte, ob epigenetische Prozesse f&uuml;r die unterschiedliche Antwort von Individuen auf traumatische Stressoren eine Rolle spielen. Er fand bei 93 holl&auml;ndischen Soldaten, die vier Monate in Afghanistan eingesetzt gewesen waren, eine signifikante Assoziation des Auftretens von Symptomen einer posttraumatischen Belastungsst&ouml;rung (PTBS) mit Ver&auml;nderungen der DNA-Methylierung an 17 Genpositionen und zw&ouml;lf Genregionen.<sup>2</sup> Blutanalysen vor und nach dem viermonatigen Einsatz in Afghanistan sprachen aufgrund der longitudinalen Ver&auml;nderungen der DNA-Methylierung an verschiedenen Genorten f&uuml;r die Vermittlerrolle dieses epigenetischen Mechanismus zwischen Kriegstrauma und PTBS-Symptomen. Eine Untersuchung in einer unabh&auml;ngigen Kohorte von 98 US-Marines best&auml;tigte die Befunde.<br /><br /> Auch die epigenetische Regulation &uuml;ber Mikro-RNA (miRNA) scheint f&uuml;r die Entwicklung einer PTBS oder Resilienz nach einem Trauma eine Rolle zu spielen.<sup>3</sup> miRNA markieren mRNA f&uuml;r den Abbau und mindern so den Effekt der bereits erfolgten Gentranskription. Wie vorl&auml;ufige Ergebnisse von Prof. Rutten zeigen, ist das miRNA-Profil von Soldaten, die ein Trauma erlebt haben, aber resilient sind, anders als bei Kameraden, die nach Trauma suszeptibel waren, und denen, die kein Trauma erlebt haben und nicht psychisch belastet waren.</p> <h2>Psychische Gesundheit sch&uuml;tzen</h2> <p>Dass man schon mit dem Trainieren nur eines einzigen Resilienzfaktors Erfolge hinsichtlich der psychischen Gesundheit erzielen kann, zeigte Prof. Bohus anhand einer noch nicht publizierten Metaanalyse von 36 randomisiert-kontrollierten Studien zu den Effekten von achtsamkeitsbasierten Interventionen am Arbeitsplatz.<sup>4</sup> Das Achtsamkeitstraining reduzierte Stress und subsyndromale psychische Symptome. Achtsamkeit, Wohlergehen/ Lebenszufriedenheit und Engagement bei der Arbeit stiegen an. Die Effektst&auml;rken waren gering bis moderat.<br /><br /> Das Programm &laquo;Lebe Balance&raquo;, das Prof. Bohus in Zusammenarbeit mit einer gesetzlichen deutschen Krankenkasse entwickelt hat, zielt in sieben 1,5-st&uuml;ndigen Trainings innerhalb eines halben Jahres auf mehrere Faktoren ab: &Uuml;bungen zu Probleml&ouml;sungsstrategien, Verhaltens&auml;nderungen und das Erlernen der Akzeptanz von unl&ouml;sbaren Situationen st&auml;rken das Gef&uuml;hl von Verstehbarkeit und Bew&auml;ltigbarkeit von Situationen. Elemente zu individuellen und sozialen Werten zielen auf das Erleben von Sinnhaftigkeit ab. Ein Achtsamkeitstraining unterst&uuml;tzt metakognitive Wahrnehmung und Emotionsregulation, und die Analyse des sozialen Netzwerks und ein Kommunikationstraining st&auml;rken die soziale Unterst&uuml;tzung. Die Evaluation der Ergebnisse bei 1945 Teilnehmern (mittleres Alter knapp 50 Jahre, 82 % weiblich) ergab eine deutlichere Verringerung der psychischen Belastung nach dem Wert auf der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) &uuml;ber zw&ouml;lf Monate im Vergleich zu einer &laquo;Wartegruppe &raquo;.<sup>5</sup> Die Effektst&auml;rken waren bei den Teilnehmern mit milden oder ausgepr&auml;gten Angst- und Depressionssymptomen zu Beginn mit 0,42 bzw. 0,77 &uuml;ber ein Jahr hinweg stark ausgepr&auml;gt, so Bohus. Die Inzidenz neu aufgetretener psychischer Erkrankungen war nach einem Jahr deutlich reduziert mit 13,4 % gegen&uuml;ber 19,8 % in der Wartegruppe (Abb. 1) &ndash; eine von 15 psychischen Neuerkrankungen wurde verhindert. &laquo;Das ist weltweit der erste Nachweis, dass man das Neuauftreten von psychischen Erkrankungen reduzieren kann&raquo;, betonte Prof. Bohus.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Neuro_1706_Weblinks_s40_abb1.jpg" alt="" width="1420" height="783" /></p> <h2>Einfaches Dankbarkeitstraining ist schon effektiv</h2> <p>Eine &uuml;berraschend einfache Intervention stellte Prof. Dirk Lehr, Gesundheitspsychologe an der Leuphana-Universit&auml;t in L&uuml;neburg, vor. Sie basiert auf dem Befund, dass auch Dankbarkeit ein beg&uuml;nstigender Faktor f&uuml;r Resilienz ist. Dankbarkeit repr&auml;sentiert einen positiven Bewertungsstil im Gegensatz zum perseverativen, negativen Denken und Gr&uuml;beln, das zur Aufrechterhaltung psychischer St&ouml;rungen beitr&auml;gt. Typische &Uuml;bungen zum Training von Dankbarkeit sind ein Dank-Tagebuch, ein Dank-Brief oder ein Dank-Besuch. Solche &Uuml;bungen sind einfach zu verstehen und anzuwenden, vergleichsweise beliebt, auf zwischenmenschliche Beziehungen ausgerichtet und gut mit anderen therapeutischen Methoden vereinbar, erl&auml;uterte Prof. Lehr.<br /><br /> In L&uuml;neburg kam ein digitales Dankbarkeitstraining mit einem Smartphonebasierten Tagebuch und einem vertiefenden Online-Training mit t&auml;glichen &Uuml;bungen am Smartphone und f&uuml;nf w&ouml;chentlichen Sitzungen am Computer zum Einsatz. Ziel des Trainings war, Dankbarkeit und Wohlbefinden zu steigern, Aufmerksamkeit zu st&auml;rken (f&uuml;r die eigenen Lebensbereiche und die Lebensgeschichte, aber auch f&uuml;r andere Menschen), das emotionale Erleben zu vertiefen und dysfunktionale Einstellungen zu identifizieren und zu bearbeiten. Gegen&uuml;ber einer Wartegruppe nahmen perseveratives Denken, depressive und Angstsymptome bei den Teilnehmern mit psychischen Beschwerden &uuml;ber sechs Monate hinweg deutlich ab und der Schlaf verbesserte sich. Die Resilienz, gemessen anhand der Connor-Davidson- Resilienzskala, verbesserte sich mit einer Effektst&auml;rke von 0,40.<br /><br /> Daraufhin speckten die L&uuml;neburger Wissenschaftler das Programm nach und nach ab. Auch ohne regelm&auml;ssigen Kontakt mit dem Coach, der aber auf Wunsch noch zur Verf&uuml;gung stand, zeigten sich g&uuml;nstige Effekte. Selbst bei Verwendung eines einfachen &Uuml;bungsbuches liessen sich perseveratives Denken und depressive Symptome &uuml;ber eine gewisse Zeit &auml;hnlich gut wie mit der digitalen Variante reduzieren. Der Resilienzscore stieg mit Buch und E-Training sogar bis zu sechs Monate v&ouml;llig gleichartig an. Jetzt wollen die Forscher eine Gruppenintervention zur Dankbarkeit untersuchen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: WPA XVII World Congress of Psychiatry, 8.–12. Oktober 2017, Berlin </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bengel J, Lyssenko L: 2012 BZGA, Forschung und Praxis der Gesundheitsf&ouml;rderung, Band 43: Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter. Download unter https://www.bzga.de/botmed_60643000.html <strong>2</strong> Rutten BPF et al.: Mol Psychiatry 2017 [Epub ahead of print] <strong>3</strong> Snijders C et al.: Curr Top Behav Neurosci 2017 [Epub ahead of print] <strong>4</strong> Vonderlin R et al.: submitted <strong>5</strong> Lyssenko L et al.: BMC Public Health 2015; 15: 740</p> </div> </p>
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