Vernetzung als Programm
Klinikdirektor UPKKJ<br>Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel<br>E-Mail: Alain.DiGallo@upk.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Biologie, Umwelt, Interprofessionalität, Digitalisierung – die Kinder- und Jugendpsychiatrie stand und steht immer im Schnittpunkt zahlreicher Facetten des Lebens. Die Notwendigkeit der stetigen Vernetzung wird in Zukunft weiter zunehmen.
Fortschritt und Veränderung
Die Fortschritte der Neurowissenschaften schaffen neue Erkenntnisse zu den Funktionen des Gehirns, zu Risikofaktoren und Therapieansätzen psychiatrischer Krankheiten. Diese biologischen Faktoren interagieren ihrerseits intensiv mit der sich immer rascher verändernden Umwelt und den komplexer werdenden familiären Systemen. Die Verortung der Psychiatrie im Spannungsfeld zwischen Neurobiologie und soziokultureller Wissenschaft muss sich laufend neu definieren.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist einem starken Wandel unterworfen. Die Diagnostik hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Das exaktere und frühere Erkennen von Störungsbildern führt auch zur Notwendigkeit, unsere Klassifikationssysteme kritisch zu überdenken. Das Spektrum der autistischen Erkrankungen wird immer differenzierter und bei den Persönlichkeitsstörungen drängt sich eine entwicklungsorientierte dimensionale Definition auf. Differenziertere Beschreibungen der Symptomatik sowie der Dynamik zwischen Individuum und Gesellschaft haben die Entwicklung innovativer Therapieansätze gefördert. Entsprechend nimmt auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Spezialisierung zu. Spezifische Abklärungen, zum Beispiel im Rahmen der Früherkennung von psychotischen Erkrankungen, werden nicht mehr im Rahmen der Regelsprechstunden, sondern von speziell geschulten Teams durchgeführt. Immer häufiger wird ausdrücklich nach einer Traumatherapeutin oder einem DBT-Therapeuten gefragt.
Die Digitalisierung hat unsere Lebenswelt revolutioniert und birgt ein enormes Potenzial. Und doch wissen wir nicht so recht, ob sie mehr Segen oder Fluch bringt. Sie bietet Teilhabe und Bildung in noch nie da gewesenem Ausmass und für Menschen, die bisher davon ausgeschlossen blieben. Aber sie führt auch in Abhängigkeiten, Einsamkeit und Sucht. In der Psychiatrie liegen noch viele Chancen brach. Die Covidpandemie gab der Digitalisierung zwar einen Schub, doch nutzen wir die virtuellen Möglichkeiten hauptsächlich als Ersatz für die mit Risiko verbundenen Behandlungen. Wir arbeiten fernmündlich anstatt in persönlichem Kontakt. Das ist sinnvoll und hilfreich, aber noch weit entfernt von einer digitalen Transformation, die das Potenzial wirklich neuer, kreativer und wirksamer Behandlungsansätze klinisch effektiv nutzt.
Werden die Kinder und Jugendlichen kränker?
Die Schweizerische Schüler*innenbefragung, bei der 2018 11000 11–15-Jährige teilgenommen haben, zeigte in der Zeit zwischen 2002 und 2018 eine Zunahme der multiplen psychoaffektiven Beschwerden in den vergangenen sechs Monaten von 27 auf 34%. Die Schüler und Schülerinnen klagten über Traurigkeit, schlechte Laune, Nervosität, Ängstlichkeit oder Einschlafschwierigkeiten. Ob dieses Ergebnis für eine Zunahme der Gesamtzahl der psychiatrischen Morbidität spricht, wissen wir nicht. Es existieren in der Schweiz keine zuverlässigen epidemiologischen Daten, aber es gibt Daten zur Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfen. Diese zeigen einen starken und eindeutigen Trend nach oben. Vieles spricht dafür, dass die Schutzräume heute rascher kollabieren als früher, dass Krisen heftiger und Notfälle häufiger werden und dass die vulnerablen Kinder, Jugendlichen und Familien von stärkerer Symptomatik betroffen sind.
In der Schweiz erhält eine immer grösser werdende Zahl von Kindern Unterstützung im psychisch-sozial-pädagogischen Bereich. Die Koordination der Behandlung dieser Kinder stellt eine Herausforderung dar. Welche Angebote stehen an erster Stelle? Wie erfolgt die gegenseitige Abstimmung? Auf was kann verzichtet werden? Wer übernimmt den Lead? Kurz: Wie setzen wir die zur Verfügung stehenden Ressourcen so ein, damit sie tatsächlich den bedürftigsten Patientinnen und Patienten zugutekommen?
Ausblick
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie hat den Anspruch, das Kind – unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes und seines Umfeldes – in seiner Gesamtheit zu erfassen. Das stellt an die Aus-, Weiter- und Fortbildung hohe Anforderungen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kinderpsychiatrie zwischen den zahlreichen verwandten Fachdisziplinen – Psychologie, Sozialarbeit, (Heil-)Pädagogik, Justiz – aufgerieben wird. Wir stehen vor der Aufgabe, unser Berufsbild den gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen und insbesondere die Weiterbildungskonzepte in Theorie und Praxis weiterzuentwickeln.
Das könnte Sie auch interessieren:
«Können für das Management von Bedeutung sein»
Modic Changes beschreiben Veränderungen in der Wirbelsäulen-MRT, die auf den Radiologen Dr. Michael Modic zurückgehen. Welchen Stellenwert die Veränderungen haben und wann sie ...
Nur eine von vielen Begleiterscheinungen
Warum er MRT-Veränderungen bei unspezifischen Rückenschmerzen wenig Bedeutung beimisst, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Seekamp aus Kiel.
Modic Changes bei Rückenschmerzen
Obwohl die Erstbeschreibung fast 40 Jahre her ist, ist immer noch nicht klar, wodurch die MRT-Veränderungen entstehen und welchen Stellenwert sie für Diagnostik und Therapie haben.