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Psychische Erkrankung und (Wieder-)Einstieg in die Arbeitswelt

Transparente Kommunikation als neuralgischer Punkt

Vielfach kehren Menschen, die psychisch erkranken, nicht an ihren Arbeitsplatz zurück oder haben Schwierigkeiten, wieder in das Arbeitsleben zurückzufinden. Die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, bei dem Unternehmen zu psychischen Erkrankungen als Vermittlungshemmnisse befragt wurden, zeigten sowohl positive als auch negative Einflussfaktoren.

Keypoints

  • In Bezug auf die Anstellung sind u.a. eine offene Haltung gegenüber Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, ein Commitment der Unternehmensleitung sowie ein gutes Betriebsklima förderlich.

  • Die Offenlegung der psychischen Erkrankung stellt sich als neuralgischer Punkt dar. Menschen mit psychischen Erkrankungen lassen aus nachvollziehbaren Gründen hierbei häufig Vorsicht walten. Für Arbeitgeber*innen ist es hingegen wichtig, über die Erkrankung Bescheid zu wissen – nicht zuletzt, um sich auf den/die Arbeitnehmer*in besser einstellen zu können.

Die Bedeutung von Arbeit als zentrales Moment von Wertschöpfung sowie für die Integration und gesellschaftliche Teilhabe ist nahezu unumstritten. Sie trägt entscheidend zur Lebenszufriedenheit bei, stiftet Sinn, strukturiert den Tag und bringt Anerkennung und Erfahrungen der Selbstwirksamkeit mit sich. Arbeit und arbeitsbezogene Belastungen können aber auch (Mit-)Auslöser von psychischen Problemen und Erkrankungen sein (vgl. etwa Siegrist 2015). Vielfach kehren Menschen, die psychisch erkranken, nicht an ihren Arbeitsplatz zurück oder haben Schwierigkeiten, wieder in das Arbeitsleben zurückzufinden (vgl. Mernyi et al. 2018). Aus diesen Gründen zählen in Österreich – und natürlich auch in anderen Ländern – Maßnahmen zum Erhalt und zur (Wieder-)Erlangung von Arbeit zum festen Bestandteil sozialpsychiatrischer Versorgung. Nichtsdestotrotz gibt es für Menschen mit psychischen Erkrankungen zahlreiche Vermittlungshemmnisse. Nicht selten leidet diese Personengruppe unter stigmatisierenden Zuschreibungen und arbeitsplatzbezogener Diskriminierung. Der damit verbundene Rückzug wird häufig durch die Antizipation von Stigma-Erfahrungen verstärkt.

Bedingungen für die Einstellung von erkrankten Personen

Wie die internationale Forschung zeigt, stehen tatsächlich viele Unternehmen der Einstellung von Menschen mit psychischen Erkrankungen skeptisch gegenüber (vgl. Brohan et al. 2012). Auf der Seite der Betriebe gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die diese Entscheidung im positiven, aber auch im negativen Sinne beeinflussen kann. Dies zeigen auch die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, das u.a. förderliche sowie hinderliche Bedingungen der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen untersuchte und hierfür Betriebe in ganz Österreich aus verschiedenen Branchen qualitativ befragte. Diese Bedingungen und Einflussfaktoren können – wie auch Tabelle 1 verdeutlicht – auf drei Ebenen verortet werden: auf individueller, auf institutionell-organisationaler sowie auf der Ebene externer Faktoren.

Tab. 1: Ebenen förderlicher Faktoren für die Einstellung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen

Offenlegung von Erkrankung und Transparenz als neuralgische Punkte

Der (Wieder-)Einstieg in das Berufsleben ist für Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig mit Barrieren verbunden und damit nicht immer leicht. Zumeist bringt bereits die Bewerbung Herausforderungen mit sich. Ist dem/der Arbeitgeber*in die Erkrankung nicht im Vorhinein bekannt, stellt sich der erkrankten Person stets die Frage, inwieweit die eigene Erkrankung im Zuge des Bewerbungsverfahrens oder auch nach erfolgter Einstellung offengelegt werden soll – nicht zuletzt aufgrund der häufig berechtigten Sorge, die Arbeitsstelle nicht zu bekommen und/oder stigmatisiert und diskriminiert zu werden. Nichtsdestotrotz gibt es auf der Seite der Unternehmen in aller Regel den ebenfalls nachvollziehbaren Wunsch, von einer Erkrankung in Kenntnis gesetzt zu werden. Die Motivation hierfür muss jedoch nicht zwingend bzw. nicht immer darin liegen, die Person in weiterer Folge vom Bewerbungsprozess auszuschliessen oder gar kurz nach Einstellung wieder kündigen zu wollen – auch wenn dies leider vorkommt. Vielfach liegt der Wunsch, von der Erkrankung zu wissen, darin begründet, sich auf den/die Arbeitnehmer*in besser einstellen, seine/ihre Situation besser einschätzen sowie Unterstützungsleistungen bieten zu können.

Dieser Umstand lässt sich auch durch die Ergebnisse aus dem bereits erwähnten Forschungsprojekt untermauern. 11 der 15 interviewten Unternehmen, die eine oder auch mehrere Personen mit psychischen Erkrankungen zum Zeitpunkt der Interviews beschäftigten, gaben explizit und von sich aus zu Protokoll, dass ihnen ein transparenter und offener Umgang mit psychischen Erkrankungen wichtig sei. Jene befragten Betriebe, die bis dato noch keine Person mit Erkrankung anstellten, gingen darauf – zumindest in expliziter Weise – weniger häufig ein (4 der 11 befragten Unternehmen). Dennoch nannten auch diese Betriebe häufig Bedingungen, unter denen sie sich eine Anstellung vorstellen können, was in aller Regel eine Offenlegung der Erkrankung seitens der Betroffenen voraussetzt. Eine verantwortliche Person eines kleinen Dienstleistungsunternehmens in Österreich umschreibt die Notwendigkeit, von der Erkrankung zu wissen, wie folgt:
«Aber für mich ist ganz entscheidend: Was ist das Problem jetzt wirklich? Wenn ich jetzt […] weiß, den [die] kann man nur bis zu einem gewissen Grad belasten, […] sondern nur halbtags, dann funktioniert das Ganze auch gut. Das sind schon für mich […] so Dinge, die relevant wären, weil es gibt ja auch Leute, die nicht so belastbar sind […]. [W]enn man das weiß, dann ist das ja kein Problem und da kann man sich ja was ausmachen […]» (Untersuchungsgruppe 2, Interview 02, Position 70).

Massnahmen zur Förderung von Offenlegung und Transparenz

Nichtsdestotrotz zeigt sich, dass es zwischen dem/der Arbeitgeber*in und dem/der (potenziellen) Arbeitnehmer*in in puncto Offenlegung und Transparenz zu Interessenkonflikten kommen kann. Diese lassen sich auch nicht gänzlich bzw. nicht in allen Fällen vermeiden. Dennoch kann dieser Widerspruch – sowohl durch Massnahmen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als auch durch betriebliche und individuelle Vorkehrungen – «gemildert» werden. Diese können sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf institutioneller und individueller Ebene ansetzen. Hierzu einige Beispiele: Grundsätzlich ist anzunehmen, dass die Bekämpfung und das Zurückdrängen von Vorurteilen gegenüber Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auch die Situation der Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt verbessern würden (vgl. etwa Sharac et al. 2010). Demnach wären von öffentlicher Seite sowie von anderen Stakeholdern entsprechende Sensibilisierungsmassnahmen zu forcieren. Diesbezüglich wurden bereits technisch gestützte Fortbildungsmassnahmen entwickelt, deren Effektivität jedoch nicht immer konsistent nachgewiesen werden konnte (vgl. Yoshi et al. 2018). Im Zuge dessen sollte auch die Bekanntheit spezifischer Unterstützungs- und Beratungsmassnahmen in den Betrieben erhöht werden. Zuletzt sei erwähnt, dass es auch für die Seite der Arbeitnehmer*innen, im Speziellen für die Frage der Offenlegung, sogenannte Entscheidungshilfen, die z.B. etwaige innere Konflikte mildern sollen, entwickelt wurden (vgl. etwa Lassman et al. 2015). All diese Massnahmen könnten dazu beitragen, die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen weiter zu fördern.

Brohan E et al.: Systematic review of beliefs, behaviours and influencing factors associated with disclosure of a mental health problem in the workplace. BMC Psychiatry 2012; 12(1): 11 Lassman F et al.: How does a decision aid help people decide whether to disclose a mental health problem to employers? Qualitative interview study. J Occup Rehabil 2015; 25(2): 403-11 Mernyi L et al.: Berufstätigkeit und Rückkehr an den Arbeitsplatz bei stationär-psychiatrisch behandelten Patienten. Psychiatrische Praxis 2018; 45(4): 197-205 Sharac J et al.: The economic impact of mental health stigma and discrimination: a systematic review. Epidemiol Psichiatr Soc 2010; 19(3): 223-32 Siegrist J: Arbeitswelt und stressbedingte Erkrankungen. Forschungsevidenz und präventive Maßnahmen. München: Urban & Fischer, 2015 Yoshi H, Kitamura N: Program for promoting the employment of schizophrenic patients in Japan. Glob J Health Sci 2018; 10(5): 70-7

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