Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Breitensport
Autor:
Dr. med. Malte Christian Claussen
Präsident SGSPP
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Privatklinik Wyss AG und
Psychiatrische Dienste Graubünden
E-Mail: malte.claussen@pukzh.ch
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Die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP) bezweckt die Förderung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie über die Lebensspanne in der Schweiz im Leistungssport und in der Allgemeinbevölkerung. In LEADING OPINIONS Neurologie & Psychiatrie wird regelmässig über die jüngsten Entwicklungen der Sportpsychiatrie und -psychotherapie (in der Schweiz) und ihre Tätigkeitsfelder – im Breiten-, Gesundheits- und Leistungssport – berichtet.
In diesen Gesellschaftsnachrichten bildet der Breitensport den Schwerpunkt. Sportspezifische psychische Probleme und Erkrankungen im Breitensport sollen benannt und auf ein Problemfeld im Breitensport, den sogenannten Gebrauch von «image and performance enhancing drugs» (IPED), soll eingegangen werden.
Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen (Gesundheitssport) und psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport sind etablierte Tätigkeitsfelder von Sportpsychiater*innen und -psychotherapeut*innen.1
Die Umschreibung der Tätigkeitsfelder der Sportpsychiatrie und -psychotherapie wird jedoch bisher nicht einheitlich durch die verschiedenen Sektionen, Arbeitsgruppen und Referate innerhalb der psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgesellschaften sowie der eigenständigen Gesellschaften Sportpsychiatrie und -psychotherapie gehandhabt.
In mehreren Publikationen hat die SGSPP dies seit Beginn des Jahres aufgenommen und die Sportpsychiatrie und -psychotherapie als medizinische Spezialisierung und Disziplin sowie in Hinsicht auf ihre Tätigkeitsfelder diskutiert.2 Die SGSPP steht hierbei in Kontakt und Austausch mit anderen sportpsychiatrischen Institutionen und Gesellschaften, um eine einheitliche Definition und Einordnung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie sowie ihrer Tätigkeitsfelder zu erarbeiten.
Vorgeschlagen wurde in den Publikationen durch die SGSPP, die beiden etablierten Tätigkeitsfelder von Sportpsychiater*innen und -psychotherapeut*innen um einen dritten Tätigkeitsbereich zu erweitern: sportspezifische psychische Probleme und Erkrankungen im Breitensport.2
Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Breitensport
Körperbildstörungen und die Muskeldysmorphie, gestörtes Essverhalten und Essstörungen, die Sportsucht sowie bestimmte Substanzgebrauchsstörungen, wie der IPED-Gebrauch, sind Beispiele sportspezifischer psychischer Probleme und Erkrankungen im Breitensport. Diese Störungsbilder wurden bereits häufig auch als Tätigkeitsfelder von Sportpsychiater*innen und -psychotherapeut*innen wahrgenommen, lassen sich aber nicht in den beiden etablierten Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie (Gesundheits- und Leistungssport) abbilden und bedürfen daher der Einordnung in ein drittes Tätigkeitsfeld.
Doping und der Gebrauch leistungssteigernder Substanzen wird hauptsächlich im Leistungssport wahrgenommen, ist aber genauso auch im Breitensport von grosser Bedeutung. Die Lebenszeitprävalenz des Gebrauchs von anabolen Steroiden (anabol-androgene Steroide, AAS), die zu den bekanntesten IPED gehören, wird mit 6,4% (Männer) und 1,6% (Frauen) berichtet.3 Diese Prävalenzen sind aber kaum alleine auf den Gebrauch im Leistungssport zurückzuführen.
Körperbildstörungen, gestörtes Essverhalten und Essstörungen sowie Sport und Bewegung lassen sich oftmals nicht trennen. Hinzu kommen Störungsbilder wie die Muskeldysmorphie, die in diesem Zusammenhang ebenso Berücksichtigung finden müssen.4 Auf Essstörungen spezialisierte Institutionen, Fachärzt*innen und Psycholog*innen haben sich immer schon mit dem Bewegungs- und Sportverhalten ihrer Patient*innen beschäftigt und sind regelmässig auch mit Störungsbildern wie der Muskeldysmorphie und der Sportsucht ihrer Patient*innen konfrontiert. Eine zusätzliche sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Expertise könnte in der Behandlung dieser Patient*innen hilfreich sein und auch möglicherweise helfen, die Hürde zu mindern, früh eine qualifizierte Behandlung aufzusuchen.
«Image and performance enhancing drugs» (IPED)
Ein umfassender Übersichtsartikel zum Thema mit dem Titel «Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Image and Performance-Enhancing Drugs (IPEDs) im Freizeitsport» von Iff et al. und weiteren Mitgliedern der SGSPP wurde jüngst durch das Swiss Medical Forum zur Publikation angenommen.5
In dieser umfangreichen Übersicht, die auf die weit verbreitete Problematik des Gebrauchs form- und leistungssteigernder Substanzen im Freizeitsport eingeht, werden zunächst die Ausgangslage und dann die Problemfelder – Abhängigkeit und Substanzkonsumstörung, unerwünschte Wirkungen, Public-Health-Aspekte und Hindernisse für eine medizinische Behandlung – beschrieben. Mit den hieraus folgenden Ansatzpunkten, Therapieelementen und Empfehlungen werden dann mögliche Lösungen für den medizinischen Umgang mit der Problematik aufgezeigt. Diese Publikation soll Ausgangspunkt für eine Forschungsinitiative in dem Bereich werden und wir hoffen, schon bald hierüber weiter informieren zu können.
Das Wichtigste für die Praxis zum IPED-Gebrauch im Breitensport soll hier kurz wiedergegeben werden (nach Iff et al.5):
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Der IPED-Gebrauch ist im Fitnesssport und Bodybuilding weit verbreitet.
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Bis zu 30% der Besucher von Fitnessstudios gebrauchen IPED, etwa ein Drittel der Anwender*innen verwendet IPED regelmässig.
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Medizinische Fachpersonen werden von IPED-Anwender*innen aus Scham oder Angst vor Stigmatisierung häufig nicht aufgesucht.
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Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen und Spätfolgen des IPED-Gebrauchs sind beschrieben; sie sind häufig und müssen beachtet werden.
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Häufige und frühe unerwünschte Wirkungen des IPED-Gebrauchs sind: Akne, Bluthochdruck, Gynäkomastie, Libidoveränderungen, Oligo- oder Azoospermie und Lipidstoffwechselstörung.
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Zur Schadensminimierung sollte IPED- Anwender*innen ein niederschwelliger Zugang zur medizinischen Versorgung zur Verfügung stehen.
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Die Behandlung des IPED-Gebrauchs solle interdisziplinär erfolgen und folgende Spezialist*innen berücksichtigen (Auswahl): Suchtmediziner*innen, Internist*innen, Endokrinolog*innen, Sportärzt*innen sowie Sportpsychiater*innen und -psychotherapeut*innen.
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Anfragen von IPED-Anwender*innen sollten an eine Fachstelle weitergeleitet werden und die Behandlung sollte durch Spezialist*innen mit einer entsprechenden Expertise erfolgen.
Samuel Iff und Ingo Butzke (beide SGSPP-Mitglieder) gehen in ihrem Interview in dieser Ausgabe der LEADING OPINIONS Neurologie & Psychiatrie weiter auf den IPED-Gebrauch im Breitensport und die geplante Forschungsinitiative ein, dabei nehmen sie auch Bezug auf den Gebrauch leistungssteigernder Substanzen im Beruf (Neuro-Enhancement).
Ausblick
In den nächsten, den 4. SGSPP-Gesellschaftsnachrichten 2021 wird der Schwerpunkt auf den Gesundheitssport gelegt, als weiteres Tätigkeitsfeld von Sportpsychiater*innen und -psychotherapeut*innen.
Literatur:
1 Strohle A: Sports psychiatry: mental health and mental disorders in athletes and exercise treatment of mental disorders. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2019; 269(5): 485-498. doi: 10.1007/s00406-018-0891-5 2 Claussen MC: Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Fachdisziplin und Tätigkeitsfelder. Dtsch Z Sportmed 2021; in Druck 3 Sagoe D, Molde H, Andreassen CS, Torsheim T, Pallesen S: The global epidemiology of anabolic-androgenic steroid use: a meta-analysis and meta-regression analysis. Ann Epidemiol 2014; 24(5): 383-98. doi: 10.1016/j.annepidem.2014.01.009 4 Halioua R, Deutschmann M, Vetter S, Jäger M, Seifritz E, Claussen MC: Muskeldysmorphie. Swiss Med Forum 2019; 19(0910): 153-158. doi: https://doi.org/10.4414/smf.2019.08039 5 Iff S, Butzke I, Quednow BB, Gupta R, Imboden C, Claussen MC: Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Image and Performance-Enhancing Drugs (IPEDs) im Freizeitsport. Swiss Med Forum 2021; in Druck
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