© Getty Images/iStockphoto

Erster psychologischer Test zur „Gaming Disorder“

Spiel oder schon Gesundheitsrisiko?

<p class="article-intro">Kürzlich hat die Weltgesundheitsorganisation die Computerspielsucht als psychische Erkrankung anerkannt. Nun veröffentlichen Forschende den ersten psychologischen Test zur „Gaming Disorder“.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Seit einigen Wochen ist exzessives Computerspielen eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte psychische Erkrankung. Die Aufnahme der &bdquo;Gaming Disorder&ldquo; in den Krankheitskatalog der WHO und die damit einhergehende Definition bieten neue M&ouml;glichkeiten, gesundheitliche und psychosoziale Auswirkungen des exzessiven Computerspielens zu erforschen. Jetzt haben Forschende der Universit&auml;t Ulm den weltweit ersten psychologischen Test zur Untersuchung der Computerspielsucht entwickelt und anhand einer Stichprobe von mehr als 550 Studierenden aus Gro&szlig;britannien und China &uuml;berpr&uuml;ft. Parallel zu ihrer Ver&ouml;ffentlichung im Fachjournal &bdquo;International Journal of Mental Health and Addiction&ldquo; machen die Forschenden den &bdquo;Gaming Disorder Test&ldquo; im Internet auch in deutscher Sprache &ouml;ffentlich zug&auml;nglich. &Uuml;ber die Online-Plattform www.gaming-disorder. org erhalten Probanden nicht nur R&uuml;ckmeldung zu ihrem Videospielverhalten im Vergleich zu den &uuml;brigen Studienteilnehmenden: Mit ihrer Teilnahme k&ouml;nnen sie auch eine der bisher gr&ouml;&szlig;ten Untersuchungen zur Computerspielsucht nach WHODefinition unterst&uuml;tzen.</p> <h2>Computerspielsucht in ICD-11</h2> <p>Wer sein Gaming-Verhalten nicht mehr kontrollieren kann, dem Computerspiel Priorit&auml;t gegen&uuml;ber anderen Aktivit&auml;ten einr&auml;umt und an diesem Verhalten trotz negativer Konsequenzen nichts &auml;ndert, k&ouml;nnte gem&auml;&szlig; WHO-Definition unter Computerspielsucht leiden. Bereits vor einigen Monaten hat die Weltgesundheitsorganisation die sogenannte Gaming Disorder in die 11. Auflage ihres Krankheitskatalogs &bdquo;International Classification of Diseases&ldquo; (ICD-11) aufgenommen &ndash; nun wurde der Katalog auch offiziell erweitert. Laut WHO kann jedoch erst von Computerspielsucht ausgegangen werden, wenn Betroffene dieses Verhaltensmuster &uuml;ber mindestens 12 Monate zeigen und es zu schweren Beeintr&auml;chtigungen des Familienlebens, der Ausbildung oder etwa der Arbeitsleistung kommt.<br /> Bereits 2013 wurde das verwandte St&ouml;rungsbild &bdquo;Internet Gaming Disorder&ldquo; zumindest als Arbeitsbegriff in den Anhang des Diagnoseverzeichnises (&bdquo;Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders&ldquo; &ndash; DSM-5) der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft aufgenommen. Aufgrund abweichender diagnostischer Kriterien lassen sich Ergebnisse von bisherigen psychologischen Tests zur &bdquo;Internet Gaming Disorder&ldquo; jedoch nur bedingt auf die Computerspielsucht nach WHO-Kriterien &uuml;bertragen. Daher haben Forschende aus Ulm, K&ouml;ln, London sowie von chinesischen Universit&auml;ten und aus Australien das wohl weltweit erste psychometrische Instrument zur Untersuchung der &bdquo;Gaming Disorder&ldquo; nach den neuen WHO-Kriterien entwickelt.</p> <h2>Neuer Fragebogen erfasst Auswirkungen</h2> <p>Der nun vorgestellte Online-Fragebogen orientiert sich an den Kriterien der WHO und erfasst Gaming-Aktivit&auml;ten der vergangenen zw&ouml;lf Monate bis zum Tag der Erhebung auf einer Skala von eins bis f&uuml;nf (1 steht f&uuml;r die Selbsteinsch&auml;tzung &bdquo;nie&ldquo; und 5 bedeutet &bdquo;sehr oft&ldquo;). Ziel des psychometrischen Instruments ist weniger die Diagnose als die Erforschung von Auswirkungen des exzessiven Spielens. Studienteilnehmer erfahren lediglich, ob ihre Ergebnisse im Vergleich mit allen Probanden eine Tendenz zur &bdquo;Gaming Disorder&ldquo; aufweisen.<br /> Anhand einer Stichprobe aus mehr als 550 jungen Chinesen und Briten haben die Forschenden ihren neuen &bdquo;Gaming Disorder Test&ldquo; bereits &uuml;berpr&uuml;ft. &bdquo;Exzessives Videospielen ist schon heute ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko in asiatischen L&auml;ndern und ein aufkommendes Problem in Europa. Um gro&szlig;e, internationale Studien durchf&uuml;hren zu k&ouml;nnen, haben wir das neue Instrument kultur&uuml;bergreifend konzipiert und in China sowie Gro&szlig;britannien getestet&ldquo;, erl&auml;utert Christian Montag, Studienleiter und Leiter der Abteilung f&uuml;r Molekulare Psychologie an der Universit&auml;t Ulm.</p> <h2>Validierung in Bejing und London</h2> <p>Die Stichprobe umfasste 236 junge Chinesinnen und Chinesen, die an einer Universit&auml;t in Beijing studierten, sowie 324 britische Studierende aus dem Gro&szlig;raum London und aus den East Midlands. Das Durchschnittsalter betrug 23 Jahre. Ausschlusskriterium f&uuml;r die Teilnahme an der Online-Befragung war die Angabe, in den letzten zw&ouml;lf Monaten kein Videospiel gespielt zu haben. <br />Nach Abschluss der Erhebung haben die Forschenden mit komplexen statistischen Verfahren &uuml;berpr&uuml;ft, ob sich das Instrument zur Messung der Computerspielsucht eignet und ob es das Konstrukt zuverl&auml;ssig misst. <br />Zudem konnten sie erste R&uuml;ckschl&uuml;sse auf das Gaming-Verhalten der untersuchten chinesischen und britischen Studierenden ziehen. So unterschied sich das Vorkommen der Computerspielsucht nach WHO-Kriterien zwischen beiden nationalen Gruppen nicht signifikant. Im Mittel gaben die Studierenden an, 12 Stunden in der Woche zu spielen. Dabei verbringen sie fast die H&auml;lfte dieser Zeit (46 %) am Wochenende alleine vor dem Computer oder sonstigen mobilen Endger&auml;ten. Insgesamt 36 Teilnehmende (6,4 %) berichteten von gro&szlig;en Problemen im Alltag aufgrund ihres Spielverhaltens und k&ouml;nnten somit die Diagnosekriterien der WHO erf&uuml;llen. Nach diesem Testlauf ziehen die Forschenden eine positive Bilanz: &bdquo;Der Gaming Disorder Test scheint geeignet, um die H&auml;ufigkeit und, in Kombination mit anderen Frageb&ouml;gen, auch Effekte der Computerspielsucht in gro&szlig;en, kultur&uuml;bergreifenden Gruppen nach den vorgeschlagenen WHO-Kriterien festzustellen&ldquo;, so Montag. K&uuml;nftig m&uuml;sse der neue Fragebogen noch an Patientenstichproben validiert werden. <br />Aktuell plant die Forschergruppe die bislang gr&ouml;&szlig;te Untersuchung zur Computerspielsucht mit m&ouml;glichst Tausenden von Teilnehmern: F&uuml;r alle Interessierten steht der Gaming Disorder Test ab sofort in deutscher und englischer Sprache online zur Verf&uuml;gung (www.gaming-disorder.org, www.do-i-play-too-much-videogames.com). (red)</p> <p>Lesen sie auch: <a href="/fachthemen/1000002071">Expertenkommentar von Prim. Dr. Roland Mader und Mag. Michael Peter</a></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Medienmitteilung der Universität Ulm vom 4. Juni 2019 </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Pontes HM et al.: Measurement and conceptualization of Gaming Disorder according to the World Health Organization framework: The development of the Gaming Disorder Test. International Journal of Mental Health and Addiction. DOI: https://doi.org/10.1007/s11469-019-00088-z</p> </div> </p>
Back to top