Antidepressive Therapien

«Schneidern Sie einen Anzug, der perfekt sitzt!»

<p class="article-intro">Die Behandlung von Depressionen zählt nach wie vor zu den schwierigsten Aufgaben in der Psychiatrie. Ein Drittel der Patienten mit einer «major depression» erreicht auch nach dem vierten Behandlungsversuch keine Remission. «Die Kombination von multiplen Mechanismen – das ist Ihr Verbündeter!», lautete daher der Rat von Prof. Dr. med. Stephen M. Stahl, Department für Psychiatrie, Universität Kalifornien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Von den Patienten mit einer &laquo;major depression&raquo; ben&ouml;tigen 67 % bis zu 4 Behandlungsversuche mit Antidepressiva, bevor sie eine Remission erreichen. Die Remissionsrate jedes neuen Therapieversuches bei einer &laquo;major depression&raquo; nimmt mit der Anzahl der Behandlungen ab und ist daher begrenzt.<sup>1, 2</sup> Residuelle Symptome und die Anzahl vorangegangener depressiver Episoden wirken sich negativ auf das Outcome der Patienten aus.<sup>3</sup> &laquo;Es kommt nicht unbedingt darauf an, welcher Wirkstoff eingesetzt wird, sondern vor allem darauf, wann die Therapie einsetzt. Die Schaltkreise im Gehirn lernen, depressiv zu sein, man muss sie fr&uuml;h und intensiv therapieren&raquo;, so Prof. Stahl. Innovationen seien in der Psychiatrie langsam. Man m&uuml;sse lernen, mit dem, was zur Verf&uuml;gung stehe, optimal zu arbeiten, beispielsweise durch die Kombination von Wirkstoffen. Dies sei eine wichtige Option zur Verbesserung der Outcomes der Patienten.</p> <h2>Fokus serotonerge Wirkmechanismen</h2> <p>Die der Depression zugrunde liegende verminderte Aktivit&auml;t jener Nervenzellen, die Serotonin-, Noradrenalin- und Dopamin- Signale verarbeiten, kann durch SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmer) kompensiert werden. Wenn auch SSRI im Allgemeinen besser vertr&auml;glich sind als trizyklische Antidepressiva, so f&uuml;hren Nebenwirkungen wie eine vermehrte Gewichtszunahme und sexuelle Dysfunktion oft zu einer starken Beeintr&auml;chtigung. Dar&uuml;ber hinaus ist die Remissionsrate bei SSRI relativ gering.<br /> &laquo;Die Kombination von verschiedenen Wirkstoffen mit serotonergen Wirkmechanismen kann Patienten helfen, eine Remission zu erzielen, und gleichzeitig Nebenwirkungen reduzieren&raquo;, erkl&auml;rte Prof. Stahl. Es sei also wichtig, Patienten mit Depression, welche Kandidaten f&uuml;r eine Therapieanpassung sind, zu identifizieren und eine Therapieumstellung und/oder Augmentation basierend auf Art und Schweregrad der Symptome sowie Art und Schweregrad von Nebenwirkungen vorzunehmen.</p> <h2>Symptome und Schaltkreise abgleichen</h2> <p>&laquo;Wir behandeln die Patienten anhand von Leitlinien und nicht, indem wir ihnen zuh&ouml;ren &ndash; das ist ein Problem! Was es wirklich braucht, ist eine massgeschneiderte Medikation f&uuml;r jeden Patienten. Jedes Symptomprofil muss individuell behandelt werden.&raquo; Prof. Stahl empfahl, die einzelnen Komponenten eines solchen Symptomprofils in depressives Symptom und Nebenwirkung der antidepressiven Therapie zu kategorisieren und die tats&auml;chlichen Symptome zugrunde liegenden Gehirnschaltkreisen zuzuordnen. Die Neurotransmitter in diesen Schaltkreisen k&ouml;nnen dann gezielt moduliert und die Symptome behandelt werden. Multiple Symptome sprechen dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit f&uuml;r mehrere involvierte Schaltkreise bzw. Transmittersysteme.</p> <h2>Funktionen postsynaptischer Serotonin-Rezeptoren</h2> <p>14 verschiedene humane 5HT-Rezeptoren sind derzeit bekannt. In der Depressionsbehandlung massgebend ist die Wirkung von Serotonin &uuml;ber die Rezeptoren 5HT<sub>1A</sub>, 5HT<sub>2A</sub> und 5HT<sub>2C</sub>. Je nach Symptomprofil ist es wichtig, 5HT<sub>1A</sub> zus&auml;tzlich zu stimulieren bzw. 5HT2A oder 5HT<sub>2C</sub> zu blockieren. Demnach eignet sich die Augmentation einer SSRI-Therapie mit 5HT<sub>1A</sub>-Agonisten (Buspiron, Aripiprazol, Quetiapin, Vortioxetin) f&uuml;r Patienten, die auf die Monotherapie nur partiell ansprechen, unter sexuellen Dysfunktionen oder Angst leiden und sich durch eine gewisse Resistenz gegen&uuml;ber &Uuml;belkeit und Schwindel sowie mentaler &laquo;Benommenheit &raquo; auszeichnen. M&ouml;gliche &laquo;Off- Target&raquo;-Rezeptorwirkungen von Antipsychotika sollten auch toleriert werden k&ouml;nnen. Das klinische Profil f&uuml;r die Augmentation mit einem 5HT<sub>2A</sub>-Antagonisten (Trazodon, die meisten atypischen Antipsychotika, Mirtazapin) umfasst die Linderung von sexueller Dysfunktion, Angst und Agitation, die Vermeidung von Gewichtszunahme und Insomnie, sofern Patienten sedierende Nebenwirkungen und Gewichtszunahmen (unter Mirtazapin und Antipsychotika) tolerieren k&ouml;nnen. Die zus&auml;tzliche Therapie mit einem 5HT<sub>2C</sub>-Antagonisten (Trazodon, manche atypischen Antipsychotika, Agomelatin, Mirtazapin) macht Sinn, wenn neben einem partiellen Ansprechen ein verminderter positiver Affekt (Apathie, Anhedonie, Interessenverlust, verminderte Aufmerksamkeit und vermindertes Selbstwertgef&uuml;hl etc.) vorliegt oder auf eine Aktivierung der Dopamin- und Noradrenalin- Aussch&uuml;ttung abgezielt wird.</p> <h2>Mit multifunktionellen Wirkstoffen mehrere Rezeptoren bedienen</h2> <p>Der Serotonin-Antagonist und Wiederaufnahme- Hemmer (SARI) Trazodon ist eine interessante Option in der Augmentationstherapie. Er wirkt multimodal an serotonergen Synapsen und beeinflusst sowohl Serotonin-Transporter als auch 5HT<sub>2A</sub>- und 5HT<sub>2C</sub>-Rezeptoren. Eine Augmentation der antidepressiven Wirkung mit SARI kann so nicht nur die Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmung durch SSRI/ SNRI unterst&uuml;tzen, sondern &uuml;ber eine 5HT<sub>2A</sub>- und 5HT<sub>2C</sub>-Hemmung Serotoninbedingte Nebenwirkungen wie Insomnie, Angst und Agitiertheit vermindern.<br /> Zu beachten ist dabei allerdings die Dosierung. &laquo;Nur wenn 80 % der Rezeptoren blockiert sind, werden Sie auch die volle Wirkung erhalten&raquo;, warnte Prof. Stahl. &laquo;Wenn Sie Trazodon mit nur 50mg einsetzen, wirkt es wie ein Sedativum. Die Serotonin- Wiederaufnahme-hemmende Wirkung liegt bei 150 bis 600mg.&raquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Neuro_1706_Weblinks_s29_abb.jpg" alt="" width="686" height="1027" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGPP Jahreskongress, 13.–15. September 2017, Bern </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Rush AJ et al.: Am J Psychiatry 2006; 163: 1905-17 <strong>2</strong> Stahl SM: Stahl&rsquo;s Essential Psychopharmacology. 3rd Edition. Cambridge: Cambridge University Press 2008 <strong>3</strong> Judd LL et al.: J Affect Disord 1998; 50: 97-108</p> </div> </p>
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