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Frauengesundheit

Risikofaktoren für die psychische Gesundheit von Frauen

Frauen sind häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als Männer. Einige bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen betreffen Frauen stärker und könnten durch gezielte Präventionsmassnahmen adressiert werden.

Keypoints

  • Psychische Erkrankungen treten bei Frauen häufiger auf.

  • Traumata, Gewalterfahrungen, körperliche Erkrankungen, Alter, Benachteiligung am Arbeitsplatz und beim Verdienst, Pflege von Angehörigen und weniger Freizeitaktivitäten sind Risikofaktoren, die Frauen stärker treffen als Männer.

  • Präventionsmassnahmen können die Gesundheit von Frauen spezifisch adressieren.

Im Schweizer Bevölkerungsobservatorium fühlt sich etwa ein Viertel der Bevölkerung immer wieder depressiv.1,2 Die häufigsten psychischen Erkrankungen, also Depressionen und Angsterkrankungen, treten bei Frauen doppelt so häufig auf wie bei Männern.3 Frauen weisen ein etwas anderes Risikoprofil auf als Männer und schneiden bei einigen gesunderhaltenden Faktoren schlechter ab.

Spezifische Risikofaktoren für die psychische Gesundheit bei Frauen

Gewalt

Traumata und erlebte Gewalt sind die relevantesten Risikofaktoren für Depressionen.2,4 Frauen sind viermal häufiger dem Erleben von Gewalt ausgesetzt als Männer,5und je mehr Gewalt erlebt wurde, desto stärker steigt das Risiko für Depressionen und andere psychische Erkrankungen.6

Körperliche Gesundheit

In der Schweiz geben Frauen häufiger an, unter körperlichen Beschwerden zu leiden, diese wiederum erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen, bei welchen sich wiederum metabolische, kardiovaskuläre, hormonelle und immunologische Faktoren verändern.7 Häufig lösen Schlafstörungen psychische Erkrankungen aus.8 Frauen schlafen schlechter als Männer.9 Dies kann hormonelle Ursachen, aber auch evolutionäre Gründe haben – oder daran liegen, dass der Partner schnarcht.2 Auch Schmerzen sind ein wichtiger Risikofaktor für das Auftreten von Depressionen. Von Schmerzen sind ebenfalls Frauen deutlich häufiger betroffen.10 Ein weiterer Risikofaktor für Depressionen ist ein höheres Alter. Aufgrund der höheren Lebenserwartung sind hiervonFrauen ebenfalls stärker betroffen.

Soziale Faktoren

Soziale Isolation ist bei Frauen ausgeprägter und ihr Einfluss auf Depressionen ist bei Frauen relevanter.11,12 Der Effekt, dass eine Ehe zu einer besseren psychischen Gesundheit führt, besteht bei Frauen nicht im gleichen Ausmass wie bei Männern.13 Frauen sind stärker involviert, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht, was wiederum mit einem erhöhten Depressionsrisiko verbunden ist.2,14 Die Geburt eines Kindes stellt einen Risikofaktor für die psychische Gesundheit dar, i.e. postpartale Depressionen, Psychosen, Effekte der Alleinerziehung, Schlafstörungen etc. treten häufiger auf.2 Mehr Frauen als Männer leben in Städten15 – die psychische Gesundheit der Bevölkerung in Städten ist allgemein schlechter.16

Arbeit

Bei Frauen ist das Einkommen im Schnitt niedriger, der Gap zu den Einkommen von Männern beträgt im europaweiten Durchschnitt etwa 15%.17 Ein niedrigeres Einkommen ist allgemein mit einer schlechteren psychischen Gesundheit assoziiert.18 Arbeitslosigkeit ist ein starker Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Erkrankungen. Frauen sind hiervon nicht stärker betroffen als Männer, die Zahl der Langzeiterwerbslosen ist bei Frauen jedoch höher.19 Bei arbeitsplatzassoziierten Risiken schneiden Frauen ungünstiger ab, sie werden nicht nur schlechter bezahlt, sondern auch seltener befördert, schneller entlassen, erhalten weniger Anerkennung und stufen sich selbst schlechter ein.20,21 Frauen werden in Führungsgesprächen als leistungsfähiger eingeschätzt, werden aber gleichzeitig seltener befördert.20 Mit der Geburt eines Kindes zeigt sich bei Frauen ein «Mutterschaftseffekt» der Arbeitszeitreduktion, während bei Männern ein „Vaterschaftseffekt“ der Arbeitszeitausweitung festzustellen ist. Dieser Effekt wird auch als der der «male breadwinners» bezeichnet.22

Freizeitaktivitäten

Frauen verbringen europaweit weniger Zeit mit Hobbys als Männer23 – diese wiederum stellen einen Schutz vor psychischen Erkrankungen dar.24 Sport wird von Männern häufiger praktiziert als von Frauen; er ist nicht nur prophylaktisch, sondern auch therapeutisch bei den meisten psychischen Erkrankungen bedeutsam.25

Umgang mit Stress

Frauen weisen ein anderes Stressverhalten auf, sie versuchen sich eher zu arrangieren und sich mit den Umständen anzufreunden, während Männer höhere Stresshormonkonzentrationen aufweisen und eher zu Kampf- oder Fluchtverhalten neigen.26 Frauen grübeln häufiger als Männer, was einen Risikofaktor für Depressionen darstellt.27 Selbst wenn Menschen an neutrale oder angenehme Dinge denken, während sie eine andere Aktivität ausführen, sind sie unglücklicher, als wenn sie sich ganz der Aktivität des Moments widmen.2,28

Chancen für die Prävention

Mit welchen Massnahmen könnte man diesen Risikofaktoren entgegentreten?

  • Stärkere Ahndung sexistischer Äusserungen, Benachteiligungen und Mobbing am Arbeitsplatz

  • Stärkung von Massnahmen gegen häusliche Gewalt

  • Bessere und gendersensible Diagnose und Behandlung von körperlichen Erkrankungen und Schlafstörungen, was auch die Prognose bei psychischen Erkrankungen verbessern würde.29,30

  • Sensibilisierung gegenüber weiblichen Kandidatinnen bei Bewerbungen und Beförderungen: Ermutigung von Frauen, sich zu bewerben, aktive Nachfrage bei Frauen

  • Massnahmen dafür, dass Frauen im Beruf selbstbewusster agieren können und aktiver ihre Karriere vorantreiben

  • Förderung von Freundschaften und Netzwerken von Frauen

  • Verbesserung des Zugangs zur Natur in Städten (Begrünungen).

  • Gezielte Stärkung des Selbstbewusstseins von Mädchen

  • Bessere Unterstützung bei der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen und einfachere Finanzierung in diesen Bereichen

  • Stärkung von Sportangeboten spezifisch für Frauen und Ermöglichen von sicheren Räumen für Hobbys

1 Schuler D et al.: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan). Psychische Gesundheit Obsan Bulletin 2022 2 Lang-UE, Brühl-AB: Frauen in psychischen Krisen helfen: Besonderheiten und Empfehlungen für Therapie und Begleitung. Stuttgart: Kohlhammer 2024; 3 Platt JM et al.: Is the US gender gap in depression changing over time? A meta-regression. Am J Epidemiol 2021; 190(7): 1190-206 4 Turgumbayev M et al.: An examination of associations between sexual assault and health problems, depression or suicidal ideation in a large nationally representative cohort of male and female 20-30-year-olds. Crim Behav Ment Health 2023; 33(3): 196-212 5 Bundeskriminalamt. Partnerschaftsgewalt: Kriminalstatistische Auswertung. Bericht Wiesbaden 2022 6 Ramsoomar L et al.: Pooled analysis of the association between mental health and violence against women: evidence from five settings in the Global South. BMJ Open 2023; 13(3): e063730 7 Arnaud AM et al.: Impact of major depressive disorder on comorbidities: a systematic literature review. J Clin Psychiatry 2022; 83(6): 21r14328 8 Sutton EL: Psychiatric disorders and sleep issues. Med Clin North Am 2014; 98(5): 1123-43 9 Boccabella A, Malouf J: How do sleep-related health problems affect functional status according to sex? J Clin Sleep Med 2017; 13(6): 685-92 10 Waardenburg S et al.: Do men and women have a different association between fear-avoidance and pain intensity in chronic pain? An experience sampling method cohort-study. J Clin Med 2022; 11(19): 5515 11 Reinwarth AC et al.: Screening for loneliness in representative population samples: Validation of a single-item measure. PLoS One 2023; 18(3): e0279701 12 Weiss M et al.: Differential network interactions between psychosocial factors, mental health, and health-related quality of life in women and men. Sci Rep 2023; 13(1): 11642 13 Schneider B et al.: Relationship status and health: Does the use of different relationship indicators matter? Glob Public Health 2014; 9(5): 528-37 14 Schramm E, Berger M: Interpersonal psychotherapy for work-related stress depressive disorders. Nervenarzt 2013; 84(7): 813-22 15 Keller S: Verteilung der Bevölkerung in den größten Städten in Deutschland nach Geschlecht 2021. Statista 2023 16 Tost H et al.: Neural correlates of individual differences in affective benefit of real-life urban green space exposure. Nat Neurosci 2019; 22(9): 1389-93 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Gender Pension Gap, Berlin 2011; 18 Zare H et al.: How income and income inequality drive depressive symptoms in U.S. adults, does sex matter: 2005-2016. Int J Environ Res Public Health 2022; 19(10): 6227 19 Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung (Hrsg.): Der Arbeitsmarkt in Deutschland – Frauen und Männer am Arbeitsmarkt 2015. Nürnberg, 2016 20 Benson A: «Potential» and the gender promotion gap 2022; 21 Kalev A et al.: How you downsize is who you downsize: biased formalization, accountability, and managerial diversity. American Sociological Review2014; 79(1): 109-35 22 Schmidt E et al.: Frauen in der Arbeitswelt. Erwerbsarbeitszeitmodelle und deren Potenzial für Frauenförderung und Geschlechtergleichstellung. Forschungsbericht 2020 23 Aliaga C: Wie verbringen Frauen und Männer in Europa ihre Zeit? Statistik kurz gefasst: Bevölkerung und soziale Bedingungen 4: 1-11, Eurostat 2006 24 Cocozza S et al.: Participation to leisure activities and well-being in a group of residents of Naples - Italy: the role of resilience. Int J Environ Res Public Health 2022; 17(6): 1895 25 Cabanas-Sánchez V et al.: Physical activity and risk of depression: does the type and number of activities matter? Lancet 2022; 400: 27 26 Chung KC et al.: The influence of androstatienone during psychosocial stress is modulated by gender, trait anxiety and subjective stress: An fMRI Study. Psychoneuroendocrinology 2016; 68: 126-39 27 Wang Y et al.: Does mind wandering mediate the association between mindfulness and negative mood? A preliminary study. Psychol Rep 2017; 120(1): 118-29 28 Killingsworth MA, Gilbert DT: A wandering mind is an unhappy mind. Science 2011; 330(6006): 932 29 Frank P et al.: Association between depression and physical conditions requiring hospitalization. JAMA Psychiatry 2023; 80(7): 690-9 30 Muhammad T et al.: Treatment for insomnia symptoms is associated with reduced depression among older adults: a propensity score matching approach. Clin Gerontol 2024; 47(3): 436-51

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