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Nicht (mehr) rauchen – Lebensjahre dazugewinnen

<p class="article-intro">Die große Gruppe der Tabakkonsumenten lässt sich durch Tabakkontrollmaßnahmen (Medienkampagnen, Werbeverbote, rauchfreier Arbeitsplatz) erreichen und auch beeinflussen. Andere brauchen eine ambulante Behandlung (Diagnose, psychologische Unterstützung, medikamentöse Therapie). Stark Nikotinabhängigen kann eine stationäre Therapie (Gruppen- und Einzelintervention, Alternativverhaltensweisen, Rückfallprophylaxe) helfen, die Sucht zu beenden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine der effizientesten Ma&szlig;nahmen, etwas f&uuml;r seine Gesundheit zu tun und sein Leben zu verl&auml;ngern, ist, das Rauchen aufzugeben bzw. gar nicht anzufangen. Von der WHO wurde daher 2003 auch zur &bdquo;Framework Convention on Tobacco Control&ldquo; aufgerufen, die von &uuml;ber 180 Staaten in der ganzen Welt unterzeichnet wurde. Deren Umsetzung beinhaltet die Einschr&auml;nkung des Zugriffs f&uuml;r Jugendliche, Schul- und Ausbildungsprogramme, Medienkampagnen, Werbebeschr&auml;nkungen, Warnhinweise, &bdquo;rauchfreie Umwelt&ldquo;, Steuern bzw. Preisgestaltung sowie Telefon-Hotlines. &bdquo;Aber auch die Behandlung der Tabakabh&auml;ngigkeit wird als wichtiger Punkt aufgez&auml;hlt &ndash; etwas, was in fr&uuml;heren Zeiten &uuml;berhaupt nicht wahrgenommen wurde&ldquo;, so Univ.-Prof. Dr. Rudolf Schoberberger, Institut f&uuml;r Sozialmedizin, Zentrum f&uuml;r Public Health, Medizinische Universit&auml;t Wien. <br />Nikotin ist zwar relativ gesehen eine &bdquo;harmlose&ldquo; Droge, dennoch beeinflusst sie als eine s&uuml;chtig machende Substanz unseren &bdquo;pleasure highway&ldquo;. Es bindet an Nikotinrezeptoren im Gehirn und erleichtert die Freisetzung der Neurotransmitter Dopamin, Norepinephrin, Acetylcholin, Serotonin und Beta-Endorphin. Damit beeinflusst es die Stimmungslage und produziert Genussempfinden, kann Erregung hervorrufen und sogar von &Auml;ngsten befreien. Es f&ouml;rdert die Leistungsf&auml;higkeit, steigert die Aufmerksamkeit, erh&ouml;ht die Leistung bei sich wiederholenden Aufgaben, verringert das Hungergef&uuml;hl, beschleunigt den Stoffwechsel und f&uuml;hrt zu Gewichtsreduktion.<sup>1</sup> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Neuro_1605_Weblinks_seite40.jpg" alt="" width="1232" height="804" /></p> <h2>Verlorene Lebensjahre</h2> <p>Stirbt jemand im mittleren Lebensalter (35 bis 59 Jahre) und hat bis zu seinem Tod geraucht, so hat er im Vergleich zu jemandem, der nie geraucht hat, im Schnitt 22 Lebensjahre verloren. Wird ein Raucher 70 Jahre oder &auml;lter, dann verliert er bis zum Tod im Vergleich zum Nichtraucher immer noch acht Lebensjahre.<sup>2</sup> &bdquo;Auf alle Altersgruppen bezogen kommt man auf einen durchschnittlichen Verlust von 14 Lebensjahren bei jenen, die bis zu ihrem Tod geraucht haben&ldquo;, so Schoberberger. Davon ausgenommen ist die gro&szlig;e Mehrheit der Raucher, die in der Zwischenzeit auch wieder aufgeh&ouml;rt haben. <br />Um einen Standard f&uuml;r die Diagnostik der Raucher zu erstellen, wurde f&uuml;r &Ouml;sterreich das &bdquo;Wiener Standard Raucher-Inventar&ldquo; (WSR) eingef&uuml;hrt, in dem zur Klassifizierung viele diagnostische Aspekte ber&uuml;cksichtigt wurden. Darunter ist etwa das &bdquo;Nikotin-Pr&auml;-Abstinenz-Syndrom&ldquo; (NPAS), das die pers&ouml;nliche Einstellung zum Rauchen abbildet. Die beiden anderen wichtigen Faktoren sind die Nikotinabh&auml;ngigkeit und nat&uuml;rlich das Rauchverhalten selbst.</p> <h2>Nikotinsucht</h2> <p>Ein wichtiger Indikator f&uuml;r den Grad der Abh&auml;ngigkeit ist das NSDNC (&bdquo;nocturnal sleep-disturbing nicotine craving&ldquo;). Von diesem Rauchverlangen sind in erster Linie die stark Nikotinabh&auml;ngigen betroffen. Sie k&ouml;nnen nicht mehr durchschlafen, wachen mit einem starken Verlangen (&bdquo;craving&ldquo;) auf und k&ouml;nnen erst wieder weiterschlafen, nachdem sie geraucht haben. Dieses Verlangen geht oft mit &bdquo;carbohydrate craving&ldquo; (Kohlenhydratsucht) einher. Dieses &auml;u&szlig;ert sich durch immer wieder auftauchende Hei&szlig;hungerattacken, vor allem auf Kohlenhydrate und S&uuml;&szlig;igkeiten. Da dieses Verlangen durch das Nikotin teilweise kompensiert wird, &bdquo;explodiert&ldquo; oft das K&ouml;rpergewicht nach Beendigung des Rauchens. <br />Die Kohlenmonoxidmessung mittels &bdquo;Smokerlyzer&ldquo;, die gleichzeitig den Grad der Sauerstoffunterversorgung misst, l&auml;sst gewisse R&uuml;ckschl&uuml;sse auf eine Nikotinabh&auml;ngigkeit zu. Allerdings k&ouml;nnen hier auch nicht nikotinabh&auml;ngige Raucher hohe Werte erreichen, wenn sie, psychosozial motiviert, h&auml;ufig rauchen. Weitere Aspekte sind Abstinenzsyndrome und das Rauchverhalten selbst. Beim Rauchverhalten unterscheiden sich episodische Raucher von den Spiegelrauchern. Der Spiegelraucher raucht regelm&auml;&szlig;ig vom Aufstehen bis zum Zu-Bett-Gehen seine Zigaretten. Der &bdquo;Spitzenraucher&ldquo; hat Phasen, in denen er kein oder ein geringes Rauchverlangen hat, aber in anderen Situationen vielleicht sogar exzessiv raucht. Daneben gibt es auch den Mischtyp. Das unterschiedliche Rauchverhalten korreliert naturgem&auml;&szlig; auch mit dem Grad der Nikotinabh&auml;ngigkeit.</p> <h2>Sonderkur zur Rauchentw&ouml;hnung</h2> <p>Bei stark nikotinabh&auml;ngigen Rauchern besteht h&auml;ufig die Angst vor bleibenden Nachteilen. Sie glauben, dass das Verlangen unwiderstehlich bleiben wird und aus diesem Kampf eine Reizbarkeit und erh&ouml;hte &Auml;ngstlichkeit mit negativen Auswirkungen auf ihre Umwelt resultieren. Oft k&ouml;nnen sie mit den durch Psychoedukation vermittelten positiven Aspekten (gesundheitliche Verbesserung, Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden etc.) wenig anfangen. Auch psychische Barrieren k&ouml;nnen einer Abstinenz im Wege stehen: Angst, Depression, Unruhe, Einschlaf- oder Durchschlafst&ouml;rung, Stress, Langeweile, Verdauungsst&ouml;rungen, Gewichtszunahme. <br />Eine Langzeitbeobachtungsstudie (40 Jahre) aus England zeigte: 70&ndash;80 % der Raucher sind nikotinabh&auml;ngig, 50 % davon entwickeln tabakassoziierte Krankheiten mit dem Risiko eines vorzeitigen Todes.<sup>3</sup> Fast 40 % der Raucher, die an einer Ver&auml;nderung ihres Rauchverhaltens interessiert sind, denken mindestens einmal in der Woche daran, das Rauchen aufzugeben. Etwa ein Drittel der erfolgreichen &bdquo;Reduzierer&ldquo; h&ouml;rt ganz zu rauchen auf, auch wenn sie urspr&uuml;nglich gar nicht aufh&ouml;ren wollten.<sup>4</sup> <br />&bdquo;Heute besteht im Unterschied zu fr&uuml;her die M&ouml;glichkeit, mittels Dauernikotin&shy;ersatztherapie eine Reduktion aufrechtzuerhalten, was nachweisbar eine Verringerung des Risikos mit sich bringt&ldquo;, so Schoberberger. Um auch starken Rauchern die Chance zu geben, ihre Sucht loszuwerden, wird in &Ouml;sterreich seit 2002 eine 3-w&ouml;chige station&auml;re Rauchertherapie als &bdquo;Sonderkuraufenthalt&ldquo; zur Raucherentw&ouml;hnung im Linzerheim Bad Schallerbach (Ober&ouml;sterreich) und bereits seit 1997 im Josefhof Graz (Steiermark) angeboten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Benowitz NL: N Engl J Med 1988; 319: 1318-30 <strong>2</strong> Statistik: &bdquo;Mortality from Smoking&ldquo;, European Union (15 countries): Relative importance of death in middle age (35-69). 2000; www.ctsu.ox.ac.uk <strong>3</strong> Doll R et al: BMJ 1994; 309(6959): 901-11 <strong>4</strong> Lesch OM et al: Neuropsychobiology 2004; 50: 78-88</p> </div> </p>
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