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Neurobiologie und daraus folgende pharmakologische Behandlung der Schizophrenie

<p class="article-intro">Die Schizophrenie ist eine schwerwiegende Krankheit mit schweren sozialen und körperlichen Folgen. Bis zu 80 % der Betroffenen sind arbeitslos. Die Lebenserwartung ist um 10–25 Jahre reduziert.<sup>1</sup> Die persönlichen, aber auch die wirtschaftlichen Kosten sind enorm, weil die Krankheit im jungen Erwachsenenalter beginnt und viele Erkrankte eine Rente und Pflege benötigen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Dopaminhypothese geht davon aus, dass ein &uuml;beraktives Dopaminsystem der Schizophrenie-Krankheit zugrunde liegt.</li> <li>Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass auch eine St&ouml;rung des Glutamatsystems eine zentrale und urs&auml;chliche Rolle bei der Entwicklung der Schizophrenie spielt. Substanzen, die auf das Glutamatsystem wirken, haben daher ein grosses therapeutisches und pr&auml;ventives Potenzial.</li> <li>Vermutlich braucht es jedoch Biomarker, welche das Ansprechen auf diese Substanzen voraussagen, und einen Therapiebeginn w&auml;hrend des Prodroms oder in fr&uuml;hen Krankheitsstadien, um deren Wirksamkeit konsistent nachzuweisen.</li> <li>Der Fortschritt bei der Entschl&uuml;sselung der Neurobiologie und Genetik der Schizophrenie ist erfreulich gross. Er inspiriert die Entdeckung von Biomarkern und stellt vielversprechende Angriffspunkte f&uuml;r die pharmakologische Forschung zur Verf&uuml;gung.</li> </ul> </div> <p>Die Entdeckung antipsychotischer Medikamente hat zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualit&auml;t der Betroffenen und ihres sozialen Umfeldes gef&uuml;hrt.</p> <h2>Dopaminhypothese</h2> <p>Die pharmakologischen Untersuchungen des Wirkmechanismus der ersten Antipsychotika, die zuf&auml;llig entdeckt wurden, f&uuml;hrten zur Einsicht, dass der Botenstoff Dopamin eine zentrale Rolle bei der Schizophrenie spielt. Es wurde erkannt, dass Chlorpromazin und Haloperidol den Domain-D2-Rezeptor blockieren. Sp&auml;tere Studien best&auml;tigten, dass dieser Mechanismus f&uuml;r die Wirkung fast aller Antipsychotika zentral ist.<sup>2</sup> Dies f&uuml;hrte zur urspr&uuml;nglichen Dopaminhypothese, die besagte, dass der Schizophrenie eine Dopamin&uuml;berfunktion zugrunde liegt. Dass die chronische Einnahme von Amphetaminen, welche die Dopaminaussch&uuml;ttung f&ouml;rdern, zu einer Psychose f&uuml;hren kann, best&auml;tigte diese Ansicht. Molekulare Studien zeigten die Mechanismen dieser Neurotransmitterst&ouml;rung auf: Die Dopaminsynthese, die Dopamin-D2-Rezeptor- Dichte und die Dopaminaussch&uuml;ttung sind bei vielen Patienten erh&ouml;ht. Schon bald wurde aber Kritik an dieser einfachen Hypothese bekannt, unter anderem wegen der Entdeckung, dass kognitive Defizite wie St&ouml;rungen des Arbeitsged&auml;chtnisses und Negativsymptome wie Apathie, Interessenverlust, Emotionslosigkeit und Spracharmut mit einer Dopaminunterfunktion einhergehen. Die erweiterte Dopaminhypothese besagt,<sup>3</sup> dass Schizophrenie einer komplexen Dopamindysregulation entspricht, die aus mindestens den folgenden Elementen besteht: einer &Uuml;berfunktion des mesolimbischen Dopaminsystems, die Wahn und Halluzinationen f&ouml;rdert, und einer Unterfunktion des pr&auml;frontalen Dopaminsystems, die kognitive und negative Symptome zur Folge hat. Aktuell besteht die verbreitete Ansicht, dass diese Dopamindysregulation nur einen kleinen Teil der Pathophysiologie psychotischer Krankheiten ausmacht. Die relativ lange Wirklatenz von Antipsychotika weist auf einen eher indirekten und komplexen Zusammenhang zwischen Dopamin und schizophrenen Symptomen hin. Dopamin ist mit vielen anderen Neurotransmittersystemen verkn&uuml;pft, insbesondere mit den GABA-, Glutamat- und Serotoninsystemen.</p> <h2>Serotoninhypothese</h2> <p>Die Entdeckung, dass Clozapin, das vorwiegend am Serotoninsystem wirkt, bei therapierefrakt&auml;ren Schizophrenien wirksam ist, hat zur Serotoninhypothese der Schizophrenie massgebend beigetragen. Die Forschung zu LSD und anderen Halluzinogenen best&auml;tigte, dass eine Stimulation von Serotoninrezeptoren kognitive Dysfunktionen, sensorische St&ouml;rungen und enthemmtes Verhalten verursachen kann. Auch bei Negativsymptomen wurde eine &uuml;berm&auml;ssige Serotoninneurotransmission gefunden. Die Entwicklung atypischer Antipsychotika basiert auf dieser Hypothese.<sup>4</sup> Die Substanzen dieser Klasse wirken am 5-HT<sub>1A</sub>-Rezeptor, sind 5-HT<sub>2A</sub>-Antagonisten (fast alle Halluzinogene sind potente 5-HT<sub>2A</sub>-Agonisten) und Antagonisten an den 5-HT<sub>6</sub>- und 5-HT<sub>7</sub>-Rezeptoren. Antipsychotika wie Clozapin und Aripiprazol, die partielle Agonisten am 5-HT<sub>1A</sub>-Rezeptor sind, haben das Potenzial, die Neurogenese im Hippocampus und die Dopaminaussch&uuml;ttung im pr&auml;frontalen Kortex zu stimulieren.</p> <h2>Glutamathypothese</h2> <p>Phencyclidin (PCP) erzeugt viele Schizophrenie- &auml;hnliche Symptome: Wahrnehmungsst&ouml;rungen, Sprach- und Koordinationsst&ouml;rungen, St&ouml;rungen der Motorik, Halluzinationen und Aggressivit&auml;t. PCP ist ein Antagonist am glutamatergen N-Methyl- D-Aspartat(NMDA)-Rezeptor. Ketamin, das ebenfalls dissoziative und Psychose- &auml;hnliche Symptome verursachen kann, ist ebenfalls ein NMDA-Rezeptor- Antagonist.<sup>5</sup> Die rasche Wirkung dieser Substanzen spricht f&uuml;r einen relativ direkten Zusammenhang zwischen dem NMDA-Rezeptor und schizophrenen Symptomen. Zentral f&uuml;r die Glutamathypothese ist eine Vielzahl genetischer Studien, die konsistent zeigen, dass dieser Rezeptor und Proteine, die mit ihm assoziiert sind, urs&auml;chlich an der Pathogenese der Schizophrenie beteiligt sind (genetische Best&auml;tigungen der Dopamin- und Serotoninhypothesen sind deutlich schw&auml;cher). Zudem hat der NMDA-Rezeptor eine entscheidende Funktion bei der Neuroplastizitit&auml;t, die bei Psychosen gest&ouml;rt ist. Die &uuml;berzeugende Evidenz f&uuml;r die Glutamathypothese hat dazu gef&uuml;hrt, dass die pharmazeutische Industrie viel Geld investiert, um neue Antipsychotika zu entwickeln, die am Glutamatsystem wirken. Dazu geh&ouml;ren Glycin-Wiederaufnahme- Hemmer und die Gabe hoher Dosen von D-Serin (Glycin und Serin sind Substrate am komplexen NMDA-Rezeptor). Es gibt erste Hinweise darauf, dass diese Pharmakotherapien Negativsymptome reduzieren k&ouml;nnen. Die Befunde sind bisher jedoch noch wenig konsistent und m&uuml;ssen in Folgestudien best&auml;tigt werden. Das atypische Antipsychotikum Lurasidon, das auch bei der bipolaren St&ouml;rung eine gute Wirksamkeit zeigt, vermag die Wirkung einer experimentellen NMDA- Rezeptor-Blockade aufzuheben.<sup>6</sup> Im Rahmen der Glutamathypothese werden auch metabotrope Glutamatrezeptoren (mGluR) beforscht, die strukturell und funktionell mit dem NMDA-Rezeptor in Verbindung stehen.<sup>7</sup> mGLuR2/3-Antagonisten und mGluR5-Agonisten scheinen besonders vielversprechend zu sein. In einer Serie von Studien untersuchte meine Forschungsabteilung den mGluR5 mittels Positronenemissionstomografie bei verschiedenen psychiatrischen Krankheiten. Wir fanden, dass Rauchen zu einer markanten, globalen und anhaltenden Herunterregulierung dieses Rezeptors f&uuml;hrt.<sup>8</sup> Bei schizophrenen Patienten zeigt sich eine geschlechtsspezifische Interaktion zwischen Rauchen und Krankheit hinsichtlich der mGluR5-Bindung.<sup>7</sup> Diese Befunde legen nahe, dass Komorbidit&auml;ten und Gen-Umwelt-Interaktionen bei der Entwicklung neuer Antipsychotika st&auml;rker ber&uuml;cksichtigt werden sollten.</p> <h2>Hirnentwicklungsst&ouml;rung</h2> <p>Es besteht grosse Einigkeit dar&uuml;ber, dass bei der Schizophrenie ung&uuml;nstige Gen- Umwelt-Interaktionen zu einer Hirnentwicklungsst&ouml;rung f&uuml;hren.<sup>9</sup> Das genetische Risiko zeigt &Auml;hnlichkeiten mit anderen Hirnentwicklungsst&ouml;rungen wie Autismus, Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivit&auml;ts- Syndrom und Epilepsie. Seltene Mutationen und seltene Ver&auml;nderungen der Genkopienzahl (&laquo;copy number variation&raquo;), die oft neu oder &uuml;ber wenige Generationen entstanden sind, spielen bei all diesen Krankheiten eine f&uuml;hrende Rolle. Studien an identischen Zwillingen, bei welchen einer an Schizophrenie erkrankte, der andere aber nicht, zeigen, dass die Hirnentwicklungsst&ouml;rung, zum Beispiel gemessen als Vergr&ouml;sserung der Hirnventrikel, nicht genetisch, sondern als Gen-Umwelt-Interaktion zu verstehen ist (d.h., der gesunde Zwilling zeigt typischerweise eine normale Ventrikelgr&ouml;sse). Zu den wichtigsten Umweltfaktoren der Hirnentwicklungsst&ouml;rung geh&ouml;ren ein relativ alter Vater (&gt;45 Jahre), Geburtskomplikationen, Mangelern&auml;hrung, Kopfverletzungen, Infektionen, autoimmunologische St&ouml;rungen, Cannabiskonsum, Rauchen und psychosoziale Belastungen. Diese Umweltfaktoren wirken vermutlich in kritischen Perioden, zum Beispiel pr&auml;natal und w&auml;hrend der Pubert&auml;t, also in Entwicklungsabschnitten, in welchen sich das Hirn stark ver&auml;ndert. Die Umweltfaktoren interagieren nicht nur mit den Genen, sondern auch &uuml;ber die Zeit. Fr&uuml;he gesundheitliche Belastungen bedingen vermutlich die &Uuml;berempfindlichkeit gegen&uuml;ber Belastungen, die sp&auml;ter im Leben auftreten.<br /><br /> Trotz Hunderter von Studien ist es bis jetzt nicht gelungen, die Neuropathologie der Schizophrenie pr&auml;zise zu beschreiben. <sup>10</sup> Die Abnahme grauer Substanz ist einer der verl&auml;sslichsten Befunde, wobei diese in ganz unterschiedlichen Hirnregionen auftreten kann. Die Abnahme des pr&auml;frontalen Kortex wurde mit kognitiven St&ouml;rungen in Verbindung gebracht. Die Abnahme im Temporallappen verst&auml;rkt sich mit der Krankheitsdauer und ist m&ouml;glicherweise durch die antipsychotische Therapie mitbedingt. Zudem wurden in den Basalganglien Volumenver&auml;nderungen festgestellt. Funktionelle Hirnuntersuchungen weisen auf eine gest&ouml;rte Konnektivit&auml;t hin, wobei es bis jetzt nicht m&ouml;glich war, diese eindeutig zu lokalisieren. Neben der strukturellen und funktionellen Neuroanatomie gibt auch die Histopathologie R&auml;tsel auf. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass nicht nur Neurone und die synaptische Plastizit&auml;t, sondern auch Gliazellen und ihre immunologische Funktion eine wichtige Rolle im Krankheitsprozess spielen. Dass es bis jetzt nicht m&ouml;glich war, bestimmte Hirnregionen oder spezifische histopathologische Marker f&uuml;r die Schizophrenie zu identifizieren, hat vermutlich mit der grossen &auml;tiologischen und klinischen Heterogenit&auml;t der Krankheit zu tun.<br /><br /> Die Wirkung der Antipsychotika ist bei einer Vergr&ouml;sserung der Hirnentwicklung im Durchschnitt reduziert. Ferner ist es unklar, ob die antipsychotische Therapie die Hirnentwicklungsst&ouml;rung positiv beeinflussen kann. Dies spricht daf&uuml;r, dass die aktuell verf&uuml;gbaren Therapien eher einer Symptomreduktion entsprechen und nicht oder nur ungen&uuml;gend in den prim&auml;ren Krankheitsprozess eingreifen. Die Fortschritte in der Fr&uuml;herkennung der Krankheit er&ouml;ffnen die M&ouml;glichkeit, diesen Prozess relativ fr&uuml;h g&uuml;nstig zu beeinflussen. Aus diesen Gr&uuml;nden werden aktuell grosse Anstrengungen unternommen, antipsychotische Therapien zu entwickeln, welche neuroprotektiv sind. Es gibt erste Hinweise, dass hohe Dosen von Omega-3-Fetts&auml;ure die Gehirnentwicklung positiv beeinflussen (z.B. durch Steigerung des Glutathiongehalts) und eine antipsychotische Wirkung haben.<sup>11</sup> Laufende gross angelegte Studien bei Fr&uuml;hformen der Schizophrenie werden unser Wissen &uuml;ber diese vielversprechende pr&auml;ventive und praktikable Option massgebend verbessern. Die neuroprotektive Wirkung von Lithium ist schon lange bekannt, und es gibt erste Hinweise darauf, dass niedrig dosiertes Lithium bei der indizierten Pr&auml;vention eine Rolle spielen k&ouml;nnte.<sup>12</sup> Schliesslich gibt es Anhaltspunkte daf&uuml;r, dass entz&uuml;ndungshemmende Substanzen wie Salicyls&auml;ure, nichtsteroidale Antirheumatika und Antioxidanzien wie N-Acetylcystein sowohl neuroprotektiv wie auch antipsychotisch wirken.</p> <h2>Epigenetik</h2> <p>Obwohl seit Jahrzehnten allgemein anerkannt ist, dass Gen-Umwelt-Interaktionen &uuml;ber die Zeit bei der Schizophrenie und anderen psychiatrischen Krankheiten massgebend sind, blieben die neurobiologischen Mechanismen dieser Interaktionen im Dunkeln. Epigenetik ist eine relativ junge Wissenschaft, die entscheidend dazu beitr&auml;gt, diese Interaktionen besser zu verstehen.<sup>13</sup> Epigenetik befasst sich mit der Regulation der Genexpression. Diese ist komplex und findet auf mehreren Ebenen statt. Die Methylierung von Genpromotoren, die Modifikation von Histonen, welche die dreidimensionale Chromatinstruktur beeinflussen, Promoter-Enhancer-Loops und Mikro-RNA geh&ouml;ren zu den bekannten Mechanismen dieser Regulation. Kodierende und nicht kodierende DNA, das Alter, der Zufall und Umwelteinfl&uuml;sse sind die wichtigsten Einflussfaktoren der Epigenetik. Untersuchungen bei der Schizophrenie konzentrierten sich zum gr&ouml;ssten Teil auf die Methylierung von Kandidatengenen wie COMT, REELIN, BDNF und GAD67, die relativ einfach messbar ist. Einige wenige Studien besch&auml;ftigten sich mit Histonmodifikationen in der N&auml;he der Promotoren dieser Gene. Um die vorl&auml;ufigen Befunde dieser Studien zu best&auml;tigen, braucht es epigenomweite Untersuchungen. Obwohl viele epigenetische Marker spezifisch f&uuml;r einzelne Zelltypen sind (sie steuern ja die Zelltypendifferenzierung), scheint es doch eine grosse &Uuml;bereinstimmung epigenetischer Marker zwischen den Zelltypen zu geben, sodass epigenetische Untersuchungen an weissen Blutzellen f&uuml;r die psychiatrische Forschung vertretbar sind.<br /><br /> Ein illustratives Beispiel f&uuml;r das enorme Potenzial epigenetischer Forschung liefern die Befunde zur Regulation von GAD67, das bis zu 80 % der Hirn-GABA synthetisiert.<sup>14</sup> Die epigenetische Regulation von GAD67 ist w&auml;hrend der Hirnentwicklung, aber auch sp&auml;ter im Leben hochdynamisch, was die GAD67-Expression anf&auml;llig f&uuml;r Umweltfaktoren macht. GAD67 ist im Gross- und Kleinhirn schizophrener Patienten herunterreguliert, was zur St&ouml;rung der Synchronisierung neuronaler Netzwerke beitr&auml;gt und das Risiko der Glutamattoxizit&auml;t (und des entsprechenden Verlusts von Nervengebewebe) erh&ouml;ht. Eine bestimmte Variation (Haplotyp) im nicht kodierenden Genom in der N&auml;he des Gens, die mit Verlust von grauer Substanz und Dysregulation von Dopamin und GABA assoziiert ist, f&uuml;hrt zu lokalen, aber auch genomweiten Ver&auml;nderungen der Chromatinstruktur. Dieses Beispiel zeigt auf, wie nicht kodierende DNA lokal und auch &uuml;ber grosse Distanzen die Genexpression ver&auml;ndert und so den Einfluss einer Reihe von Umweltfaktoren mitbestimmt. Aus Tierstudien ist bekannt, dass eine ungen&uuml;gende m&uuml;tterliche Pflege die GAD67-Expression im Hippocampus senkt, und zwar vermittelt durch Histon-Deazetylierung. Rauchen, ein Risikofaktor f&uuml;r die Schizophrenie, f&uuml;hrt zur Ver&auml;nderungen der Methylierung des GAD67-Promoters, welche die GAD67-Experession direkt beeinflusst. Ferner beeinflussen Zytokine und eine &uuml;berm&auml;ssige Aktivierung des Immunsystems die epigenetische Kontrolle der GAD67-Expression. Diese Befunde zeigen einerseits, dass die epigenetische Forschung Methoden zur Verf&uuml;gung stellt, die es erm&ouml;glichen, Gen- Umwelt- und Umwelt-Umwelt-Interaktionen &uuml;ber die Zeit auf molekularer Ebene zu verstehen. Andererseits sind die Befunde Grund zur Hoffnung hinsichtlich neuer Therapieoptionen, weil es bereits jetzt m&ouml;glich ist, die epigenetische Regulation pharmakologisch zu beeinflussen. Histon- Deacetylase-Hemmer (HDACi), wie zum Beispiel die Valproins&auml;ure, k&ouml;nnen die Expression von GAD67 und anderen Genen steigern. Clozapin scheint eine direkte Wirkung auf die Methylierung des GAD67- Promoters zu haben. Die Erhellung der epigenetischen Basis der Schizophrenie wird es erm&ouml;glichen, diese Substanzen gezielt einzusetzen und neue epigenetisch wirksame Medikamente zu entwickeln. Meine Forschungsgruppe an der Universit&auml;t untersucht aktuell in Zusammenarbeit mit der Icahn School of Medicine in New York die Regulation der GABA-Konzentration mittels genom- und epigenomweiter Untersuchungen beim Menschen.</p> <h2>Biomarker</h2> <p>Die syndromale Diagnostik der Schizophrenie, die nicht auf Pathophysiologie und Genetik beruht, ist vermutlich der Hauptgrund, weshalb sich die Entwicklung neuer Therapien als schwierig erweist. Die aktuelle Diagnostik ist zugleich zu breit und zu eng. Sie fasst so unterschiedliche Symptome wie Apathie, Sinnesst&ouml;rungen, Denkst&ouml;rungen und Ged&auml;chtnisst&ouml;rungen in einer Krankheit zusammen, womit sie pathophysiologisch eine zu geringe Spezifit&auml;t aufweist. Andererseits beinhaltet sie Symptome wie Apathie und kognitive St&ouml;rungen, die auch bei einer Reihe anderer psychiatrischer Krankheiten wie der bipolaren St&ouml;rung, der Depression und dem Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivit&auml;ts-Syndrom vorkommen. Damit ist sie &uuml;berm&auml;ssig spezifisch. Der Versuch, die Schizophrenie in klinische Subtypen einzuteilen, die ein spezifisches Risikoprofil aufweisen, ist wiederholt gescheitert. Deshalb hat man diese Subtypen aus dem DSM-5 gestrichen. Ferner leiden bis zu 8 % der Bev&ouml;lkerung an psychotischen Symptomen wie paranoiden &Uuml;berzeugungen und akustischen Halluzinationen, was darauf hinweist, dass die Abgrenzung zwischen &laquo;krank&raquo; und &laquo;gesund&raquo; eine ungel&ouml;ste Herausforderung ist.<br /><br /> J&uuml;ngste Befunde aus der genetischen Forschung legen nahe, dass es ein weiter Weg zur genetischen Diagnose der Schizophrenie sein wird. Viele urs&auml;chliche, genetische Faktoren entsprechen neuen Mutationen, die spezifisch f&uuml;r ein Individuum oder eine Familie sind.<sup>15</sup> Die Effekt bekannter genetischer Varianten ist derart gering, dass man vom Zusammenwirken von &uuml;ber 20&lsquo;000 verschiedenen Polymorphismen ausgehen muss. Ob es m&ouml;glich sein wird, mittels komplexer genetischer Risiko-Scores das Schizophrenierisiko verl&auml;sslich vorauszusagen, ist unklar, zumal die meisten bekannten genetischen Risikofaktoren f&uuml;r die Schizophrenie unspezifisch sind.<sup>16</sup><br /><br /> Grosse Hoffnung wird in die Entdeckung von Biomarkern gesetzt, welche in Zusammenhang mit wesentlichen Krankheitsprozessen stehen und den Verlauf sowie das Ansprechen auf Behandlungen voraussagen k&ouml;nnen. Weil es nicht m&ouml;glich ist, Hirngewebe bei Patienten zu untersuchen, fokussiert die Forschung auf biologische Messungen im Blut. Entsprechend der bekannten Neurobiologie der Krankheit sind Molek&uuml;le im Zusammenhang mit Neurotransmittersystemen (z.B. Dopamin-D2-Rezeptor-mRNA, Plasma- Glycin-Konzentration), neurotrophen Faktoren (z.B. BDNF), oxidativem Stress (z.B. mitochondriale Komplexe), immunologischer Aktivierung (z.B. Interleukine und Tumor-Nekrose-Faktoren) und der epigenetischen Regulation (z.B. GAD67-Methylierung) von besonderem Interesse. Im Bereich der strukturellen und funktionellen Bildgebung und des EEGs besteht Hoffnung, dass komplexe Netzwerkanalysen es erlauben, die weitverbreiteten und heterogenen Konnektivit&auml;tsst&ouml;rungen bei der Schizophrenie zu beschreiben. Methoden des Maschinenlernens werden helfen, Individuum-spezifische Imaging-Biomarker zu identifizieren, die von diagnostischem Nutzen sind. Trotz intensiver Forschung gibt es bis jetzt keinen Biomarker, der hilft, Therapieentscheidungen bei der Schizophrenie zu verbessern.</p> <h2>Schlussfolgerungen</h2> <p>Unser Wissen &uuml;ber die Neurobiologie der Schizophrenie hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Bis jetzt haben leider die neuen Erkenntnisse noch keinen Durchbruch bei der Behandlung zur Folge gehabt. Laufende Studien zu glutamatergen Substanzen und Nahrungserg&auml;nzungen sind vielversprechend. Die zunehmende Einsicht, dass Schizophrenien genetisch, epigenetisch, biologisch und klinisch heterogen sind, ist zentral und weist darauf hin, dass die Verbesserung der Diagnostik mithilfe von Biomarkern entscheidend sein k&ouml;nnte, um neue, wirksamere Therapien zu entwickeln. Da die Schizophrenie eine Hirnentwicklungsst&ouml;rung ist, sind Verbesserungen bei der Risikovermeidung, der Fr&uuml;herkennung und der indizierten Pr&auml;vention besonders erfolgversprechend.</p> <h2>Relevanz f&uuml;r die Praxis</h2> <p>Alle verf&uuml;gbaren antipsychotischen Medikamente blockieren den Dopamin-2-Rezeptor. Sie sind erfreulich wirksam in der Behandlung positiver Symptome bei der Schizophrenie. Bei kognitiven und negativen Symptomen fehlen uns entsprechende Behandlungsoptionen. Das Glutamatsystem ist ein attraktiver Angriffspunkt f&uuml;r die Entwicklung neuer antipsychotischer Substanzen. Solche Substanzen haben das Potenzial, wirksamer als herk&ouml;mmliche Substanzen bei negativen und kognitiven Symptomen zu sein. Klinische Studien zu glutamatergen Substanzen waren leider bis jetzt durchwegs negativ. Dies weist darauf hin, dass die Entdeckung von Biomarkern eine sehr hohe Priorit&auml;t in der psychiatrischen Forschung haben sollte. Die Abstimmung von Therapien auf spezifische Krankheitsprozesse &ndash; sprich Pr&auml;zisionsmedizin &ndash; wird in der Psychiatrie und Psychotherapie der Zukunft eine wichtige Rolle spielen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Laursen TM et al: Life expectancy and cardiovascular mortality in persons with schizophrenia. 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