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ADHS bei Erwachsenen

Logosynthese-Gruppentherapie bei ADHS

Erwachsene mit ADHS leiden oft unter Scham- und Schuldgefühlen. Dies kann in weiterer Folge zu Depressionen und Suchtproblematiken führen. Ein therapeutischer Ansatz ist hier die Logosynthese-Gruppentherapie.

Keypoints

  • ADHS-Betroffene können durch Anwendung der Logosynthese rasch ruhig und gelassen werden.

  • Logosynthese ist ein Modell, das rasch Stress und andere Reaktionen neutralisiert und so zu mehr Gelassenheit und Resilienz führt.

  • Wir sehen in der Logosynthese eine wertvolle Therapieform, die langfristig die Lebensqualität von ADHS-Betroffenen verbessern wird.

Mehr Resilienz im Alltag?

Schon als Chefärztin einer grösseren psychiatrischen Klinik habe ich immer wieder Erwachsene, die an Depressionen oder Suchtmittelabhängigkeit erkrankt sind, zu ADHS-Abklärungen geschickt. Häufig wurden ADHS-spezifische Medikamente empfohlen. Doch nicht alle Betroffenen haben von dieser Medikation profitiert. Gibt es andere Möglichkeiten, wie Patienten mehr über sich und den Umgang mit ADHS lernen? Wie können sie ihren Alltagsstress reduzieren? Wie gestalten sie ihren Alltag besser mit mehr Resilienz?

Wie zeigt sich ADHS bei Erwachsenen?

ADHS bei Erwachsenen wird in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert. 4% der Erwachsenen sind davon betroffen, nur jeder Fünfte weiss davon. Häufig fehlt bei Erwachsenen eine Hyperaktivität, es zeigen sich jedoch manchmal Unruhe und Rastlosigkeit. Die Kernsymptome sind Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit sowie Impulsivität.

Bei ADHS geht es um die Verarbeitung von äusseren Reizen wie Lärm, Licht, Hitze oder Kälte, Körperkontakt und bewegten Objekten sowie inneren Reizen wie Gedanken, Ideen, Gefühlen, Sorgen, Ängsten und Stress.

Typische Alltagsschwierigkeiten bestehen dabei, Aufgaben zum Abschluss zu bringen und Dinge auf die Reihe zu bekommen. Es gibt Probleme, sich an Termine zu erinnern, Flüchtigkeitsfehler bei langweiligen Aufgaben, Konzentrationsschwierigkeiten und Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen. Man verlegt Dinge und es ist mühsam, aufmerksam zu bleiben.

In der häufigen Kombination mit Hochsensibilität kann dies zu einer erheblichen Belastung führen, da die Reizfilterfunktion des Thalamus weniger ausgeprägt ist als bei neurotypischen Personen. Ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Trotz dieser Schwierigkeiten verfügen ADHS-Betroffene oft über Stärken wie Kreativität, spontanen Erfindergeist, Empathie und die Fähigkeit, in Ausnahmesituationen gut zu funktionieren.

So können ADHS-Betroffene durchaus erfolgreich im Beruf und im privaten Leben sein, stehen jedoch häufig vor Herausforderungen wie dem Gefühl, blockiert zu sein oder nichts zustande zu bringen. Aufgaben nicht abschliessen zu können oder wichtige Dinge verschieben zu müssen, kann bei den Betroffenen zu schwierigen beruflichen oder zwischenmenschlichen Situationen führen.

ADHS-Symptome lösen oft Schuld- und Schamgefühle aus

Solche Erfahrungen lösen oft Schuld- und Schamgefühle aus, welche das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Die Betroffenen erleben immer wieder Situationen, in denen sie sich unfähig und anders fühlen. Sie erleben Versagensgefühle, trauen sich wenig zu. Sie machen sich ein bestimmtes Bild über sich, die anderen, die Welt, wie sie sein sollte. Diese Überzeugungen und Haltungen schränken die Sicht auf die Realität, wie sie wirklich ist, ein. So verstricken sich die Betroffenen in Verhaltens- und Denkmuster, die den Druck auslösen, erfolgreich zu sein, nicht zu scheitern. Dieser Leistungsdruck wiederum führt zu inneren Stressreaktionen, die zu Ängsten, zu kognitiven Einbussen und fehlendem Selbstvertrauen führen.

Umgang mit Stress – das Modell Logosynthese

Wie eingangs erwähnt, sind viele Erwachsene mit Depressionen und Suchtproblemen auch von ADHS betroffen.

Oft wird daraufhin die Medikation mit Stimulanzien wie Methylphenidat empfohlen. Allerdings profitieren nicht alle von diesen Medikamenten, und viele suchen nach alternativen Ansätzen.

Ein Ansatz, der mich in meiner ambulanten Arbeit überzeugt hat, ist die Logosynthese – ein Modell, das ich erfolgreich als Psychotherapeutin bei Stressfolgestörungen wie Burnout angewendet habe. Die Methode zielt darauf ab, Stressoren als Auslöser zu identifizieren und ihre Wirkung zu neutralisieren.

Die Logosynthese ist ein Modell, das darauf abzielt, Erinnerungen, Vorstellungen oder Überzeugungen, die zu emotionalen Reaktionen führen, zu neutralisieren. Sie benutzt dazu die Wirkung von Worten für die Verarbeitung von schwierigen Erfahrungen und Vorstellungen. Sie geht davon aus, dass alles Energie ist: Körper, Psyche, Information und Bewusstsein. Die Energie ist entweder im Fluss oder nicht. Mithilfe von Worten wird die Energie an den richtigen Ort bewegt, zu mir oder von mir weg. So können Energiemuster wie Erinnerungen, Vorstellungen, Überzeugungen rasch aufgelöst werden. Das bewirkt, dass die Energie wieder im Fluss ist.

Der Klient wird mittels eines festgelegten Protokolls an das herangeführt, was der Auslöser der Wut, Angst oder Verzweiflung ist. Das können verschiedene Erinnerungen an Situationen oder Personen sein oder Vorstellungen, was beim nächsten Mal in einer bestimmten Situation passieren könnte. Diese Auslöser werden identifiziert und mit bestimmten Worten oder Sätzen verarbeitet. Der Therapeut gibt dem Klienten die Sätze vor, die dieser nachspricht mit einer nachfolgenden Wirkpause. Die Wirkung tritt sofort ein, ähnlich wie bei einer hypnotherapeutischen Intervention. Die Folge davon ist, dass der Klient in der nächsten Situation nicht mehr auf den Auslöser reagiert, sondern ruhig und gelassen bleibt. So sind die emotionalen und körperlichen Reaktionen nicht mehr wahrnehmbar, der Klient kann ruhig beobachten, nachdenken und dann gemäss seiner Einsicht handeln.

Logosynthese in der Gruppentherapie

Da es sich bei ADHS auch um eine Reizverarbeitungsstörung handelt, die mit der Stressreaktion zu tun hat, habe ich begonnen, bei ADHS-Betroffenen mit Logosynthese in der Einzelpsychotherapie zu arbeiten. Die Resultate waren gut: Betroffene konnten ihren Alltag besser bewältigen und fühlten sich weniger gestresst.

Als Ausbildungsleiterin für Logosynthese-Psychotherapie habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, diese als Gruppentherapie anzuwenden. Das unterstützt die Bearbeitung von persönlichen Themen der Lernenden. Dabei arbeite ich mit einer Person vor der Gruppe an einem Thema und kläre die Situation mithilfe eines 7-Schritte-Basisprozederes. Diese Klärung ermöglicht, dass andere Gruppenteilnehmer, die zuhören und ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ihre emotionalen Reaktionen zeigen können. Durch die Anwendung der Logosynthese-Sätze, die laut ausgesprochen werden, können die Zuschauenden selbst mitmachen, indem sie die Sätze mitsprechen. So können ähnliche Reaktionsmuster sofort aufgelöst werden, auch in der Zuschauerreihe. Somit wollte ich die Logosynthese auch in der Gruppentherapie bei ADHS-Betroffenen einsetzen.

Gruppenprogramm für ADHS-Betroffene

Mein Kollege Markus Hämmerli, ein spezialisierter ADHS-Coach, setzt seit 2021 gezielt Logosynthese in seinem Coaching ein und verzeichnet damit nachweislich positive Veränderungen bei seinen Klienten, insbesondere in deren Alltagsbewältigung und Stressmanagement.

So entwickelten wir gemeinsam die Idee, ein Gruppenprogramm und ein Selbstcoaching-Modell für ADHS-Betroffene auf Basis der Logosynthese zu schaffen und gleichzeitig die Anwendung der Logosynthese in der Gruppe vorzustellen, und zwar im Sinne einer Gruppentherapie. Seit August 2024 bieten wir ein Gruppenprogramm für betroffene Erwachsene an.

Wir beginnen im ersten Teil mit einer Einführung in das Thema ADHS und in den Umgang damit im Alltag. Im zweiten Teil begleite ich ein oder zwei Teilnehmende bei der Anwendung der Logosynthese. Das Programm wird an sechs Nachmittagen angeboten und dann beendet. In der Gruppe arbeite ich mit einer betroffenen Person an einem spezifischen Thema, das für sie besonders belastend ist. Mithilfe der Logosynthese identifizieren wir den Auslöser einer herausfordernden Alltagssituation, die starken Stress verursacht, z.B. Aufschieben von Lernen, Rolle in der Familie als Hausfrau, wenig Selbstvertrauen in einer Beziehung.

Durch die Neutralisierung des Auslösers mit Logosynthese kommt es zu einer nachhaltigen Entlastung. Die anderen Gruppenmitglieder beobachten und durchleben dabei den Prozess und lernen daraus. Die bisherigen Rückmeldungen der ersten beiden Gruppen sind sehr positiv. Teilnehmer im Alter von 18 bis 73 Jahren berichteten, dass sich ihre Alltagsbewältigung deutlich verbessert hat, sie sich weniger gestresst fühlen und die praktischen Strategien zur Bewältigung des Alltags eigenständig anwenden. Sie lernen auch, Logosynthese für sich selbst anzuwenden. Zu Beginn waren viele eher skeptisch. Am Ende waren alle begeistert und werden die Logosynthese für sich selbst anwenden.

Zukunftsperspektiven

Wir sind überzeugt, dass wir mit dem Modell Logosynthese einen innovativen Ansatz in der ADHS-Therapie gefunden haben. Dieser hilft Betroffenen, besser mit Stress und Reizüberflutung umzugehen.

bei der Verfasserin

● Lammers W: Das kleine Buch der Logosynthese: Die Macht der Worte in Heilung und Entwicklung, Eigenverlag ● Lammers W: Logosynthese - Mit Worten heilen: Praxisbuch für Beratung Coaching und Psychotherapie, VAK Verlag ● Maté G: Unruhe im Kopf: Über die Entstehung und Heilung von ADHS, Unimedica

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