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Langzeittherapie der Schizophrenie

<p class="article-intro">Im Grunde ist die Rate des Ansprechens ersterkrankter Schizophreniepatienten auf eine Therapie mit Antipsychotika hoch. Genauso aber auch die Rückfallrate. Daher sehen sich Behandler sehr schnell in einem Zwiespalt, wenn ihre Patienten aus verschiedenen Gründen das Absetzen der Medikation oder eine Dosisreduktion thematisieren.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Es gibt vielerlei verschiedene Therapieoptionen bei Schizophrenie &ndash; die Pharmakotherapie ist ein wichtiger Baustein des Therapieplans.</li> <li>Man kann nicht mit Sicherheit sagen, wie lange ein Patient die Rezidivprophylaxe mit einem AP aufrechterhalten soll bzw. welches die optimale Dosis ist.</li> <li>Alternativ keine Medikation zu verordnen erscheint wenig sinnvoll.</li> <li>Die Therapie sollte im Behandlungsverlauf immer wieder hinterfragt, aktualisiert und an die Bed&uuml;rfnisse des Patienten angepasst werden.</li> </ul> </div> <p>Nicht alle, aber sehr viele Patienten erleiden im Verlauf ihrer Schizophrenieerkrankung wiederholt R&uuml;ckf&auml;lle. Nach einem solchen R&uuml;ckfall erreichen viele Patienten nicht mehr ihr urspr&uuml;ngliches Niveau, die Symptome verschlechtern sich zusehends&ldquo;, erkl&auml;rte Priv.-Doz. Dr. Stephan Heres, Isar-Amper-Klinikum f&uuml;r Psychiatrie und Psychotherapie, M&uuml;nchen. In vielen F&auml;llen w&uuml;rden Patienten schlussendlich in einem &bdquo;chronischen Defizitsyndrom&ldquo; verharren.<sup>1</sup> Es sei daher wichtig, R&uuml;ckf&auml;lle so weit wie m&ouml;glich zu verhindern. &bdquo;Leider k&ouml;nnen wir aber nicht vorhersagen, welche unserer Patienten ohne antipsychotische Behandlung keine weitere Episode und welche R&uuml;ckf&auml;lle haben werden&ldquo;, so Heres. Ein Umstand, der besonders bei &Uuml;berlegungen zur Dosisreduktion oder zum Absetzen von Antipsychotika (AP) schwer zum Tragen kommt.</p> <h2>Hohes Ansprechen Ersterkrankter auf Antipsychotika</h2> <p>Ersterkrankte Schizophreniepatienten sprechen prinzipiell sehr gut auf AP an. Laut einer kanadischen Studie sprachen bei einer Erstbehandlung mit Zweitgenerationspr&auml;paraten (Olanzapin oder Risperidon) drei Viertel der Patienten auf die Behandlung an, von dem verbleibenden Viertel der Non-Responder sprachen bei Behandlung mit dem jeweils anderen Wirkstoff wieder drei Viertel an.<sup>2</sup> Eine fr&uuml;hzeitige Therapie der verbleibenden Non-Responder mit Clozapin erh&ouml;hte die Gesamtansprechrate auf mehr als 90 % . Wie kommt es also, dass dieser hohen Ansprechrate eine hohe R&uuml;ckfallrate gegen&uuml;bersteht?</p> <h2>Wie kann das R&uuml;ckfallrisiko reduziert werden?</h2> <p>Ausl&ouml;ser, die zu einer Erh&ouml;hung der R&uuml;ckfallwahrscheinlichkeit f&uuml;hren, sind bekannt. Zu den st&auml;rksten Triggern z&auml;hlen bei Ersterkrankten die partielle oder Non- Compliance,<sup>3</sup> sie erh&ouml;ht das R&uuml;ckfallrisiko auf mehr als das 4-Fache. &bdquo;Es ist sehr wichtig, dass man bei der Pharmakotherapie konstant an der Synapse bleibt. Gerade wenn man das Antipsychotikum nicht &uuml;ber einen langen Zeitraum ausschleichen l&auml;sst, sondern abrupt absetzt oder im On-off-Modus einnimmt, triggert man einen R&uuml;ckfall&ldquo;, warnte Heres.<br /> Die Pharmakotherapie ist ein sehr wichtiger Baustein in der Therapie der Schizophrenie. Dar&uuml;ber hinaus sollten aber auch nicht pharmakologische Therapieformen in der Behandlung der Erkrankung und der Verhinderung von R&uuml;ckf&auml;llen in Erw&auml;gung gezogen werden. &bdquo;Unterst&uuml;tzend k&ouml;nnen mit der &sbquo;cognitive-behavioral therapy&lsquo; sehr gute Erfolge erzielt werden und auch mit Psychoedukation sowohl der Patienten als auch der Angeh&ouml;rigen k&ouml;nnen R&uuml;ckfallraten um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Ebenso wichtig sind &sbquo;shared decision makingʻ und das Prinzip des &sbquo;informal caregiver involvement&lsquo;&ldquo;, betonte Heres. Letzteres sei ein hervorragendes Instrument, um vor allem in der Fr&uuml;hphase der Schizophrenie die Suizidalit&auml;t von Schizophreniepatienten einzuschr&auml;nken.</p> <h2>Datenlage zum Absetzen von Antipsychotika</h2> <p>&bdquo;Gibt es nach einer Phase der Stabilit&auml;t unter antipsychotischer Therapie einen Punkt, an dem man einem Patienten raten k&ouml;nnte, die AP-Therapie abzusetzen?&ldquo;, stellte der Referent zur Diskussion. Eine Metaanalyse belegt, dass die Beibehaltung der AP-Therapie der Umstellung auf Placebo in der Reduktion des R&uuml;ckfallrisikos &uuml;berlegen ist,<sup>4</sup> unabh&auml;ngig von der Dauer der zuvor r&uuml;ckfallsfreien Phase unter einer AP-Therapie (Monate bis mehrere Jahre). Eine systematische &Uuml;bersichtsarbeit von Zipursky et al. untersuchte vier randomisierte und zwei nicht randomisierte Studien &uuml;ber das Absetzen bzw. Beibehalten der AP-Therapie bei erstmals an Schizophrenie Erkrankten im ersten Jahr, die gut auf die Behandlung angesprochen hatten.<sup>5</sup> Drei Viertel der Patienten, die die Medikation absetzten, erlitten einen R&uuml;ckfall, w&auml;hrend unter den Patienten, die die Therapie weiterf&uuml;hrten, fast keine R&uuml;ckf&auml;lle verzeichnet wurden (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1802_Weblinks_jatros_neuro_1802_s38_abb1.jpg" alt="" width="964" height="820" /></p> <h2>Reduktion der Erhaltungsdosis &ndash; eine Alternative?</h2> <p>Da in den oben genannten Studien die Medikation relativ abrupt abgesetzt wurde, entsprechen sie nicht dem klinischen Alltag, erkl&auml;rte Heres. Studien, die das Absetzen der Antipsychotikatherapie &uuml;ber Jahre hinweg beobachtet h&auml;tten, liegen zurzeit noch nicht vor. Kleinere Studien, die ein langsames Ausschleichen von AP im Ansatz erforschten, zeigen, dass eine Reduktion der Erhaltungsdosis zum Ansteigen der R&uuml;ckfallraten f&uuml;hrt. Wang et al. untersuchten die Auswirkung der randomisierten Reduktion der Akuttherapiedosis von Risperidon auf 50 % jeweils 4 Wochen und 26 Wochen nach der initialen Behandlung und verglichen sie mit der Beibehaltung der in der Akutphase wirksamen Dosis (100 % ).<sup>6</sup> Sowohl in der Gruppe, in der die Umstellung auf die niedrigere Dosis nach 4 Wochen erfolgte, als auch in der Gruppe, die nach 26 Wochen auf die halbe Dosierung umgestellt wurde, war die R&uuml;ckfallrate h&ouml;her als bei Beibehaltung der vollen Dosis. &bdquo;Daher m&uuml;ssen wir unseren Patienten eigentlich raten, die Antipsychotikatherapie nicht abzusetzen oder, wenn dennoch gew&uuml;nscht, dann nur ganz langsam zu ver&auml;ndern&ldquo;, res&uuml;mierte der Experte.</p> <h2>Wichtig: R&uuml;ckfallvermeidung!</h2> <p>Warum der Rezidivprophylaxe ein gro&szlig;er Stellenwert zukommt, machte Dr. Heres am Ende seines Vortrages noch einmal deutlich. Es sei nicht nur die graduelle Verschlechterung der Zeichen und Symptome einer schizophrenen Episode, die jeder R&uuml;ckfall mit sich bringt.<sup>1</sup> &bdquo;Ein wichtiger Grund, warum wir unbedingt versuchen sollten, R&uuml;ckf&auml;lle zu vermeiden, ist, dass unter Umst&auml;nden nach einem R&uuml;ckfall die initial beobachtete antipsychotische Wirkung einer Substanz nicht erneut wieder eintritt, wenn ein Medikament ein paar Wochen lang pausiert worden ist&ldquo;, so Dr. Heres. Eine placebokontrollierte Langzeitstudie mit Schizophrenie-patienten zeigte, dass 14 von 97 Patienten nach einem R&uuml;ckfall nicht mehr auf eine Therapie mit demselben vormals wirksamen Medikament ansprachen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Fortbildungsreihe „Psychiatrie in Wissenschaft und Praxis“, 24. Februar 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Liebermann JA e al.: Biol Psychiatry 2001; 50: 884-97 <strong>2</strong> Agid O et al.: Eur Neuropsychopharmacol 2013; 23: 1017- 23 <strong>3</strong> Alvarez-Jimenez M et al.: Schizophr Res 2012; 139: 116-28 <strong>4</strong> Leucht S et al.: Lancet 2012; 379: 2063-71 <strong>5</strong> Zipursky RB et al.: Schizophr Res 2014; 152: 408-14 <strong>6</strong> Wang CY et al.: Am J Psychiatry 2010; 167: 676-85</p> </div> </p>
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