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Kernthemen interdisziplinär vertieft
Jatros
Autor:
Dr. Oliver Bilke-Hentsch, MBA
Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie FMH<br> Chefarzt und Co-Geschäftsleitung<br> Modellstation SOMOSA, Winterthur<br> E-Mail: oliver.bilke-hentsch@somosa.ch
30
Min. Lesezeit
13.12.2018
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<p class="article-intro">Die Entwicklung der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie in Österreich zeigt sich neben der steigenden Zahl an Fachärzten, der 10-Jahres-Feier der Anerkennung als Sonderfach und der zunehmenden Anzahl an Klinikplätzen und Niedergelassenen auch in Größe und Niveau der wissenschaftlichen Kongresse. Der von Primarius Wolfgang Wladika geleitete 34. Kongress der Fachgesellschaft im September am schönen Wörthersee in Klagenfurt zeigte dies eindrücklich.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die beiden großen Oberthemen Sucht/ Drogen sowie Kooperation im Hilfesystem wurden an den drei Kongresstagen mit Grundsatzreferaten internationaler Wissenschaftler und Kliniker sowie vielen interessanten Praxisbeispielen und Seminaren umfassend bearbeitet.</p> <h2>Sucht: auch bei Kindern und Jugendlichen ein Thema</h2> <p>Die ganze Bandbreite der aktuellen Dynamik von Suchterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen – von Cannabiskonsum über den weiterhin nicht zu vernachlässigenden Missbrauch von Opiaten, Polytoxikomanie bis zu den zunehmenden Verhaltenssüchten und den Internet- und Mediengebrauchsstörungen – fand ebenso Platz wie Themen aus der Epidemiologie, angewandte Hilfssysteme und Praxisbeispiele. <br />Trotz der Heterogenität und unterschiedlichen Ausstattung der österreichischen Bundesländer sind es ähnliche Themen, die den spezifischen Beitrag der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu diesem Arbeitsfeld ausmachen. Es handelt sich um interdisziplinäre Konzeptbildung, Methoden zur Früherkennung und zur systematischen Erkennung von Komorbiditäten (man denke nur an die stets vernachlässigten TLS), Modelle der Frühintervention und damit Sekundärprävention sowie die letztlich wenigen, aber hoch intensiv zu betreibenden Therapieplätze. <br />Der Kontrast der Verhältnisse in der Weltstadt Wien gegenüber den scheinbar „friedlichen“ ländlichen Regionen ist dabei besonders bei den leicht und überall zur Verfügung stehenden Substanzen wie Cannabis und selbstverständlich bei den Mediengebrauchsstörungen geringer als gedacht. Erfreulich ist, dass mit der Universität Innsbruck nach Wien und Salzburg seit einiger Zeit ein drittes universitäres Klinikum in Innsbruck (jetzt auch mit schönem Neubau) zur Verfügung steht, das Forschungsaktivitäten auch in diesem Bereich fördert.</p> <h2>Aufarbeitung der Geschichte</h2> <p>Ein wichtiger Beitrag wurde von einer Arbeitsgruppe (U. Loch, J. Arztmann) aus Klagenfurt geleistet, die sich mit der Person des früheren Leiters der Heilpäda gogischen Abteilung Klagenfurt, Prof. Wurst, auseinandersetzte und in einer tief beeindruckenden und berührenden Darstellung die unvorstellbar missbräuchlichen Aktivitäten dieses Mannes beschrieb. Diese Präsentation – gemeinsam mit Berichten über die Geschehnisse rund um den Pavillon 15 des Wiener Psychiatrischen Krankenhauses Steinhof (H. Mayrhofer) und die Innsbrucker Psychiaterin Maria Nowak-Vogl (M. Ralser) – wies deutlich auf die Notwendigkeit der Aufarbeitung von Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch die Medizin hin, vor allem unter dem Prätext des „Niemals wieder!“.</p> <h2>Kooperation und Vernetzung in Österreich</h2> <p>Wie der Präsident der ÖGKJP, Prim. Rainer Fliedl aus Hinterbrühl/Mödling, bei seiner Eröffnung betonte, ist das scheinbar kleine, aber umfangreich vernetzte und kooperative Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Österreich auch in diesem Versorgungsgebiet nicht mehr wegzudenken. Dementsprechend war auch das zweite Kongressthema der Kooperation in den interdisziplinären Helfersystemen von hohem Interesse für die Patienten und ihre Familien. Es wurden Modelle von „best practice“ vorgestellt, Erfahrungsberichte von „home treatment“ und andere regional verankerte Konzepte. <br />Im Abschlussvortrag wurden anhand des Salzburger Beispiels, vorgestellt durch den neuen Präsidenten der Fachgesellschaft, Prof. Leonard Thun-Hohenstein, diese regionalen Spezifika in all ihren Chancen und Beschränkungen eindrücklich dargestellt.</p> <h2>Positive Bilanz</h2> <p>Insgesamt versammelten sich bei herrlichstem Kongresswetter über 300 Fachpersonen aus den Bereichen Psychologie, Medizin, Pädagogik und anderen zugewandten Berufen, sodass auch in den Diskussionsbeiträgen und den Randgesprächen die Kernthemen interdisziplinär vertieft werden konnten. Dank der umsichtigen und souveränen Kongressleitung entstand eine kreative und kooperative Gesamt atmosphäre, die auf eine weitergehende gute Entwicklung des Faches in Österreich vertrauen lässt.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 34. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
(ÖGKJP), 20.–22.September 2018, Klagenfurt
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