
Einfluss von Social Media auf Körperbild und Essverhalten
Bericht:
Martha-Luise Storre
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Ob Instagram, TikTok oder Snapchat – soziale Medien sind aus dem Alltag vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht mehr wegzudenken. Welche Rolle spielen sie bei der Entwicklung von Essstörungen? Und was gilt es für die Therapie und Prävention zu beachten?
Keypoints
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Knapp 90% der Jugendlichen und Heranwachsenden nutzen im Durchschnitt bis zu drei Stunden täglich das Internet.
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Vor allem Bild-basierte Netzwerke sind mit gestörtem Essverhalten und Körperunzufriedenheit assoziiert.
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Eine zugewandte und interessierte Haltung ist wichtig für die Psychotherapie.
Von rund 1200 befragten Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren nutzen 89% das Internet jeden Tag.1 Im Durchschnitt verbringen sie täglich 115 Minuten unter der Woche mit sozialen Medien, am Wochenende 184 Minuten. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Nutzungsdauer. Seit Beginn der Corona-Pandemie nahm diese zusätzlich signifikant zu.2 Die meistgenutzten Kanäle sind WhatsApp (93%), Instagram (72%), YouTube (58%), Snapchat (51%), TikTok (33%), Facebook (17%) und Pinterest (13%).3
Die deutsch-amerikanische Ärztin und Psychoanalytikerin Hilde Bruch beschäftigte sich bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren intensiv mit der Psycho- und Familiendynamik von Anorexiepatientinnen und -patienten. Bruch prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des „alles durchdringenden Gefühls eigener Unzulänglichkeit“, wie Dipl.-Psych. Markus Fumi, Leitender Psychologe der Abteilung für Kinder und Jugendliche der Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee, vortrug. Dieses mangelnde Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen führe zu einer Orientierung an externen Idealen und Erwartungen. „Der Beginn der Entwicklung einer Essstörung ist in der Regel eine Unzufriedenheit mit sich selbst. Diese kann sich auf den Körper direkt beziehen oder aber eine diffuse Unzufriedenheit sein – mit der eigenen Person, dem eigenen Leben, der Gesamtsituation“, führte Fumi aus. Meist entstünden Essstörungen in der Pubertät oder Adoleszenz, eine Zeit geprägt von Unsicherheit und Veränderung. Man suche nach Vergleichen und Orientierung. Entsprechend den eingangs genannten Daten zur Mediennutzung Heranwachsender finde man dies heutzutage häufig in den sozialen Medien: Es gibt einen starken und konsistenten Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und Bedenken hinsichtlich des eigenen Essverhaltens.4 Dementsprechend kann eine häufige Nutzung sozialer Netzwerke für Rückversicherung, Feedback und Validierung des eigenen Erscheinungsbilds eine höhere Körperunzufriedenheit und Symptome einer Essstörung voraussagen.5,6 Insbesondere Bild-basierte Netzwerke wie Instagram und Facebook sind mit einer höheren Körperunzufriedenheit5 und gestörtem Essverhalten assoziiert.7 Eine Untersuchung konnte zeigen, dass die häufigere Nutzung von sogenanntem Healthy Food Content auf Instagram mit einer höheren Tendenz zu Orthorexia nervosa assoziiert ist, im Vergleich zu Facebook, Twitter, Pinterest, Tumblr, Google+ und LinkedIn, die keinen Effekt hatten.8 „Insgesamt zeigt sich über viele Studien hinweg ein konsistentes Bild zum Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien, gestörtem Essverhalten und Körperunzufriedenheit“, fasste der Experte zusammen.
Abb. 1: Kinder und Jugendliche verbringen täglich mehrere Stunden online
Ein Problem sei der Algorithmus dieser Plattformen: Das Nutzungsverhalten werde genau analysiert – welche Inhalte gefallen, was wird kommentiert, welche Werbeanzeigen werden aufgerufen. Manche Anbieter wie TikTok werten sogar die Verweildauer bei Videos aus und verknüpfen damit entsprechende Inhalte. „Auf Basis dieser Daten wird ein sogenannter Feed mit Vorschlägen erstellt, welcher dem Nutzungsverhalten und vermeintlichen Interessen entspricht. So kann es passieren, dass man plötzlich in einer Art Filterblase mit speziellen Inhalten gefangen wird“, erklärte Fumi.
Für die Psychotherapie der Betroffenen empfehle sich eine interessierte und nicht wertende Haltung der Behandelnden. Gerade wenn man nicht mit diesem Phänomen aufgewachsen sei, sollte man sich laut dem Experten dort hineindenken und nicht von vorneherein ablehnen. Einfach ein Abschalten der sozialen Medien zu empfehlen, sei nicht zeitgemäß.
Zielführend seien eine gemeinsame Reflexion von Inhalten und deren Wirkung sowie eine Entwicklung von Medienkompetenz, zum Beispiel durch eine Psychoedukation zu den Möglichkeiten der Manipulation. Bestehe ein Leidensdruck seitens der Betroffenen, so könne man dazu übergehen, Inhalte zu selektieren, alternative Inhalte aufzuzeigen und die Nutzungszeit zu reduzieren, führte Fumi aus. Hinsichtlich der Prävention brachte der Experte eine Diversifikation von Attraktivität aufs Tableau. Auch das Verlassen des Echoraums, der Filterblase oder der Peergroup sei zu empfehlen, um zu sehen, welche Werte und Einstellungen es außerhalb davon gebe. Die wichtigste Form der Vorbeugung sei aber nach wie vor ein gesundes Selbstvertrauen.
Quelle:
Vortrag „Das Leben der anderen – Essstörungen und soziale Medien“ von Dipl.-Psych. Markus Fumi im Rahmen des Symposiums „Essstörungen“ beim Interdisziplinären Kongress für Suchtmedizin am 30. Juni 2023 in München
Literatur:
1 Feierabend S et al.: Studie „Jugend, Information, Medien (JIM)“ 2021 2 DAK-Studie „Mediensucht 2020“ 3 Feierabend S et al.: Studie „Jugend, Information, Medien (JIM)“ 2020; 4 Sidani JE et al.: The association between social media use and eating concerns among US young adults. J Acad Nutr Diet 2016; 116(9): 1465-72 5 Howard LM et al.: Is use of social networking sites associated with young women’s body dissatisfaction and disordered eating? A look at black-white racial differences. Body Image 2017; 23: 109-13 6 Smith AR et al.: Status update: maladaptive Facebook usage predicts increases in body dissatisfaction and bulimic symptoms. J Affect Disord 2013; 149(1-3): 235-40 7 Holland G, Tiggemann M: A systematic review of the impact of the use of social networking sites on body image and disordered eating outcomes. Body Image 2016; 17: 100-10 8 Turner PG, Lefevre CE: Instagram use is linked to increased symptoms of orthorexia nervosa. Eat Weight Disord 2017; 22(2): 277-84
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