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Brückensicherung zur Suizidprävention

Eine Initiative der ASFINAG und des Instituts für Suizidprävention Graz

<p class="article-intro">In Österreich sterben etwa 1300 Menschen jährlich durch Suizid, Männer sind dreimal häufiger betroffen als Frauen. „Sturz in die Tiefe“ ist nicht die am häufigsten angewandte Suizidmethode, rangierte aber 2015 gemeinsam mit Selbstvergiftungen an dritter Stelle nach Erhängen und Erschießen. Der Sprung von Brücken hat eine hohe Letalität und die emotionalen Traumata Dritter sind beträchtlich.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von j&auml;hrlich weltweit etwa 800 000 Todesf&auml;llen durch Suizid aus, Suizidversuche werden noch 20&ndash;30-fach h&ouml;her gesch&auml;tzt. In der Gruppe der 15- bis 29-J&auml;hrigen stellt Suizid die zweith&auml;ufigste Todesursache dar, wobei das Risiko f&uuml;r Suizid aber mit dem Alter steigt.<br /> Damit ist Suizid ein ernsthaftes gesundheitspolitisches Problem und vor allem: Jeder Suizid ist eine gro&szlig;e menschliche Trag&ouml;die und betrifft zugleich auch Freunde, Familien und Gemeinschaften mit lange andauernden Konsequenzen.<br /> Sturz in die Tiefe nimmt in &Ouml;sterreich einen Anteil von 10 % aller Suizidmethoden ein und entspricht damit auch dem weltweiten Schnitt. Ausnahmen hiervon stellen nur St&auml;dte mit sehr hohen Geb&auml;uden dar, wie New York, Hongkong oder Singapur.<br /> Viele Br&uuml;ckensuizide vollziehen sich in unmittelbarer N&auml;he zu psychiatrischen Kliniken oder zum Wohnort der Betroffenen. Aber auch die Besonderheit einzelner Br&uuml;cken infolge ihrer Lage oder Architektur f&uuml;hrt dazu, dass Menschen in suizidalen Krisen auch aus weiter entlegenen Orten anreisen.<br /> Die Golden Gate Bridge wurde zu einem Mythos, da seit ihrer Er&ouml;ffnung 1937 rund 1700 Suizide an dieser Br&uuml;cke vollzogen wurden. Der ungebrochene Br&uuml;ckensuizid- Tourismus f&uuml;hrte zu verschiedenen Sicherungsversuchen, wobei Notruftelefone und Hinweistafeln allein nicht die erhoffte deutliche Verbesserung der Situation brachten. &Uuml;ber Patrouillen der &bdquo;Bridgewatch Angels&ldquo; auf der Br&uuml;cke werden j&auml;hrlich zumindest 50&ndash;80 Personen vom Sprung abgehalten, und nur wenige von ihnen sterben sp&auml;ter durch Folgesuizide.<br /> Trotz hoher Kosten wurde letztlich 2017 die Entscheidung getroffen, Auffanggitter &uuml;ber die gesamte L&auml;nge zu installieren.</p> <h2>ASFINAG-Arbeitsgruppe &bdquo;Suizidpr&auml;vention an Autobahnen und Schnellstra&szlig;en&ldquo;</h2> <p>Als besonders hilfreich bei der Vorbereitung der Br&uuml;ckensicherung in &Ouml;sterreich erwiesen sich die Ergebnisse der von 1990 bis 2010 durchgef&uuml;hrten Schweizer Br&uuml;ckenstudien von Prof. Dr. Thomas Reisch et al. im Auftrag der ASTRA (Schweizer Bundesamt f&uuml;r Stra&szlig;en). &Auml;hnlich wie in &Ouml;sterreich ist Suizid durch Sturz in die Tiefe die vierth&auml;ufigste Suizidmethode in der Schweiz und macht 11 % aller Suizide aus, wobei ein Drittel aller Sprungsuizide durch Sturz von Br&uuml;cken erfolgt. An Hotspot-Br&uuml;cken werden &uuml;berzuf&auml;llig h&auml;ufig Suizide beobachtet, im Mittel mehr als f&uuml;nf innerhalb von zehn Jahren.<br /> Ziele der Br&uuml;ckenstudien waren die Erfassung der Br&uuml;ckensuizide in der Schweiz, ihr Bezug zur Medienberichterstattung, die Identifikation von Hotspots und bestehenden Sicherheitsma&szlig;nahmen, die m&ouml;gliche Verlagerung von Suizidhandlungen und vor allem datenbasierte Empfehlungen f&uuml;r suizidpr&auml;ventive Ma&szlig;nahmen.<br /> Die Ergebnisse der Schweizer Br&uuml;ckenstudien: Hohe Evidenz ergab sich f&uuml;r die Br&uuml;ckensicherung &uuml;ber bauliche Ma&szlig;nahmen wie Gel&auml;ndererh&ouml;hung, Sicherung von Br&uuml;ckenk&ouml;pfen und horizontale Netze.<br /> Als empfehlenswerte Sofortma&szlig;nahme f&uuml;r Hotspots wurden Schilder und Telefone eingesch&auml;tzt, diese sind allein aber unzureichend. Schulungen bei Polizei oder Taxiunternehmen erh&ouml;hen die Achtsamkeit von Patrouillen.<br /> Als Konsequenz definierte die ASTRA neue Baurichtlinien f&uuml;r Br&uuml;cken. Die Folgestudie von 2017 belegt, dass Sprungsuizide in der Schweiz mittlerweile r&uuml;ckl&auml;ufig sind, speziell bei kompletten baulichen Sicherungen. Sicherungen f&uuml;hren auch nicht automatisch zu einer Verlagerung von Suizidhandlungen.<br /> In &Ouml;sterreich erm&ouml;glichten ein klares Problembewusstsein aufseiten der ASFINAG (&Ouml;sterreichische Autobahnen- und Schnellstra&szlig;en-Finanzierungs-AG) und langj&auml;hrige Vorarbeit &uuml;ber engagierte B&uuml;rgermeister und Bezirkshauptleute sowie diverse Ebenen der Polizei Ende 2016 eine erste Arbeitsgruppe in Kooperation mit dem Institut f&uuml;r Suizidpr&auml;vention Graz.<br /> In einem ersten Arbeitsschritt wurden Hotspot-Br&uuml;cken in der Steiermark anhand einer Liste der Polizei identifiziert und konkrete Ma&szlig;nahmenvorschl&auml;ge f&uuml;r einzelne Br&uuml;ckenobjekte definiert. 2017 wurde mit der Umsetzung baulicher Ma&szlig;nahmen an steirischen Br&uuml;cken begonnen. Die Ausweitung auf andere Bundesl&auml;nder soll folgen.<br /> Als Sekund&auml;rma&szlig;nahme wurde vom Institut f&uuml;r Suizidpr&auml;vention Graz eine Hinweistafel gestaltet, um Menschen speziell in der Ambivalenzphase einer suizidalen Entwicklung f&uuml;r Hilfsm&ouml;glichkeiten zu sensibilisieren. Menschen, die bereits den suizidalen Sturz von einer Br&uuml;cke erwogen und sich letztlich doch f&uuml;r das Leben entschieden hatten, wurden in die textliche Gestaltung der Hinweistafel miteinbezogen.<br /> In Kooperation mit der Telefonseelsorge Steiermark wurde deren &ouml;sterreichweit g&uuml;ltige Kurzrufnummer f&uuml;r das Schild verwendet, um das Hilfesuchverhalten zu f&ouml;rdern.<br /> Zus&auml;tzlich wurde &uuml;ber die Arbeitsgruppe die &ouml;sterreichweite Erfassung von Suizidhotspots im Bereich von Autobahnbr&uuml;cken durch die Polizei angeregt, eine entsprechende Aufforderung kann allerdings nur &uuml;ber das Ministerium (BMI) erfolgen. Eine weitere Anregung betrifft die &ouml;sterreichweite Sicherung von Suizidhotspot- Br&uuml;cken (BMVIT), wobei auch die &Ouml;BB und Eisenbahnbr&uuml;cken mit einbezogen werden sollen.</p> <h2>Institut f&uuml;r Suizidpr&auml;vention Graz (<span style="color: #ff0000;">|</span>ifsg), fachlich und &ouml;sterreichweit breit aufgestellt</h2> <p>Das Institut f&uuml;r Suizidpr&auml;vention Graz ist ein gemeinn&uuml;tziger Verein, der 2017 in Graz gegr&uuml;ndet wurde und seine T&auml;tigkeit auf ganz &Ouml;sterreich erstreckt. Vernetzung auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sowie der Ausbau nationaler und internationaler Kooperationen sind verbindlich.<br /> Vorstand, wissenschaftlicher Beirat und Mitglieder setzen sich aus Personen zusammen, die entweder f&uuml;r verschiedene wesentliche Institutionen im Rahmen der Suizidpr&auml;vention stehen oder sich als Einzelpersonen seit vielen Jahren f&uuml;r Suizidpr&auml;vention einsetzen. Experten aus vielf&auml;ltigen Bereichen, Betroffene und Angeh&ouml;rige arbeiten eng zusammen. Diese Art Thinktank erm&ouml;glicht die Entwicklung neuer Strategien der Pr&auml;vention und Hilfe sowie kreativer Ideen zur Entstigmatisierung von Suizidalit&auml;t.<br /> Aktuell eingebundene Institutionen: &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Suizidpr&auml;vention, Karl Franzens Universit&auml;t/Institut f&uuml;r Psychologie, Medizinische Universit&auml;t Graz, Medizinische Universit&auml;t Wien, Steirische Akademie f&uuml;r Allgemeinmedizin, Steirischer Landesverband f&uuml;r Psychotherapie, Bundesverband &ouml;sterreichischer PsychologInnen, &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie (&Ouml;GAPP), Telefonseelsorge, Polizei, &Ouml;sterreichisches Rotes Kreuz, LKH Graz II: Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Alterspsychiatrie und -psychotherapie, Kriseninterventionszentrum Wien, Suchtpr&auml;vention Obersteiermark und Vorarlberg, Christian-Doppler- Klinik Salzburg, Plattform Trauer nach Suizid &Ouml;sterreich.<br /> Als Kompetenzzentrum im Bereich der Suizidpr&auml;vention sind die Hauptanliegen des <span style="color: #ff0000;">|</span>ifsg, durch Kooperation Wissen zusammenzuf&uuml;hren und L&ouml;sungen aufzuzeigen, zugleich auch die Behandlung, Betreuung und Versorgung von Menschen in psychischen Krisensituationen zu verbessern und damit einen unmittelbaren Beitrag zur Senkung der Suizidraten zu leisten. Vortr&auml;ge, Schulungen, Tagungen und Ver&ouml;ffentlichungen dienen diesem Ziel.<br /> Das |ifsg ist auch Teil des ExpertInnengremiums SUPRA, einer Koordinationsstelle an der Gesundheit &Ouml;sterreich GmbH, eingesetzt vom BMASGK, um in ganz &Ouml;sterreich Suizidpr&auml;vention nach hohen qualitativen Kriterien umzusetzen.<br /> Suizidpr&auml;vention kann nur gemeinsam gelingen &ndash; indem Politik, Gesellschaft und Wissenschaft diesem Thema hohe Priorit&auml;t beimessen.</p> <h2>Take-Home-Messages</h2> <p>Der erschwerte Zugang zu Suizidmitteln ist eine wichtige und effektive Ma&szlig;nahme der Suizidpr&auml;vention und einer von zehn Arbeitsschwerpunkten des nationalen &ouml;sterreichischen Suizidpr&auml;ventionsplans SUPRA &ndash; Suizidpr&auml;vention Austria. In Kombination gew&auml;hrleistet dies den Aufbau einer fl&auml;chendeckenden, nachhaltigen und qualitativ hochwertigen Suizidpr&auml;vention f&uuml;r &Ouml;sterreich (<a href="https://www.bmgf.gv.at/home/suizid" target="_blank">https://www.bmgf.gv.at/home/suizid</a>).<br /> Klare Evidenz gibt es f&uuml;r die Sicherung des Zugangs zu Hotspot-Br&uuml;cken, schw&auml;chere Evidenz f&uuml;r Strategien wie &Uuml;berwachungen, Hinweistafeln und Hilfstelefone (Cox et al., 2013).<br /> Hinweistafeln werden als &bdquo;bester erster Schritt&ldquo; bezeichnet f&uuml;r Orte, die Sorge bereiten. Obwohl allein unzureichend, k&ouml;nnen sie die Aufmerksamkeit f&uuml;r Hilfsangebote steigern (Englische Guidelines). Dauerhafte Aufmerksamkeit ben&ouml;tigt die Sensibilisierung der Medien zur Verhinderung von Nachahmungssuiziden im Sinne eines Werther-Effektes.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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