
«Die Einführung des Esketamin-Sprays ist ein Meilenstein»
Freiburger Netzwerk für Psychische Gesundheit<br> Universität Freiburg<br> E-Mail: <a href="gregor.hasler@unifr.ch">gregor.hasler@unifr.ch</a>
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In den letzten Jahren hat sich in der Diagnose und der Therapie der Depression viel getan. Neben bewährten Diagnosekriterien, gut verträglichen Antidepressiva und einer bahnbrechenden Entdeckung besteht aber auch noch grosser Handlungsbedarf, wenn es um die Versorgung der Patienten geht. Immer noch sprechen viele Patienten auf die herkömmlichen Therapien nicht an. Eine neue Entdeckung soll dies ändern.
Obwohl in regelmässigen Abständen neue Diagnose-Manuale wie ICD und DSM publiziert werden, ändern sich die Diagnosekriterien der Depression nicht. Dies weist darauf hin, dass die aktuellen Diagnosekriterien brauchbar sind und sich letztlich in der Klinik und in der klinischen Forschung bewähren. Im Bereich der Psychotherapie gibt es vielversprechende Resultate zu neuen Ansätzen in der Depressionsbehandlung. Dazu gehören «acceptance and commitment therapy» (ACT), positive Psychotherapie und Erwartungs-fokussierte Psychotherapie. Aus neurobiologischer Sicht ist es interessant, dass diese neuen Ansätze eher am Hirnbelohnungssystem ansetzen (positive Gefühle, Bedeutung, Zukunftsperspektiven) und weniger auf Belastungsfaktoren in der Vergangenheit fokussiert sind.
Eine breite Palette an Therapieoptionen
Bei den Antidepressiva haben wir seit ein paar Jahren Medikamente zur Verfügung, die sich durch wenig Nebenwirkungen und eine gute Akzeptanz auszeichnen wie Agomelatin und Vortioxetin. Dazu zähle ich auch die gut verträgliche Retardform von Trazodon. Diese drei Substanzen haben die typischen SSRI-Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, sexuelle Dysfunktion und Gewichtszunahme nicht. Dass in der Schweiz fast ausschliesslich SSRIs und Benzodiazepine bei Depressionen verschrieben werden, ist unverständlich und entspricht kaum der Präferenz aufgeklärter Patienten. Zunehmend wird die Wirkung von tief dosierten atypischen Antipsychotika als Augmentation bei Therapieresistenz untersucht. Die positiven Ergebnisse für Aripiprazol und Brexpiprazol sind wichtig, weil diese Substanzen relativ nebenwirkungsarm sind. Eine vorläufige Studie zeigt, dass Lurasidon bei Depressionen mit gemischten Symptomen wie Reizbarkeit antidepressiv wirkt.
Wir haben immer noch eine Grosszahl von Patienten, die auf herkömmliche Therapien nicht ansprechen. Circa ein Drittel der depressiven Patienten erfüllt die Kriterien für eine schwere Therapieresistenz, d.h., sie sprechen auf verschiedene Antidepressiva, Kombinationen, Augmentationen und Elektrostimulation nicht an.
Bahnbrechende Entdeckung
Die Einführung des intranasal zu verabreichenden Esketamin-Sprays bedeutet einen Meilenstein in der Depressionsbehandlung. Die Entdeckung, dass eine sehr tiefe, subanästhetische Dosis von Ketamin und Esketamin antidepressiv wirkt, ist bahnbrechend. Diese Substanzen wirken nicht auf die Monoamin-Neurotransmitter-Systeme, sondern auf das Glutamat-System. Glutamat-Rezeptoren sind entscheidend für die Neuroplastizität. Die rasche Wirkung dieser Substanzen spricht dafür, dass Glutamat eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Depression spielt. Erfreulich ist, dass diese neuen Medikamente bei Patientinnen und Patienten wirken, die ein hohes Risiko für Therapieresistenz haben, insbesondere bei vorliegendem Übergewicht, frühem Krankheitsbeginn, familiärer Belastung für Alkoholabhängigkeit oder erhöhtem Suizidrisiko.
Die starke positive Wirkung von Ketamin und Esketamin auf die Neuroplastizität sollten wir in Zukunft systematisch nutzen, z.B. mit einer gezielten Kombination mit Psychotherapie.
Der Erfolg von Ketamin und Esketamin zeigt, dass es möglich ist, neuartige Psychopharmaka für die Depressionsbehandlung zu entwickeln. Beide Substanzen sind verwandt mit Psychopharmaka, die man Psychedelika bezeichnet. Gemeinsam haben diese Substanzen, dass sie auf das Glutamat-System wirken, die Neuroplastizität fördern und vorübergehend das Bewusstsein verändern können. Dazu gehören Lysergsäurediethylamid (LSD), Psilocybin und 3,4-Methylendioxy-N-Methylam- phetamin (MDMA). Vorläufige Studien zeigen, dass eine vereinzelte Gabe dieser Substanzen einen anhaltenden antidepressiven Effekt haben kann. Set und Setting, d.h. die richtige Einstellung des Patienten bzw. der Patientin, und die Einbettung in einen geeigneten therapeutischen Kontext sind bei der Wirkung entscheidend. Die Substanzen sind keine Antidepressiva im herkömmlichen Sinn, sondern eher Verstärker des psychotherapeutischen Prozesses. Meine Hoffnung ist, dass die grossen, qualitativ hochstehenden placebokontrollierten Studien zur antidepressiven Wirkung von Psychedelika, die aktuell in den USA und in England durchgeführt werden, zu positiven Resultaten führen.
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