
Die Bedeutung von Sport für die psychische Gesundheit während der Covid-19-Pandemie
Präsident und Ressortleiter Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP<br> Leiter Sportpsychiatrie und -psychotherapie Klinik für Psychiatrie,Psychotherapie und Psychosomatik Psychiatrische Universitätsklinik Zürich und Privatklinik Wyss AG
Vorstandsmitglied und Kassier SGSPP<br> Ärztlicher Direktor und Vorsitzender der Klinikleitung, Privatklinik Wyss AG
Sport ist wichtig – für die physische Gesundheit ebenso wie für die psychische. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten ist es allerdings nicht einfach, sportlich aktiv zu bleiben. Die Aktivitäten anzupassen ist ein Aspekt, die notwendige Motivation aufzubringen oder beizubehalten ein ganz anderer.
Sport und körperliche Aktivität sind nicht nur für die körperliche Gesundheit inklusive metabolischer Parameter wichtig, sondern haben auch einen positiven Effekt für die psychische Gesundheit, indem körperliche Aktivität über die Lebensspanne hinweg präventiv vor verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen schützt1,2 und das psychische Wohlbefinden signifikant fördert.3,4 Im Moment steigt die Belastung vieler Menschen stark an: Finanzielle Sorgen, negative Zukunftsaussichten, fehlende soziale Kontakte, Isolation, Ängste vor einer Infektion etc. führen zu einer Zunahme von Stress,5, 6 was wiederum ein wesentlicher Risikofaktor für psychische Erkrankungen ist. Gerade körperliche Aktivität hätte wichtige stresspuffernde Effekte, was sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt.7
Einschränkungen im Sport durch die Pandemie
Durch die aktuell in den meisten westlichen Ländern ergriffenen Massnahmen wird die Möglichkeit zur körperlichen Betätigung nun teils massiv eingeschränkt. So ist eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich körperlich aktiv zu halten, nicht mehr zugänglich: Beispielsweise mussten Fitnesszentren sowie Hallenbäder schliessen und Vereinsaktivitäten sind untersagt. Für eine grosse Anzahl Menschen sind so die bisher praktizierten Sportarten nicht mehr möglich. Es ist zu befürchten, dass die aktuelle Pandemie mit SARS-CoV-2 auch die bereits bestehende «Pandemie» körperlicher Inaktivität weiter befeuern könnte,8 was wiederum in länger anhaltenden negativen Effekten auf die körperliche und psychische Gesundheit der Allgemeinbevölkerung resultieren könnte. Dies gilt ganz besonders für die Covid-19-Risikopopulation: Gerade für ältere Menschen ist es nachhaltig wichtig, auch in der aktuellen Situation körperlich aktiv zu bleiben, um nicht Mobilitätseinbussen in Kauf zu nehmen, was zu einem Teufelskreis führen könnte.
Fit bleiben ist auch zu Hause möglich
Es ist also für die psychische Gesundheit von grosser Bedeutung, dass die Bevölkerung darauf sensibilisiert wird, sich auch zu Zeiten der Pandemie weiterhin körperlich aktiv zu halten. Gerade zu dieser schwierigen Zeit kann dies sogar noch zusätzlich helfen, die negativen Effekte der Belastung auf die psychische Gesundheit möglichst zu reduzieren.
Wer sich weiterhin körperlich aktiv halten möchte, muss aber umdenken. Da es in der Schweiz weiterhin möglich ist, sich draussen alleine oder in ganz kleinen Gruppen zu bewegen, können Spazieren, Walken, Radfahren, Inline-Skaten und Joggen gute Alternativen sein, sich regelmässig zu bewegen. Auch zu Hause ist es gut möglich, sich fit zu halten. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, Training auf dem Hometrainer sowie weiteren Fitnessgeräten bieten sich nun an. Diverse Anbieter von Fitnessstudios, Yoga etc. haben angefangen, ihre Trainings über Videochat anzubieten. Auch im Internet findet man verschiedene Anleitungen dazu, sich zu Hause körperlich zu betätigen. Dies braucht allerdings eine Anpassung der Gewohnheiten, was in der Regel nicht ganz einfach ist. Es ist zu empfehlen, sich eine wöchentliche Routine anzueignen und diese auch einzuhalten. Kleine Belohnungen können helfen, sich motiviert zu halten. Auch ist es sinnvoll, sportliche Aktivitäten auszuwählen, die auch Spass machen, um so von den selbstverstärkenden Effekten zu profitieren.
Alle Ärzte sollten ihre Patienten zu Sport motivieren
Zusammenfassend empfiehlt es sich, auch – oder erst recht – während der aktuellen Pandemie die positiven Effekte von körperlicher Aktivität zu vermitteln und Patientinnen und Patienten dazu zu motivieren, körperlich aktiv zu bleiben. Für Menschen, welche aktuell nicht an die Arbeit können, wäre genau jetzt auch die Möglichkeit, damit anzufangen, sich sportlich zu betätigen. Eine gute Unterstützung durch Ärzte und weitere Therapeuten kann dabei helfen, Motivation aufzubauen sowie Barrieren zu identifizieren und zu überwinden.
Literatur:
1 Schuch FB et al.: Physical activity and incident depression: A meta-analysis of prospective cohort studies. Am J Psychiatry 2018; appiajp201817111194 2 Larson EB et al.: Exercise is associated with reduced risk for incident dementia among persons 65 years of age and older. Ann Intern Med 2006; 144(2): 73-81 3 Chekroud SR et al.: Association between physical exercise and mental health in 1.2 million individuals in the USA between 2011 and 2015: a cross-sectional study. Lancet Psychiatry 2018; 5(9): 739-46 4 Salguero A et al.: Physical activity, quality of life and symptoms of depression in community-dwelling and institutionalized older adults. Archives of Gerontology and Geriatrics 2011; 53: 152-7 5 Brooks SK et al.: The psychological impact of quarantine and how to reduce it: rapid review of the evidence. Lancet 2020; 395(10227): 912-20 6 Wang C et al.: Immediate psychological responses and associated factors during the initial stage of the 2019 Coronavirus Disease (COVID-19) epidemic among the general population in china. Int J Environ Res Public Health 2020; 17(5): 1729 7 Gerber M, Pühse U: Do exercise and fitness protect against stress-induced health complaints? A review of the literature. Scand J Public Health 2009; 37: 801-19 8 Hall G et al.: A tale of two pandemics: How will COVID-19 and global trends in physical inactivity and sedentary behavior affect one another? Prog Cardiovasc Dis 2020 S0033-0620(20)30077-3
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