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5. Fachtag Sucht

Das breite Spektrum der Süchte

<p class="article-intro">Nach einem Alkohol-Schwerpunkt 2017 standen beim diesjährigen Fachtag Sucht wieder unterschiedliche Suchtformen im Fokus. Neben vielen stoffgebundenen Formen wurden auch die verschiedenen Aspekte und neuen Herausforderungen der stoffungebundenen Süchte „Sportwetten“ und „Social Media“ diskutiert.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Facebook, Twitter, Snapchat, Instagram u.v.a. &ndash; ein Leben ohne Internet oder Social-Media-Dienste ist f&uuml;r viele kaum noch vorstellbar. Viele Jugendliche und alle zuk&uuml;nftigen Generationen haben ein solches Leben nie kennengelernt und die Onlinepr&auml;senz ist Teil ihrer Identit&auml;t. &bdquo;Die intensive Nutzung verschiedener sozialer Plattformen ist prinzipiell nicht problematisch und auch die Nutzungsdauer stellt kein Indiz f&uuml;r ein Suchtverhalten dar&ldquo;, erkl&auml;rte Prim. Dr. Roland Mader, Anton- Proksch-Institut, Wien. Die zunehmende Vernetzung im Internet bringe aber trotzdem Gefahren mit sich, die erst in den letzten Jahren deutlich geworden sind.</p> <p>So k&ouml;nnen beispielsweise bestehende psychische oder soziale Probleme durch eine problematische Mediennutzung verst&auml;rkt werden. Auch &bdquo;Cybermobbing&ldquo; &ndash; die Bedrohung oder Beleidigung &uuml;ber das Internet &ndash; ist ein ernst zu nehmendes Problem an vielen Schulen. &bdquo;Konnte sich fr&uuml;her der in der Schule Gemobbte zu Hause an einen sicheren Ort zur&uuml;ckziehen, ist dies heutzutage nicht mehr m&ouml;glich. Das Mobiltelefon ist ein st&auml;ndiger Begleiter und Mobbing macht keine Pause mehr&ldquo;, gab Mader zu bedenken. Doch birgt auch das Leben mit ausschlie&szlig;lich positiven Social-Media- Kontakten nicht zu untersch&auml;tzende Gefahren. Die intensive Nutzung von (mehreren) Diensten f&uuml;hrt zu stetig steigendem Stress und sinkendem Wohlbefinden: Schlafmangel, verminderte Schlafqualit&auml;t, Bewegungsmangel und Haltungssch&auml;den wirken sich auf lange Sicht negativ auf die Gesundheit aus. Um dem entgegenzuwirken hat Mader Tipps zum bewussteren Umgang mit dem Internet und den sozialen Medien zusammengestellt (siehe Kasten).</p> <p>&bdquo;Die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Social-Media- Bereich werden nicht aufzuhalten sein. Eine konsequente Internetabstinenz ist in unserer Gesellschaft kaum noch m&ouml;glich. Es wird daher umso wichtiger sein, die Gesellschaft und vor allem die Jugendlichen f&uuml;r diese Problematiken zu sensibilisieren und die Gefahren bewusst zu machen&ldquo;, res&uuml;mierte Mader.</p> <h2>Risikofaktoren bei &bdquo;Sportwettern&ldquo;</h2> <p>Eng verbunden mit der Ausbreitung des Internets und der sozialen Medien sind Sportwetten. Sie erwirtschaften rund 1,5 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr in &Ouml;sterreich. Gerade in den letzten Monaten ist die Pr&auml;senz des Themas &bdquo;Sportwetten&ldquo; in den Medien stark gestiegen. &bdquo;Sportwetten wurden in letzter Zeit besonders aktuell. Zum einen nat&uuml;rlich wegen der bevorstehenden Fu&szlig;ball- Weltmeisterschaft, zum anderen weil 2017 das Wiener Wettengesetz in Kraft trat und 2018 nochmals &uuml;berarbeitet wurde&ldquo;, erkl&auml;rte MMag. Dr. Aron Kampusch, Psychotherapeut und Klinischer Psychologe in Wien. &bdquo;Nat&uuml;rlich sind sowohl das Sportwettengesetz als auch das Gl&uuml;cksspielgesetz wichtig. Es ist allerdings zu kritisieren, dass beide den Aspekt des Internets komplett au&szlig;er Acht lassen und auch auf die Interaktion zwischen den Organisationen und den Spielern nicht eingegangen wird. Diese Punkte m&uuml;ssten noch gel&ouml;st werden.&ldquo;</p> <p>Weit komplexer gestaltet als simple Gl&uuml;cksspiele haben Sportwetten ihren Platz in den Unterhaltungsmedien gefunden und werden dort von umfangreichen Marketingma&szlig;nahmen gest&uuml;tzt. Es existieren weit &uuml;ber 100 M&ouml;glichkeiten, Sportwetten zu platzieren, und umfangreiche Ma&szlig;nahmen, Bonussysteme und scheinbar kostenlose Wettabgaben bewirken, dass die Spieler nach einigen wenigen Eins&auml;tzen dauerhaft gehalten werden. Hing et al. untersuchten die Risikofaktoren bei &bdquo;Sportwettern&ldquo;.<sup>1</sup> Zu den allgemeinen demografischen Risikofaktoren z&auml;hlen: m&auml;nnliches Geschlecht, Altersgruppe 18&ndash;34 Jahre, alleinstehend, guter Ausbildungsstand, Vollzeitbesch&auml;ftigung (angestellt oder Student). Demografische Risikofaktoren ermittelt anhand des Problem Gambling Severity Index (PGSI) identifizierten dar&uuml;ber hinaus ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r</p> <ul> <li>niemals Verheiratete (im Vergleich zu Geschiedenen oder aktuell Verheirateten)</li> <li>Alleinstehende (im Vergleich zu in Partnerschaft Lebenden oder Paaren mit Kindern)</li> <li>Paare mit Kindern (im Vergleich zu kinderlosen Paaren)</li> <li>Angestellte (im Vergleich zu Selbstst&auml;ndigen oder Pensionisten)</li> </ul> <p>Das Risiko stieg mit dem Bildungsstand; das Haushaltseinkommen hingegen war kein Risikomarker.</p> <h2>Koffein: Genussmittel mit Suchtpotenzial</h2> <p>Ob eine Erkrankung &bdquo;Koffeinabh&auml;ngigkeit&ldquo; existiert, wird kontrovers diskutiert. &bdquo;58 Prozent des Gesundheitspersonals meinen, dass es so etwas wie Koffeinabh&auml;ngigkeit gibt, deutlich weniger sehen Koffeinabh&auml;ngigkeit jedoch als Krankheit an, die einer Behandlung bedarf&ldquo;, erkl&auml;rte Univ.- Lektor Dr. Wolfgang Beiglb&ouml;ck, Anton- Proksch-Institut, Wien. Auch ICD-10 und DSM-5 sind in diesem Punkt unterschiedlicher Auffassung. W&auml;hrend bei der Koffeinabh&auml;ngigkeit mit den im ICD-10 angef&uuml;hrten Diagnosekriterien (Craving, Kontrollverlust, Entzugserscheinungen, Toleranzentwicklung, Einengung des Denkens auf Koffein und anhaltender Konsum trotz Folgesch&auml;den f&uuml;r den Konsumenten) 5 von 6 diagnostiziert werden k&ouml;nnen, ist eine Diagnose nach den umfassenderen Kriterien des DSM-5 nur eingeschr&auml;nkt m&ouml;glich.</p> <p>Gerade in Verbindung mit anderen Suchterkrankungen kann ein &uuml;berm&auml;&szlig;iger Koffeinkonsum problematisch sein. Suchtkranke konsumieren deutlich mehr Koffein als andere psychiatrische Patienten. Bei Alkoholkranken liegt der Konsum bei 390mg pro Tag &ndash; im Vergleich zu 240mg in der Gesamtpopulation psychisch Kranker. Koffein f&uuml;hrt zum einen zu einem erh&ouml;hten Alkoholkonsum, zum anderen auch zu einer erh&ouml;hten Alkoholtoleranz. &Auml;hnlich wird auch Nikotin vermehrt konsumiert, wenn gleichzeitig Koffein aufgenommen wird &ndash; Koffein wiederum gilt als einer der Ausl&ouml;ser eines Rezidivs. Ebenso liegen Daten zur Wechselwirkung mit Kokain und Amphetaminen vor. Koffein verst&auml;rkt in dieser Situation das Craving und gilt als potenzieller Ausl&ouml;ser eines Rezidivs. &bdquo;Aus der Suchtbehandlung ist bekannt, dass w&auml;hrend einer Entzugsbehandlung eine Suchtverschiebung auftritt auf Koffein. Dies bringt Wechselwirkungen mit Medikamenten mit sich, das Auftreten von Angsterkrankungen. Daher ist es empfehlenswert, in der Suchtbehandlung immer auch den Koffeinkonsum im Auge zu behalten und gegebenenfalls einzuschr&auml;nken&ldquo;, so Beiglb&ouml;ck.</p> <p>Entzugserscheinungen nach der Einschr&auml;nkung &uuml;berm&auml;&szlig;igen Koffeinkonsums sind gut belegt. Sie treten in Einzelf&auml;llen bereits ab einem Konsum von 100mg pro Tag auf, erreichen ihren H&ouml;hepunkt nach fr&uuml;hestens 20&ndash;52 Stunden, k&ouml;nnen bis zu 9 Tage andauern und reichen von Kopfschmerzen und Konzentrationsst&ouml;rungen bis hin zu grippe&auml;hnlichen Symptomen und depressiver Verstimmung. Auch wenn das pl&ouml;tzliche Absetzen von koffeinhaltigen Produkten im Gegensatz zu anderen Drogen nicht zu l&auml;ngeren Gesundheitsbeeintr&auml;chtigungen f&uuml;hrt, lassen die teilweise ausgepr&auml;gten Entzugserscheinungen die meisten Entzugswilligen rasch zum alten Konsummuster zur&uuml;ckkehren. Beiglb&ouml;ck empfiehlt daher eine abgestufte Vorgangsweise und ein langsames Ausschleichen der Koffeinmenge.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Fachtag Sucht, 7. April 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hing N et al.: Risk factors for gambling problems: an analaysis by gender. J Gambl Stud 2016; 32: 511-34</p> </div> </p>
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