
Chancen und Risiken der Online-Traumatherapie
Autorin:
Dr. med. Suzanne von Blumenthal
Institut für Logosynthese® Schweiz
Bad Ragaz
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Logosynthese® ist ein psychotherapeutisches Konzept, das in der Traumabehandlung erfolgreich eingesetzt wird. Das Verständnis der neuro- und naturwissenschaftlichen Basis der Erlebnisverarbeitung im Gehirn ermöglicht das Lösen von Blockaden durch Worte. Auch im internetbasierten Setting kann dieses Therapieverfahren patientennahe eingesetzt werden.
Keypoints
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Während der Pandemie mussten adäquate Lösungen für ambulante Behandlungen und Psychotherapie gefunden werden.
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Internetbasierte Therapieoptionen haben sich seither als praktikabel erwiesen.
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Auch Logosynthese® zur Bewältigung von Traumata wurde während der Pandemie im Online-Setting getestet.
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In der Logosynthese® wird der Auslöser einer traumatischen Erfahrung analysiert und durch das wiederholte Aussprechen von definierten Sätzen bearbeitet.
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Die Reaktion auf den Auslöser wird im Verlauf der Therapie abgeschwächt und schliesslich neutralisiert.
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Es zeigte sich, dass Logosynthese® als Online-Therapie und Therapiesitzungen vor Ort in der Praxis gleichwertig sind.
Mit den einschränkenden Massnahmen der Pandemie mussten wir neue Lösungen für die ambulante Behandlung und Psychotherapie finden. Oft waren die Kliniken überlastet resp. die Patienten mussten frühzeitig entlassen werden. So war es unabdingbar, die ambulante Therapie fortzusetzen. Neben dem Telefon stehen dafür neue Medien zur Verfügung, nämlich Videokonferenzen. Bedingung dafür ist ein Gerät wie PC, Laptop, Tablet oder Smartphone mit einer adäquaten Internetverbindung. Der Vorteil ist, dass ein direkter visueller Kontakt zusätzlich zur auditiven Ebene besteht. So ist der Eindruck des Therapeuten vom Patienten und umgekehrt ähnlich wie vor Ort in der Praxis. Inzwischen sind die Programme auch bezüglich Datenschutz verbessert worden.
In meiner Praxis habe ich bereits im März 2020 auf diese internetbasierte Lösung umgestellt, da die Patienten weiterhin auf eine sichere therapeutische Begleitung angewiesen waren. Seither habe ich diese Methode regelmässig in der Psychotherapie bei verschiedenen Störungsbildern angewendet. Seit 10 Jahren verwende ich bei der Behandlung von Trauma eine neuartige Methode, nämlich die Logosynthese®. Sie eignet sich speziell gut für tiefgreifende Interventionen, da sie auf einer analytischen Kurzintervention basiert.
Fragestellungen
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Ist Psychotherapie, im Speziellen Logosynthese®, über die Anwendung per Videokonferenz wirksam?
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Wie lange sind Sitzungen möglich?
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Wie reagiert der Patient auf die Interventionen?
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Welche Herausforderungen bestehen während der Sitzung?
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Wie gross ist die Patientenzufriedenheit?
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Wie nachhaltig sind die erreichten Fortschritte?
Methode
Die Logosynthese® ist ein neues psychotherapeutisches Verfahren, das Elemente aus der Transaktionsanalyse, der Hypnotherapie, dem neurolinguistischen Programmieren und der Gestalttherapie umfasst. Sie verbindet neurowissenschaftliche und naturwissenschaftliche Kenntnisse, indem sie vom Grundsatz ausgeht, dass alles Energie ist. Die Informationsverarbeitung von Sinneseindrücken erfolgt im Normalfall im Gehirn wie folgt: Erfahrungen und Erlebnissen von Personen, Situationen, Orten in der Aussenwelt werden über die fünf Sinnesorgane in den Thalamus übermittelt: sehen, hören, fühlen (kinästhetisch), schmecken und riechen. Im Thalamus werden sie zunächst an die Amygdala weitergeleitet zur Bewertung hinsichtlich Bedrohung oder Attraktivität und dann im Hippocampus zusammen mit den entsprechenden Emotionen abgespeichert. Dann erst folgt die Einordnung im Frontalhirn aufgrund der bisherigen Erfahrungen und Muster.
Bei einem traumatischem Ereignis wird die Verarbeitung von der Amygdala zum Frontalhirn unterbrochen. Es bleibt nur die aktuelle Situation (Auslöser) zusammen mit den dazugehörenden Emotionen (Reaktionen) zugänglich, und zwar im Hippocampus. Bei Wiedererleben einer gleichen oder ähnlichen Situation wird nur dieses abgespeicherte Konstrukt (Bild, Stimme, Körpergefühl, Geschmack oder Geruch) reaktiviert, mit den dazugehörenden Emotionen (Flashback). In der Logosynthese® wird der Auslöser einer solchen traumatischen Erfahrung analysiert resp. herausgearbeitet als eine Vorstellung von einer Person, Situation oder einem Ort. Dieser Auslöser wird nun mit drei bestimmten Sätzen bearbeitet und die Energieblockade aufgelöst. Mittels des Logosynthese®-Basisprozederes (Abb. 1) werden emotionale, körperliche und kognitive Reaktionen aktiviert und auf den entsprechenden Auslöser fokussiert. Wenn der Auslöser aktiviert ist, wird durch Aussprechen von drei Sätzen (siehe unten) der Auslöser im limbischen System verarbeitet und neutralisiert. Die Reaktionen sind abgeschwächt resp. verschwinden ganz. Das traumatische Erlebnis bleibt als neutrale Erinnerung zurück und belastet den Patienten nicht mehr. Diese Intervention dauert nur wenige Minuten und kann, wenn die Belastung noch nicht genügend reduziert ist, wiederholt werden.
Anwendung der Logosynthese®: Die alten Reaktionen werden durch Aussprechen von diesen Worten neutralisiert:
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Satz: Ich nehme alle meine Energie, die gebunden ist, im «Auslöser X» an den richtigen Ort in mir selbst zurück.
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Ich entferne alle Fremdenergie in Zusammenhang mit «X» aus allen meinen Zellen, aus meinem Körper und aus meinem persönlichen Raum und schicke sie dorthin, wo sie hingehört.
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Ich nehme alle meine Energie, die gebunden ist in allen meinen Reaktionen auf «X», an den richtigen Ort in mir selbst zurück.
Fallbeispiel
Seit 2012 ist eine 49-jährige Frau, Akademikerin, berufstätig, alleinstehend, in psychiatrischer Behandlung, zunächst wegen bipolarer Störung, behandelt damals mit Agomelatin und Lamotrigin. Im März 2017 wechselte sie in meine Sprechstunde. Neue Diagnose: rezidivierende Depression mit komplexer Angststörung und posttraumatische Belastungsstörung (frühkindliches Trauma). Zu Beginn stand die Bearbeitung der Angstsituationen bei sportlichen Aktivitäten (Klettern, Windsurfen) im Zentrum. Ausserdem wurden schwierige frühkindliche Erlebnisse im familiären Umfeld bearbeitet. Diese Therapiesitzungen fanden auch online statt. Alle diese Themen wurden mittels Logosynthese® bearbeitet und die Belastung wurde deutlich reduziert. Dies zeigte sich daran, dass die Frau wieder ihren sportlichen Aktivitäten nachgehen konnte. Nach einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 12 Monaten konnte sie dank Reduktion der Depression und der Ängste wieder ihrer früheren Tätigkeit nachgehen, eine andauernde Arbeitsunfähigkeit konnte verhindert werden. In beruflichen Umfeld wurde eine spezifische Situation bearbeitet, die wieder alte schmerzliche Erfahrungen reaktivierte. Es ging um eine Präsentation vor der Geschäftsleitung. Wenn sie nur daran dachte, dass am nächsten Tag diese Präsentation anstand, reagierte ihr ganzer Körper mit vegetativen Beschwerden (Herzklopfen, Druck auf der Brust, Magenkrämpfe, weiche Beine) und grosser Angst. Sie fühlte sich an eine frühere Situation erinnert, als sie einen «Nervenzusammenbruch» erlitten hatte. Die Klärung zeigte den Auslöser der Situation: dass sie als Nächste drankommen und versagen würde, was mit grossen Scham- und Schuldgefühlen behaftet war. Der Auslöser war eine Stimme, die sagte: Jetzt komme ich dran. Sie hörte die Stimme von rechts oben. Die Belastung mit körperlichen Reaktionen und Angst lag bei 10 auf einer subjektiven Belastungsskala von 0 bis 10. Ich gab ihr die Sätze einzeln vor, mit dem Auslöser «die Stimme, die sagt, jetzt komme ich dran». Die Belastung reduzierte sich sofort – innert Minuten – auf 6. Danach tauchte die Überzeugung auf: «Ich bin unfähig.» Auch dieser «Glaubenssatz» wurde mit den 3 Logosynthese®-Sätzen bearbeitet. Die Belastung ging auf unter 2 zurück. Die Intervention dauerte wiederum nur wenige Minuten. Am Schluss der Sitzung war die Patientin entspannt und müde. Die Präsentation am nächsten Tag verlief ohne Probleme, es traten keine Ängste oder andere Reaktionen auf. Diese Situation war neutralisiert und nicht mehr bedrohlich.
Ergebnisse
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Die psychotherapeutischen Interventionen sind mit der Sitzung vor Ort vergleichbar, z.B. die Anwendung der Logosynthese®-Sätze mit dem Vorsagen und Nachsprechen.
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Die Wirkpause nach den Logosynthese®-Sätzen kann über den Bildschirm genau verfolgt werden.
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Die Tiefe der Verarbeitung ist gleich ausgeprägt wie vor Ort in der Praxis. Bedingung ist, dass der Patient ungestört ist, z.B. in einem separaten Raum sitzt.
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Die Bearbeitung von traumatischen Erfahrungen ist mit der Logosynthese® als Kurzinterventionsmethode gleich effizient wie vor Ort in der Praxis.
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Die Zufriedenheit der Patienten ist sehr gross.
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Die Therapiefortschritte sind klar sichtbar.
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Die Sitzungsdauer kann ähnlich flexibel gestaltet werden.
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Zusätzliche Vorbereitung der Sitzung ist notwendig: Erstellen und Versenden des Anmeldelinks für die Videokonferenz. Wichtig ist eine stabile Internetverbindung auf beiden Seiten. Die heutigen Tools (Zoom, Teams etc.) sind auf einem guten Sicherheitsstandard und einfach zu bedienen. Die Sitzungen können technisch einfach aufgenommen werden.
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Vorteil für den Patienten: Fahrzeit und Fahrweg entfallen (Vorteil bei langen Anfahrtszeiten), er kann von zu Hause aus, von einem sicheren Ort aus, die Therapie besuchen.
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Nachteil für den Patienten: Er kann leichter gestört werden, wenn er keinen ruhigen Raum hat. Bei geringer Konzentrationsfähigkeit oder verminderter Aufmerksamkeit ist die Fokussierung auf das Thema schwieriger.
Schlussfolgerungen
Nach den bisherigen Erfahrungen kann festgestellt werden, dass psychotherapeutische Begleitungen und Interventionen via Internet und Behandlungen vor Ort im Praxisraum gleichwertig sind. Nachteil sind die technischen Bedingungen (Internet und Empfangsgeräte). Zudem muss der Ort der Intervention zu Hause beim Patienten einigermassen ungestört sein.
Vorteile sind ökologische und ökonomische Aspekte, vor allem bei langen Anfahrtszeiten, schwierigen Strassenverhältnissen (Gebirgskanton) oder einschränkenden Bedingungen wie bei der Pandemie. Patienten mit komplexen Angststörungen (Panikattacken bei der Fahrt auf der Strasse oder im Zug) können einfach und nachhaltig zu Hause behandelt werden, ohne dass sie sich der belastenden Fahrt aussetzen müssen. Die psychotherapeutische Grundversorgung des Patienten kann damit rasch, unkompliziert und mit wenig Aufwand geleistet werden.
Diese positive Wirkung der Telepsychotherapie wurde auch in Studien während der Covid-Epidemie bestätigt (Claudia Höfer et al., 2021). Am besten schneidenjene Techniken ab, die sich auf das sprachliche Erleben beziehen. Dazu zählt, Begriffe assoziativ zu finden, als persönlich bedeutsam zu erfassen und verstehend einzuordnen und auch sprachlich adäquates und differenziertes Erleben im inneren Dialog respektive mit anderen Personen situationsgerecht zu nutzen. Am zweitbesten wirkt szenisches Erleben, gemeint ist das in der therapeutischen Situation aktiv imaginierte Entwickeln und Erfahren von Sequenzen mit sich und wichtigen anderen sowie die Aktivierung lebensgeschichtlicher Sequenzen als «Szenen» der Erinnerung. Am häufigsten wird hier die psychotherapeutische Arbeit mit Imaginationen genannt. Als am drittwirksamsten erwähnt wird die Technik, die das generelle Selbsterleben betrifft, nämlich eine ganzheitliche Selbsterfassung in ihrer leiblichen, psychischen und sozialen Situation und der speziellen, als Mentalisierungsfähigkeit bezeichneten Fähigkeit, mit sich und anderen gefühlshaft-selbstreflektierend verbunden und handelnd zu sein. Auch werden, wenn auch selten, Techniken eingesetzt, die sich auf das Körpererleben der Patienten beziehen.
Gerade in der Logosynthese® werden die oben beschriebenen Techniken eingesetzt, weshalb sich die Logosynthese® besonders gut für die Telepsychotherapie eignet. Weitere Studien zu diesem Thema wären wünschenswert.
Literatur:
bei der Verfasserin