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Alkohol und Schizophrenie: Doppeldiagnose als therapeutische Herausforderung

<p class="article-intro">Patienten mit psychiatrischen Komorbiditäten, insbesondere solche mit schizophrener Erkrankung, im suchtspezifischen Versorgungskontext wahrzunehmen, stellt eine große Herausforderung dar. Psychiatrische Abteilungen fokussieren in erster Linie auf das Management der Akutepisode, kognitive Störungen, die Medikamentenauswahl, Adhärenz und soziale Probleme. Schizophrene Patienten leiden häufig an Komorbiditäten, bei denen Alkohol oft eine große Rolle spielt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Patienten mit Alkoholabh&auml;ngigkeit sind fr&uuml;her krank und sterben fr&uuml;her. In Bezug auf das Risiko einer Alkoholkrankheit haben WHO (2000) und EMA (2010) gemeinsame Grenzwerte festgelegt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Neuro_1604_Weblinks_Seite48.jpg" alt="" width="344" height="320" /></p> <h2>Alkohol und psychotische Erkrankung</h2> <p>Das Versorgungssystem f&uuml;r alkoholabh&auml;ngige Patienten besteht aus einer Trias aus Fachkliniken f&uuml;r die Alkoholentw&ouml;hnungsbehandlung, Fachberatungsstellen und Selbsthilfegruppen und ist grunds&auml;tzlich auch f&uuml;r Schizophreniepatienten geeignet.<br /> Die Daten aus der ECA(&bdquo;Epide&shy;mio&shy;logical Catchment Area&ldquo;)-Studie, einer populationsbasierten Untersuchung aus den USA (n=20.291), offenbaren die Pr&auml;valenz von Substanzmissbrauch bei Patienten mit Schizophrenie: 47 % der Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Spektrum erf&uuml;llten die diagnostischen Kriterien f&uuml;r Substanzmissbrauch, das ist eine 4,6-fach erh&ouml;hte Pr&auml;valenz f&uuml;r Substanzmissbrauch verglichen mit der allgemeinen Bev&ouml;lkerung.<sup>1</sup> &bdquo;Obwohl die Pr&auml;valenzraten je nach Fokus der Befragung ganz unterschiedlich sind, kann man davon ausgehen, dass ein hoher Prozentsatz schizophrener Patienten Alkohol oder andere Substanzen konsumiert&ldquo;, erkl&auml;rt Prim. Dr. Christa Rado&scaron;, Abteilung f&uuml;r Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, LKH Villach.<br /> In einer finnischen Registerstudie wurden Patienten mit der Erstdiagnose einer substanzinduzierten Psychose, die auch die Diagnose Schizophrenie erhalten hatten, in einem Zeitraum von acht Jahren beobachtet. Es zeigte sich, dass eine Cannabis-induzierte Psychose, verglichen mit Alkohol, in viel h&ouml;herem Ausma&szlig; ein Indikator f&uuml;r die Entwicklung einer schizophrenen Krankheit sein kann.<sup>2</sup></p> <div id="rot"> <p>&bdquo;Obwohl die Pr&auml;valenzraten je nach Fokus der Befragung ganz unterschiedlich sind, kann man davon ausgehen, dass ein hoher Prozentsatz schizophrener Patienten Alkohol oder andere Substanzen konsumiert.&ldquo; - C. Rado&scaron;, Villach</p> </div> <h2>Alkoholhalluzinose</h2> <p>Wenige Daten gibt es zur H&auml;ufigkeit einer Alkoholhalluzinose. Soyka spricht von einer station&auml;ren Behandlungspr&auml;valenz von 0,7 % .<sup>3</sup> Merkmale einer Alkoholhalluzinose sind ein klares Bewusstsein (im Gegensatz zum Delir) und keine ausgepr&auml;gte vegetative Entzugssymptomatik. Typisch sind au&szlig;erdem akustische, selten optische Halluzinationen. Wahnideen sind m&ouml;glich, klingen aber relativ rasch wieder ab. Daneben dominieren Angst und Agitation bis hin zu massiven psychomotorischen St&ouml;rungen.<br /> Differenzialdiagnostisch ist eine psychotische Erkrankung auszuschlie&szlig;en, in der Klinik wird die Alkoholhalluzinose meist mit dem Delir verwechselt.<br /> Das deutsche statistische Bundesamt hat 2005 psychotische Symptome im Rahmen des Alkoholentzugs erfasst: Von allen station&auml;ren Patienten eines ganzen Jahres (n=299.428) mit einer F10-Entlassungsdiagnose (psychische St&ouml;rungen und Verhaltensst&ouml;rungen durch Alkohol) hatten 4,8 % (n=14.556) ein Entzugsdelir und 0,6 % (n=1.915) eine Alkoholhalluzinose.<sup>4</sup></p> <h2>Herausforderung Doppeldiagnose</h2> <p>Eine gro&szlig;e therapeutische Herausforderung stellt die Doppeldiagnose Schizophrenie/Alkoholabh&auml;ngigkeit dar. Kommunikationsschwierigkeiten und kognitive Defizite sind bei Schizophreniepatienten oft sehr ausgepr&auml;gt, sodass man den &uuml;blichen Ansatz f&uuml;r Patienten mit Substanzmissbrauch nicht gut umsetzen kann. Es gibt nur wenige Daten aus pharmakotherapeutischen Studien zu dieser Pa&shy;tientengruppe, da ihre Krankheit ein Ausschlusskriterium f&uuml;r die meisten Studien darstellt. Die psychiatrische Klinik fokussiert meist auf die Stabilisierung der schizophrenen Symptomatik. Die Programme suchtspezifischer Einrichtungen stellen f&uuml;r Schizophreniepatienten oft eine &Uuml;berforderung dar bzw. greifen zu kurz.<br /> Bez&uuml;glich der Pharmakotherapie bei Schizophrenie und komorbider Substanzst&ouml;rung scheinen, so wie bei anderen Patienten auch, die Antipsychotika der zweiten Generation (SGA) &uuml;berlegen zu sein. Sie sind Mittel der Wahl &ndash; mit oder ohne Komorbidit&auml;t. &bdquo;Es gibt Hinweise, dass die SGA hinsichtlich der Reduktion des Alkoholkonsums und/oder des Cravings gegen&uuml;ber konventionellen Antipsychotika &uuml;berlegen sind, jedoch besteht geringe Evidenz aufgrund geringer Fallzahlen&ldquo;, sagt Rado&scaron;. Anti-Craving-Substanzen wie Naltrexon zeigen eine vergleichbare positive Wirkung auf den Alkoholkonsum wie bei Patienten ohne Schizophrenie.<sup>5</sup> <br /> In der Praxis ist bei komorbiden Diagnosen die Orientierung an den Folgesch&auml;den sinnvoll, der Fokus sollte auf Trinkmenge und Trinkmuster sowie allgemein auf der Lebensstilberatung liegen. Bei der Therapie von Entzugssymptomen sind &ndash; aufgrund der guten Steuerbarkeit und Antagonisierbarkeit sowie geringer pharmakologischer Wechselwirkungen &ndash; Benzodiazepine die Mittel der Wahl. &bdquo;Betreuuungskontinuit&auml;t wird vor allem durch ein integratives Behandlungskonzept sichergestellt, bei dem in einem Setting durch ein konstantes Therapeutenteam angemessene Interventionen f&uuml;r beide St&ouml;rungen angeboten werden&ldquo;, so Rado&scaron;.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Regier et al: JAMA 1990; 264: 2511-18 <br /><strong>2</strong> Niemi-Pyntt&auml;ri JA: J Clin Psychiatry 2013; 74(1): e94-e99 <br /><strong>3</strong> Soyka M: Eur J Intern Med 2008; 19: 561-67 <br /><strong>4</strong> <a href="http://www.gbe-bund.de" target="_blank">www.gbe-bund.de</a> <br /><strong>5</strong> Petrakis et al: Psychopharmacology 2004; 172: 291-97</p> </div> </p>
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