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ADHS-Medikation reduziert Verletzungsrisiko
Jatros
30
Min. Lesezeit
06.09.2018
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<p class="article-intro">ADHS ist die am häufigsten diagnostizierte neurobiologische Entwicklungsstörung. Die weltweite Prävalenz wird auf 5 % der schulpflichtigen Kinder geschätzt.<sup>1</sup> Die mit ADHS verbundenen Hauptsymptome und Komorbiditäten bergen eine immense Last für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft. Einer der Faktoren, die dazu beitragen, ist die Assoziation mit einem erhöhten Risiko für unbeabsichtigte Verletzungen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Ein internationales Forscherteam untersuchte in einem systematischen Review bzw. einer Metaanalyse publizierte und unpublizierte Daten zu diesem Thema. Es wurde darin zum einen der Zusammenhang zwischen ADHS und dem Risiko für unbeabsichtigte körperliche Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen („Risikoanalyse“) quantifiziert und zum anderen die Wirkung von ADHS-Medikamenten auf dieses Risiko beurteilt („Medikamentenanalyse“).<sup>2</sup><br /> Für die Risikoanalyse wurden Studien über geschlechtskontrollierte Odds-Ratios (OR) oder Hazard-Ratios (HR) kombiniert, die den Zusammenhang zwischen ADHS und Verletzungen einschätzen. Die zusammengefassten OR (28 Studien, 4 055 620 Personen ohne und 350 938 mit ADHS) und HR (4 Studien, 901 891 Personen ohne und 20 363 mit ADHS) lagen bei 1,53 (95 % CI: 1,40– 1,67) beziehungsweise 1,39 (95 % CI: 1,06–1,83).<br /><br /> Für die Medikationsanalyse wurden Metaanalysen von Studien durchgeführt, bei denen die Verzerrung durch Indikation vermieden wurde (vier Studien mit einer selbstkontrollierten Methode und einer anderen Methode, um das Risiko über Zeit und Gruppen zu vergleichen [Differenz-von-Differenzen-Methode]). Die gepoolte Effektgröße betrug 0,879 (95 % CI: 0,838–0,922) (13 254 Personen mit ADHS).<br /><br /> Diese Studie liefert metaanalytische Evidenz, dass ADHS bei Kindern und Jugendlichen signifikant mit einem erhöhten Risiko für unbeabsichtigte Verletzungen assoziiert ist. Zudem wurde durch selbstkontrollierte Studien gezeigt, dass ADHS-Medikamente zumindest kurzfristig eine schützende Wirkung haben. Die Autoren bewerten diese Ergebnisse als klinisch und gesundheitsökonomisch höchst relevant.<br /><br /> Sie betonen unter anderem, dass die Erkenntnisse wichtig seien, um eine Risiko-Nutzen-Abwägung zur Entscheidung, die Therapie zu starten, zu stoppen oder fortzusetzen, durchführen zu können. Das Absetzen der Medikation während des Sommers ist immer noch häufige Praxis<sup>3</sup>, da ADHS manchmal nur als Problem in Zusammenhang mit schulischen Leistungen identifiziert wird. Gerade in dieser Zeit, in der es weniger Struktur und Überwachung gibt, ist das Risiko für unbeabsichtigte Verletzungen jedoch besonders hoch.<sup>4</sup> Daher sollte die Praxis des Absetzens der ADHS-Medikation in den Sommerferien aufgrund der Studienergebnisse reevaluiert werden. Zumindest, so die Autoren der Studie, sollten Kliniker, wenn sie die möglichen Vorteile des Absetzens der ADHS-Medikation in Bezug auf Appetit, Schlaf, Stimmung und andere Aspekte besprechen, auch das erhöhte Verletzungsrisiko thematisieren. (red)</p></p>
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<p><strong>1</strong> Polanczyk GV et al.: Int J Epidemiol 2014; 43: 434-42 <strong>2</strong> Ruiz-Goikoetxea M et al.: Neurosci Biobehav Rev 2018; 84: 63-71 <strong>3</strong> Ibrahim K, Donyai P: J Atten Disord 2015; 19: 551-68 <strong>4</strong> Peden M et al.: World Report on Child Injury Prevention 2008. World Health Organization, Geneva, Switzerland</p>
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