
Neue Debatte um Organspende nach Suizidhilfe
Immer mehr Menschen wollen nach einem assistierten Suizid ihre Organe spenden. Eine Stellungnahme der Ethikkommission der SAMW eröffnet einen ethischen Diskurs.
Bern. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) sieht sich mit einer neuen Realität konfrontiert: Spitäler berichten zunehmend von Anfragen suizidwilliger Personen, die nach ihrem Tod Organe spenden möchten. Um das möglich zu machen, müsste der assistierte Suizid im Spital erfolgen – unter Einbezug von medizinischem Fachpersonal. Das wirft rechtliche, organisatorische und ethische Fragen auf. Die Zentrale Ethikkommission (ZEK) der SAMW hat sich der Thematik angenommen und nun eine Stellungnahme dazu publiziert. Darin fordert sie eine breite gesellschaftliche Debatte – nicht nur über medizinethische Details, sondern auch über das Verhältnis von Selbstbestimmung, Nützlichkeit und Solidarität in der letzten Lebensphase.
Die medizinische Umsetzung einer Organspende nach assistiertem Suizid folgt dem Prinzip der sogenannten «Donation after Circulatory Death» (DCD). Dabei muss die betroffene Person das Sterbemittel selbstständig verabreichen. Nach Eintritt des Todes wird dieser gemäss klaren Vorgaben festgestellt, bevor die Organe entnommen werden dürfen. Voraussetzung ist, dass der assistierte Suizid in einem Entnahmespital oder Transplantationszentrum stattfindet – mit entsprechender ärztlicher Begleitung und juristischer Absicherung. Das stellt laut ZEK eine organisatorische Herausforderung dar. Die Zuständigkeiten zahlreicher Akteur:innen – von Ärztinnen über Suizidhilfeorganisationen bis hin zu Pflegeheimen und Seelsorge – müssen geklärt werden. Auch rechtlich sind zentrale Fragen offen, etwa zur Vereinbarkeit mit Bundesrecht oder zum Schutz vor Interessenkonflikten.
Aus medizinethischer Sicht bringt die Kombination von Suizidhilfe und Organspende neue Dynamiken mit sich. Zwar ist die Freiwilligkeit in diesem Fall besonders hoch – anders als bei postmortalen Spenden über Patient:innenverfügungen oder Angehörige. Doch zugleich besteht das Risiko, dass sich suizidwillige Personen unter moralischen Druck gesetzt fühlen, ihre Organe spenden zu müssen. Auch die Information über diese Möglichkeit kann in einem psychisch belasteten Zustand problematisch wirken. Entscheidend ist laut Ethikkommission daher, dass jede Entscheidung jederzeit widerrufbar bleibt – und dass die Autonomie der sterbewilligen Person nicht gefährdet wird. Die ZEK fordert klare Verfahren, transparente Kommunikation und ein ethisch sicheres Setting.
Auch für das medizinische Personal und Angehörige stellt die neue Konstellation eine Herausforderung dar. Ärzt:innen und Pfleger:innen dürfen nicht unter Druck geraten, sich an Suiziden zu beteiligen – auch wenn daraus lebensrettende Organe gewonnen werden könnten. Die SAMW betont die Bedeutung der Gewissensfreiheit. Wird der assistierte Suizid im Spital zur akzeptierten Praxis, käme es zudem zu einer schleichenden Medikalisierung der Suizidhilfe – mit Folgen für das Rollenverständnis der Institutionen. Angehörige könnten unterschiedlich reagieren: Während manche von ihnen Trost in der Organspende finden, empfinden andere sie als zusätzliche Belastung.
Wie auch immer die Debatte weitergeht: «Sollte sich die gesellschaftliche und fachliche Diskussion in die Richtung bewegen, dass Organspende nach Suizidhilfe in der Schweiz zu praktizieren sei, und sollte dies zu einer Bearbeitung der organisatorischen und rechtlichen Aspekte geführt haben, werden sich die ZEK und die SAMW an der vertieften medizin-ethischen Reflexion beteiligen», heisst es am Ende der Stellungnahme der ZEK. (kagr)
Quelle: ZEK/SAMW
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