© Getty Images/iStockphoto

DGP 2017

Wie beeinflussen die Therapie der COPD und die des Lungenkarzinoms einander?

<p class="article-intro">Nicht selten treten COPD und Lungenkarzinom gemeinsam auf; ihre Behandlung bedarf daher eines aufeinander abgestimmten therapeutischen Managements. Dieser Artikel bietet eine Darstellung der verschiedenen Aspekte, die dabei zu berücksichtigen sind, und geht insbesondere auf Konvergenzen, Parallelen und Divergenzen in der Versorgung der betroffenen Patienten ein.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>COPD und Lungenkarzinom sind nicht heilbare, aber teilweise behandelbare Erkrankungen; in sp&auml;ten Stadien kann die Prognose vergleichbar schlecht sein.</li> <li>H&auml;ufig gemeinsames Auftreten beider Erkrankungen; systemische Auswirkungen von Erkrankung und Therapie stellen einen wichtigen therapeutischen Ansatz dar.</li> <li>Besonders hervorzuheben sind bei guter Prognose die Nikotinkarenz und die Beachtung der Komorbidit&auml;ten sowie bei schlechter Prognose die supportive und palliative Therapie.</li> <li>Inwieweit die antiinflammatorische Therapie einen Einfluss auf die Behandlung des Lungenkarzinoms hat, ist noch nicht gekl&auml;rt.</li> </ul> </div> <p>Die COPD ist eine obstruktive Atemwegserkrankung mit chronischer pulmonaler und systemischer Inflammation, die gepr&auml;gt ist durch rezidivierende Exazerbationen und einen unaufhaltsamen Verlust an FEV1 in der Lungenfunktion. Hauptursache ist das Rauchen.<br />Das Lungenkarzinom ist in den meisten F&auml;llen eine nicht heilbare Krebserkrankung. Dennoch sind l&auml;ngere Krankheitsverl&auml;ufe m&ouml;glich. Fortschritte in der Diagnostik und Therapie lassen gerade in den letzten Monaten und Jahren Hoffnung zu, dass mehr Patienten immer l&auml;nger mit der Erkrankung leben k&ouml;nnen. Rauchen ist auch f&uuml;r Lungenkrebs die wesentliche Ursache.</p> <h2>Behandlungsziele</h2> <p>Bei der COPD steht die Reduktion der Belastungsdyspnoe im Fokus der Therapie, die ein qu&auml;lender Begleiter der Patienten ist und sie t&auml;glich an die Erkrankung erinnert. In den letzten Jahren ist die Erkenntnis gewonnen worden, dass die gleichzeitige Mitbehandlung der relevanten Begleiterkrankungen der COPD, v.a. kardiovaskul&auml;rer, metabolischer und psychischer Komorbidit&auml;ten, einen g&uuml;nstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Mortalit&auml;t haben kann.<br />Beim Lungenkarzinom lautet die prim&auml;re Frage: &bdquo;Ist eine Heilung m&ouml;glich?&ldquo; Sie kann nur f&uuml;r die fr&uuml;hen Stadien bejaht werden. Daneben stellt sich die Frage nach der Verl&auml;ngerung des Lebens, also der &Uuml;berlebenszeit mit der Krebserkrankung, die wesentlich schwieriger zu beantworten ist. Die allermeisten Patienten w&uuml;nschen sich mehr &Uuml;berlebenszeit, aber nicht um jeden Preis. Der Erhalt der Lebensqualit&auml;t ist aus der besonderen Sicht der Patienten und Angeh&ouml;rigen ausschlaggebend. Bestehen bei Erstdiagnose bereits schwere tumorbedingte Symptome, so ist das prim&auml;re Ziel der Behandlung eine rasche Besserung dieser Beschwerden. Die Komorbidit&auml;ten beim Lungenkarzinom, vergleichbar mit denen bei der COPD, sind oft limitierend f&uuml;r ein intensives, multimodales Behandlungskonzept.<br />In der Betrachtung beider Erkrankungen, die zu einem Gro&szlig;teil (ca. 50 % ) zusammen auftreten, lassen sich also gemeinsame Behandlungsziele definieren:<br />&bull; Linderung krankheitsspezifischer Symptome<br />&bull; Erhalt der Lebensqualit&auml;t<br />&bull; Verl&auml;ngerung des &Uuml;berlebens</p> <h2>Gibt es &Uuml;berlappungen in der Behandlung?</h2> <h2>Raucherentw&ouml;hnung</h2> <p>Historische Daten beschreiben bereits den Zusammenhang zwischen fr&uuml;hzeitigem Rauchstopp und weniger Verlust an FEV1 in der Lungenfunktion. Bei der COPD ist der Vorteil durch eine Raucherentw&ouml;hnung unumstritten, gemeinhin jedoch schwer umzusetzen. Ohne ein strukturiertes Programm zur Raucherentw&ouml;hnung schaffen es die meisten Patienten nicht und werden r&uuml;ckf&auml;llig.<br />Beim Lungenkarzinom ist aufgrund der meist &bdquo;todbringenden&ldquo; Diagnose der Rauchstopp zun&auml;chst nicht das wichtigste therapeutische Ziel f&uuml;r Patient und Arzt. Eine differenzierte Betrachtung der Szenarien jedoch zeigt eine Chance auf: Rauchstopp kann in bestimmten Situationen doch gelingen.<br />Wenn beim <span class="Copy-italic">Lungenkrebs-Screening</span> ein suspekter Befund in der Computertomografie des Thorax vorliegt, besteht &ndash; wie Studiendaten zeigen &ndash; eine hohe Motivation f&uuml;r Raucherentw&ouml;hnung. Dies kann eine individuelle Chance darstellen, endg&uuml;ltig mit dem Rauchen aufzuh&ouml;ren, auch wenn sich in der Folge der Krebsverdacht nicht erh&auml;rtet.<sup>1, 2</sup><br />Bei der Behandlung des <span class="Copy-italic">Fr&uuml;hkarzinoms</span> mit einem kurativen Therapieansatz haben aktive Raucher ein h&ouml;heres Risiko: Bei einer Lungenoperation haben Raucher eine erh&ouml;hte Mortalit&auml;t und pulmonale Komplikationsrate als Nieraucher oder ehemalige Raucher. Insbesondere eine pr&auml;operative Nikotinkarenz wirkt sich g&uuml;nstig aus.<sup>3, 4</sup><br />Beim<span class="Copy-italic"> lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Lungenkarzinom</span> ist die Motivation f&uuml;r eine Raucherentw&ouml;hnung initial nach Diagnosestellung am h&ouml;chsten. Bereits wenige Monate sp&auml;ter l&auml;sst der initial psychologisch g&uuml;nstig erscheinende Moment (infolge der fatalen Diagnose Krebs) wieder nach.<sup>5, 6</sup><br /><span class="Copy-italic">Warum ist nun die Raucherentw&ouml;hnung eine m&ouml;gliche Behandlungsoption beim Lungenkarzinom?</span> Beim Screening und auch beim Fr&uuml;hkarzinom hat die Raucherentw&ouml;hnung pr&auml;ventiven Charakter. Das Auftreten von Malignomen und therapieassoziierten Komplikationen kann reduziert werden und ist ein sinnvolles Ziel. In der metastasierten Situation kann der Rauchstopp einen Einfluss auf die Mortalit&auml;t bez&uuml;glich der Krebserkrankung nehmen, insbesondere wenn ein chronischer Verlauf vermutet wird. Dies kann insbesondere bei initial sehr gutem Ansprechen mit deutlicher Reduktion der Tumormassen oder pr&auml;therapeutisch hoher Wahrscheinlichkeit f&uuml;r ein derartiges Ansprechen der Fall sein. Hier sind die neuen Behandlungsm&ouml;glichkeiten im Bereich der immunonkologischen Therapie, aber auch der zielgerichteten Therapie bei Vorliegen von molekularen Alterationen typische Beispiele. Nicht selten sind mehrj&auml;hrige Verl&auml;ufe m&ouml;glich.<br />Besonders deutlich werden die Parallelen der beiden Erkrankungen in der Prognose, wenn wir die sehr schwere COPD (GOLD 4 mit FEV1 &lt;30 % vom Soll) und das Stadium IV des Lungenkarzinoms isoliert betrachten. Das mediane &Uuml;berleben kann jeweils auf ca. 30 Monate limitiert sein (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1702_Weblinks_s14.jpg" alt="" width="2150" height="1503" /></p> <h2>Behandlung der Komorbidit&auml;ten</h2> <p>Nicht nur bei der COPD, sondern auch beim Lungenkarzinom k&ouml;nnen die Begleit&shy;erkrankungen relevant sein. Immer h&auml;ufiger sehen wir aufgrund der Innovationen in der Therapie beim Lungenkarzinom mehrj&auml;hrige Behandlungsverl&auml;ufe. Organdysfunktionen k&ouml;nnen ein limitierender Faktor sein. Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz und Leberfunktionsst&ouml;rungen lassen nicht jede Chemotherapie zu. Aber auch zielgerichtete Substanzen und Immuntherapien sind bei multimorbiden Patienten teils kontraindiziert oder mit deutlich mehr Toxizit&auml;t assoziiert. So kommt es, auch Studiendaten nach, beim Lungenkarzinom vermehrt zu nicht krebsbedingter Mortalit&auml;t. Neben der Verbesserung des Outcomes beim Lungenkarzinom liegt in der ganzheitlichen Therapie mit Ber&uuml;cksichtigung der Begleiterkrankung inklusive der COPD noch ein gro&szlig;es Potenzial zur Verbesserung von Lebensqualit&auml;t und Gesamt&uuml;berleben.</p> <h2>Antiinflammatorische Therapie</h2> <p>Bei der COPD sind inhalative Steroide, selektive Phosphodiesterase-Inhibitoren und systemische Steroide die Grundlage der chronischen und der akuten antiinflammatorischen Therapie. In Studien konnte durch Anwendung von inhalativen Steroiden eine Reduktion der Exazerbationsrate erreicht werden, die bestimmend f&uuml;r die Mortalit&auml;t ist.<br />Beim Lungenkarzinom spielen antiinflammatorische Konzepte bislang keine Rolle. Interessant ist aber, dass sich in einigen Studien zur COPD Hinweise auf die Reduktion der Lungenkrebsrate unter einer Therapie mit inhalativen Steroiden ergeben haben. Diese stammen h&auml;ufiger aus Registerdaten mit l&auml;ngerem Follow-up. Dabei scheint eine h&ouml;here Dosis inhalativer Steroide umso effektiver zu sein; in randomisierten Studien konnte das nicht eruiert werden, oft ist der Beobachtungszeitraum hier wesentlich k&uuml;rzer und die Studien sind nicht geeignet, um einen derartigen Effekt zu zeigen.<sup>7</sup><br /><span class="Copy-italic">Raucher mit COPD haben ein circa dreifach h&ouml;heres Lungenkrebsrisiko als Nichtraucher mit COPD.</span> Grundlage der antiinflammatorischen Therapie zur Reduktion des Lungenkarzinomrisikos bei COPD kann das pathophysiologische Konzept sein, dass bei der COPD bereits protektive Enzymsysteme in der Aktivit&auml;t vermindert bzw. aufgebraucht sind. Ein fortw&auml;hrender Einfluss inhalativer Noxen, wie z.B. das Rauchen, ist ein zus&auml;tzlicher proinflammatorischer Trigger der Karzinogenese und erh&ouml;ht das Lungenkrebsrisiko nochmals.</p> <h2>Supportive Therapie</h2> <p>Vermeidung und Behandlung der <span class="Copy-italic">Kachexie</span> ist ein grunds&auml;tzlich anerkanntes Behandlungskonzept f&uuml;r beide Erkrankungen, verbessert die Lebensqualit&auml;t und kann Einfluss auf das &Uuml;berleben haben.<br />Die <span class="Copy-italic">Langzeitsauerstofftherapie</span> ist vielfach indiziert und wird gem&auml;&szlig; den aktuellen Leitlinien und Empfehlungen bei COPD und in Parallelit&auml;t dazu beim Lungenkarzinom angewandt.</p> <h2>Palliative Therapie</h2> <p>Die <span class="Copy-italic">Schmerztherapie</span> wirkt sowohl beim Lungenkarzinom (metastasenbedingt) als auch bei der COPD (oss&auml;re Komplikationen) symptomlindernd und kann zur Verbesserung der Lebensqualit&auml;t beitragen. Auch die Reduktion von Dyspnoe in der terminalen Lebensphase ist ein Ziel der Opiattherapie beider Erkrankungen.<br />Die <span class="Copy-italic">nicht invasive Beatmung (NIV)</span> ist bei der COPD als Intervention bei akuter Hyperkapnie, z.B. im Rahmen einer Exazerbation, wie auch als Heimbeatmung bei chronischer Hyperkapnie etabliert. Beim Lungenkarzinom wird die NIV in der Terminalphase zur Symptomlinderung eingesetzt, meist in Kombination mit Opiaten.<br />Die <span class="Copy-italic">interventionellen Behandlungsm&ouml;glichkeiten</span> (z.B. Lungenvolumenreduktion beim Lungenemphysem) k&ouml;nnen beim Lungenkarzinom in Einzelf&auml;llen (gute Prognose) angewandt werden. Das Ziel sind immer eine Verbesserung der Lebensqualit&auml;t und eine Reduktion der Dyspnoe. Die Indikation und Durchf&uuml;hrung derartiger Eingriffe sollte sorgf&auml;ltig gepr&uuml;ft werden. Dies kann in einem interdisziplin&auml;ren Thoraxboard erfolgen. Eine Anbindung an ein in solchen Eingriffen erfahrenes Zentrum ist erforderlich. Aber auch interventionelle Verfahren bei endobronchialem Tumorbefall sind stets abzuw&auml;gen und in der Hand des erfahrenen Pneumologen gut etabliert. So k&ouml;nnen Retentionspneumonien, Stenosen der zentralen Atemwege und Tumorblutungen mit rascher Verbesserung der Symptomatik durch mechanische oder thermische Verfahren oder Stenting behandelt werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Zeliadt SB et al: Attitudes and perceptions about smoking cessation in the context of lung cancer screening. JAMA Intern Med 2015; 175(9): 1530-1537 <strong>2</strong> Tammem&auml;gi MC et al: Impact of lung cancer screening results on smoking cessation. J Natl Cancer Inst 2014; 106(6): dju084 <strong>3</strong> Mason DP et al: Impact of smoking cessation before resection of lung cancer: a Society of Thoracic Surgeons General Thoracic Surgery Database study. Ann Thorac Surg 2009; 88(2): 362-370 <strong>4</strong> Groth SS et al: Impact of preoperative smoking status on postoperative complication rates and pulmonary function test results 1-year following pulmonary resection for non-small cell lung cancer. Lung Cancer 2009; 64(3): 352-357 <strong>5</strong> Leone FT et al: Treatment of tobacco use in lung cancer: diagnosis and mangement of lung cancer, 3<sup>rd</sup> ed: American College of Chest Phys&shy;icians ecidence-based clinical practice guidelines. Chest 2013; 143(5 Suppl): e61S-e77S <strong>6</strong> Sanderson Cox L et al: Tobacco use outcomes among patients with lung cancer treated for nicotine dependence. J Clin Oncol 2002; 20(16): 3461-3469 <strong>7</strong> Raymakers A et al: Do inhaled corticosteroids protect against lung cancer in patients with COPD? A systematic review. Respirology 2017; 22: 61-70</p> </div> </p>
Back to top