
Wie viel Allergie steckt in der Polyposis nasi?
Autor:
PD DDr. med. Sven Schneider
Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten
Klinische Abteilung für allgemeine HNO
Medizinische Universität Wien
E-Mail: sven.schneider@meduniwien.ac.at
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Zwischen der chronischen Rhinosinusitis (CRS) und der allergischen Rhinitis bestehen viele Gemeinsamkeiten, sowohl in der Pathophysiologie als auch bezüglich der Symptome und Therapiemöglichkeiten. Eine genaue Definition der Erkrankungen und präzise Diagnostik sind essenziell, um Subtypen der CRS erkennen und spezifische Therapiealgorithmen entwickeln zu können.
Keypoints
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In der Expertenwelt existieren unterschiedlichste Meinungen und Vermutungen über die Zusammenhänge zwischen Allergien bzw. allergischer Rhinitis und chronischer Rhinosinusitis.
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Bei speziellen Typ-2-Subtypen der chronischen Rhinosinusitis scheinen Allergien eine tragende Rolle in der Pathogenese zu spielen.
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Ob die spezifische Behandlung bestehender Allergien für die Therapie der chronischen Rhinosinusitis eine Rolle spielt, ist bisher zu wenig erforscht, um die Relevanz bestimmen zu können.
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Eine präzise Diagnose ist für die weitere Charakterisierung und Etablierung spezifischer Behandlungsstrategien essenziell.
Allergie und chronische Rhinosinusitis (CRS)
Allergie ist definiert als krank machende immunologische Überreaktion gegen Fremdsubstanzen. Im Gegensatz dazu ist die Begriffsbestimmung der chronischen Rhinosinusitis (CRS) deutlich unspezifischer. In Europa leiden etwa zwischen 4% und 9% der Bevölkerung unter chronischen Nebenhöhlenbeschwerden, wobei eine nasale Polyposis mit einer Prävalenz von etwa 1,95–4,4% auftritt.1–4
Die CRS wird durch ein subjektives Beschwerdebild und das Vorliegen objektiver Kriterien diagnostiziert. So müssen über einen Zeitraum von mindestens zwölf Wochenzwei Symptome wie nasale Verstopfung, Sekretion, Gesichtsschmerz oder Druckgefühlim Bereich der Nasennebenhöhlen und eine Verminderung des Riechens vorliegen.
Zur Diagnosesicherung sollten in der endoskopischen Untersuchung nasale Polypen, purulente Sekretion aus den Nebenhöhlen oder ödematöse Schleimhaut im Bereich des mittleren Nasenganges gefunden werden bzw. entzündliche Veränderungen der Schleimhaut der Nasennebenhöhlen in der Computertomografie vorliegen.5
Definition der CRS
Die CRS ist eine heterogene Erkrankung, bei der bislang eine Unschärfe in der Definition bestand, wodurch sowohl eine schwierige Einteilung als auch eine erschwerte Vergleichbarkeit von Studienergebnissen bedingt ist. Es kann eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen zugrunde liegen (Abb. 1). Die Subtypen der CRS sollten nach anatomischer Verteilung, zugrunde liegendem Endotyp und klinischem Phänotyp eingeteilt werden.5 Insbesondere die Entzündungsmuster sind relevant und korrelieren oft, jedoch nicht ausschliesslich, mit dem klinischen Erscheinungsbild. So wird in der westlichen Welt die CRS ohne nasale Polyposis (CRSsNP) häufig durch eine Typ-1-Entzündung bestimmt, allerdings werden auch Typ-2-Entzündungen bei Patienten mit CRSsNP beschrieben.6
Die CRS mit nasaler Polyposis (CRSwNP) wird vorrangig durch Typ-2-Zytokine wie TSLP, IL-25, IL-33, IL-4, IL-13 und IL-5 ausgelöst. Allerdings unterscheiden sich diese Endotyp-Phänotyp-Korrelationen weltweit deutlich, wodurch die ausschliessliche Einteilung nach dem klinischen Phänotyp nicht ausreichend ist und die auslösende Entzündungsreaktion nicht mit Sicherheit definiert.
Interessanterweise gibt es grosse Ähnlichkeiten der Entzündungsmuster zwischen CRSwNP und allergischer Rhinitis. So sind beide Erkrankungen durch eine Störung der Epithelfunktion, die Aktivierung einer von IL-4, Il-5 und IL-13 bestimmten Entzündungskaskade, erhöhte IgE-Produktion und den Einstrom eosinophiler Granulozyten gekennzeichnet. Nicht nur bei der Art der Entzündung, auch in der klinischen Präsentation gibt es grosse Ähnlichkeiten. Patienten mit CRS leiden vorrangig an Nasenatmungsbehinderung, Riechstörungen und rinnender Nase. Diese Symptome entsprechen auch den Beschwerden bei allergischer Rhinitis.
Zusammenhänge zwischen CRS und Allergien
Trotz eindeutiger Überschneidungen in den Pathomechanismen und klinischen Präsentationen der Erkrankungen sind die Zusammenhänge nicht eindeutig bestimmt und werden teils kontrovers diskutiert. Es wurde bereits 2014 von Wilson et al. in der bislang grössten Übersichtsarbeit versucht, die Zusammenhänge zwischen Allergien und CRS, unterteilt in die klinischen Präsentationen CRSsNP und CRSwNP, näher zu bestimmen.7 24 Studien konnten in die Analyse eingeschlossen werden. Bei CRSsNP konnte in vier Studien eine Assoziation mit Allergien beschrieben werden, allerdings zeigten fünf Studien das Gegenteil. Die CRSwNP wurde in zehn Studien mit Allergien in Zusammenhang gebracht, sieben weitere zeigten das Gegenteil. In der Computertomografie der Nasennebenhöhlen wurden bei CRSsNP häufiger Zeichen einer CRS bei allergischen Patienten gefunden – und diese waren ausgeprägter –, wobei auch diese Ergebnisse nicht in allen Studien bestätigt wurden. Auch Unterschiede in der Prävalenz von Allergien konnten nicht eindeutig bestimmt werden, da Studienergebnisse einerseits ein häufigeres Auftreten bei CRSwNP im Vergleich zu CRSsNP zeigten, andererseits in anderen Studien auch kein Unterschied gefunden werden konnte. Der Grund für die kontroverse Datenlage ist nicht eindeutig. Möglich ist allerdings, dass eine nicht ausreichende Charakterisierung des Krankheitsbildes und der zugrunde liegenden Mechanismen einen Vergleich erschwert, da bisher Patientenkohorten vorwiegend nach dem klinischen Phänotyp und nicht nach Endotypen eingeteilt wurden.
«Allergic Fungal Rhinosinusitis» und «Central Compartment Atopic Disease»
Trotz vieler Unklarheiten konnten spezielle Typ-2-assoziierte CRS-Krankheitsbilder wie «Allergic Fungal Rhinosinusitis» (AFRS) und «Central Compartment Atopic Disease» (CCAD) mit einer eindeutigen allergischen Ursache beschrieben werden. Eine präzise Diagnostik sollte hier eine bessere Einteilung ermöglich.
Die AFRS wurde bereits vor über 20 Jahren als Krankheitsbild definiert. Massgeblich für die Diagnose sind eine allergische Reaktion auf Pilze im Skin-Prick-Test oder der Nachweis von spezifischem IgE zusammen mit dem Vorliegen von CRSwNP. Im Gegensatz zur normalen CRS kann bei Patienten mit AFRS im Sekret sowie in der histologischen Aufarbeitung eine grosse Menge Pilze gefunden werden. Die Verbreitung ist in feuchten Klimazonen deutlich häufiger, genaue regionale Prävalenzzahlen existieren derzeit nicht.
Die CCAD ist ein Subtyp der Typ-2-CRS mit einem charakteristischen klinischen Erscheinungsbild bei Patienten mit inhalativen Allergien. Die ödematöse Schleimhautveränderung beziehungsweise die Ausbildung nasaler Polypen beschränkt sich weitgehend auf den Kontakt des Luftstromes im Bereich der mittleren Nasenmuschel und des mittleren Nasenganges mit der Schleimhaut (Abb. 2).8
Abb. 2:A: Computertomografie der Nasennebenhöhlen bei «Central Compartment Atopic Disease» (CCAD); B: korrespondierende endoskopische Untersuchung der rechten Nasenhaupthöhle; C: korrespondierende endoskopische Untersuchung der linken Nasenhaupthöhle (S: Septum; MNM: mittlere Nasenmuschel; P: Polyp)
In der Computertomografie der Nasennebenhöhlen zeigen sich Schleimhautschwellungen im zentralen Kompartment, vorrangig im Bereich des Ethmoids, ansonsten bestehen keine weiteren Sinusitiszeichen (Abb. 2).
Therapieoptionen
Die Therapiemöglichkeiten der CRS und der allergischen Rhinitis überschneiden sich deutlich, bei beiden Erkrankungen bilden intranasale Kortikosteroide einen wesentlichen Bestandteil. In der Behandlung der CRSwNP sind seit einigen Jahren Biologika, die gegen Typ-2-Entzündungsmediatoren gerichtet sind, eine sehr erfolgreiche Therapieoption. Zur Behandlung stehen derzeit drei Antikörper zur Verfügung. Dupilumab ist ein gegen den IL-4α-Rezeptor gerichteter Antikörper, der die IL-4- und IL-13-Signalweiterleitung blockiert, Omalizumab ist ein gegen IgE gerichteter Antikörper, Mepolizumab blockiert die IL-5-Stimulation eosinophiler Granulozyten. Die Angriffspunkte dieser Biologika spielen auch bei der allergischen Genese eine essenzielle Rolle. In der Behandlung der allergischen Rhinitis wurde eine signifikante Symptomlinderung durch Omalizumab beschrieben,9 die Wirkung von Dupilumab und Mepolizumab wurde bislang nicht untersucht. Bisher haben komorbide Allergien in der Behandlung der CRS keinen Einfluss auf die Wahl der Therapie.
Die Rolle der Immuntherapie zur Behandlung der CRS bei allergischen Patienten ist ebenso unklar. Auch für die allergisch bedingten Subtypen AFRS und CCAD ist die Datenlage unzureichend, obwohl in kleinen Kohorten von erfolgreichen Behandlungen der AFRS durch Immuntherapie berichtet wurde.10, 11 Die Wirksamkeit der Immuntherapie bei CCAD wurde bislang nicht erforscht.
Zusammenfassung
Es bestehen viele Gemeinsamkeiten zwischen der CRS und der allergischen Rhinitis, sowohl in der Pathophysiologie als auch bezüglich der Symptome und Therapiemöglichkeiten. Die genauen Zusammenhänge mit der Krankheitsentstehung und der gegenseitige Einfluss auf den jeweiligen Krankheitsverlauf sind bisher jedoch noch nicht ausreichend erforscht. Die Vermutung liegt nahe, dass verschiedene Subtypen der CRS durch allergische Ursachen bedingt werden, andere hingegen keine allergische Komponente haben. Eine genaue Definition der Erkrankungen und eine präzise Diagnostik sind nötig, um Subtypen der CRS zu erkennen und möglicherweise spezifische Therapiealgorithmen zu entwickeln.
Literatur:
1 Dietz de Loos D et al.: Prevalence of chronic rhinosinusitis in the general population based on sinus radiology and symptomatology. J Allergy Clin Immunol 2019; 143: 1207-14 2 Hirsch AG et al.: Radiologic sinus inflammation and symptoms of chronic rhinosinusitis in a population-based sample. Allergy 2020; 75: 911-20 3 Campion NJ et al.: Prevalence and symptom burden of nasal polyps in a large Austrian population. J Allergy Clin Immunol Pract 2021; 9; 4117-29. e4112 4 Johansson L et al.: Prevalence of nasal polyps in adults: the Skovde population-based study. Ann Otol Rhinol Laryngol 2003; 112: 625-9 5 Fokkens WJ et al.: European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps 2020. Rhinology 2020; 58(Suppl S29): 1-464 6 Rondón C et al.: Rhinoconjunctivitis Committee; Spanish Society of Allergy and Clinical Immunology: Clinical management and use of health care resources in the treatment of nasal polyposis in Spanish allergy centers: The POLAR Study. J Investig Allergol Clin Immunol 2015; 25: 276-82 7 Wilson KF et al.: The association between allergy and chronic rhinosinusitis with and without nasal polyps: an evidence-based review with recommendations. Int Forum Allergy Rhinol 2014; 4: 93-103 8 Hamizan AW et al.: Middle turbinate edema as a diagnostic marker of inhalant allergy. Int Forum Allergy Rhinol 2016; 7: 37-42 9 Mabry RL, Mabry CS: Allergic fungal sinusitis: the role of immunotherapy. Otolaryngol Clin North Am 2000; 33: 433-40 10 Folker RJ et al.: Treatment of allergic fungal sinusitis: a comparison trial of postoperative immunotherapy with specific fungal antigens. Laryngoscope 1998; 108: 1623-7 11 Verbruggen K et al.: Anti-IgE for the treatment of allergic rhinitis--and eventually nasal polyps? Int Arch Allergy Immunol. 2009; 148: 87-98 12 Xu X et al.: Highlights in the advances of chronic rhinosinusitis. Allergy 2021; 76: 3349-58
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