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Tuberkulose außerhalb der Lunge
Jatros
Autor:
OA Dr. Rudolf Rumetshofer
Tuberkulosestation Severin II. Lungeninterne Abteilung<br> Otto-Wagner-Spital der Stadt Wien<br/> E-Mail: rudolf.rumetshofer@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
14.03.2019
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<p class="article-intro">2017 wurden in Österreich 570 Tuberkulosefälle gemeldet. Bei 148 Erkrankungsfällen (24,2 % ) lag zusätzlich zur Tuberkulose der Atmungsorgane oder ausschließlich eine Tuberkulose anderer Organe vor.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Extrapulmonale Tuberkulose ist häufig assoziiert mit Immunsuppression oder Immunschwäche. Frauen sind häufiger betroffen als Männer; Kinder und alte Menschen sowie ethnische Minderheiten und Zuwanderer sind ebenfalls häufiger betroffen. <br />Wenn Klinik und Bildgebung eine Tuber kulose vermuten lassen, sollte eine Diagnosesicherung angestrebt werden. Dafür muss Biopsiematerial mittels His tologie, Mikrobiologie und Kultur aufgearbeitet werden. Ein maximaler mikrobiologischer Aufwand für alle Materialien inklusive wiederholter PCR ist dafür gerechtfertigt. Generell muss unfixiertes Material für Tuberkulosekulturen bereitgestellt werden. Die Einsendung von Stuhl oder Blutkulturen ist nur bei Patienten mit zellulärem Immundefekt sinnvoll. Liquor und Harn sollten wiederholt eingesendet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1901_Weblinks_a1-tab.jpg" alt="" width="663" height="705" /></p> <h2>Diagnostik und Therapie der einzelnen Tuberkuloseformen</h2> <p>Pleuratuberkulose ist eine der häufigsten extrapulmonalen Formen. Zur Diag nosesicherung ist eine Punktion erforderlich. Sollte kulturell oder molekularbiologisch keine eindeutige Diagnose gestellt werden können, wird eine Videoassistierte Thorakoskopie oder eine Thorako skopie mit Pleurabiopsie empfohlen. Behan delt wird mit der Standard- Tuber kulosetherapie, also Rifampicin (RMP) und Isoniazid (INH) über 6 Monate, in den ersten 2 Monaten zusätzlich Ethambutol (EMB) und Pyrazinamid (PZA). Zusätzlich wird bei ausgedehnten Ergüssen eine suffiziente Drainagetherapie und anschlie ßend eine intensive physikalische Therapie empfohlen. Bei Pleuraschwarten am Ende der Behandlung muss geprüft werden, ob Funktionseinschränkungen eine elektive Dekortikation notwendig machen.</p> <p><strong>Lymphknotentuberkulose</strong> betrifft meist zervikale, seltener mediastinale, hiläre oder abdominale Lymphknoten. Die Diagnose wird gestellt durch Punktion oder Exzision mittels histologischer und kultureller Untersuchung. Differenzialdiagnostisch müssen vor allem nicht tuberkulöse Mykobakteriosen und maligne Lymphome ausgeschlossen werden. Behan delt wird mit der Standard-Tuberkulosetherapie und bei Bedarf mit zusätzlichen chirurgischen Interventionen (Inzision, Abszessdrainage, Exzisionen). Unter laufender Therapie kann es zu einer Vergrößerung der Lymphknoten in den ersten Wochen und Monaten kommen, bei zervikalem Lymphknotenbefall teilweise protrahiert und mit Zunahme an Größe und Zahl.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1901_Weblinks_a1-abb1.jpg" alt="" width="325" height="440" /></p> <p><strong>Larynxtuberkulose</strong> tritt als asymmetrischer oder einseitiger Befall ähnlich einer Laryngitis, Monochorditis oder exo phytischen, exulzerierenden Infektion auf. Die Biopsie (Histologie, Mikrobiologie, Kultur) im Rahmen einer indirekten oder direkten Laryngoskopie sichert die Diag nose. Meistens tritt diese Organtuberkulose im Zuge einer Lungentuberkulose auf. Unter Standardtherapie ist meist ein zufriedenstellender Verlauf bei guter Prognose zu erwarten. Primär chirurgische Behandlungen wie eine partielle oder totale Laryngektomie sind nicht indiziert. Dennoch kann eine chirurgische Therapie (erweiterte zervikale Lymphadenektomie, Exzision persistierender zervikaler Fisteln) in einzelnen Fällen nach entsprechender medikamentöser Vorbehandlung sinnvoll sein.</p> <p><strong>Urogenitaltuberkulose</strong> kann mit dem Morgenurin mikroskopisch, kulturell und molekularbiologisch diagnostiziert werden. In unklaren Fällen sind aber Biopsien des betroffenen Organs erforderlich. Die Standardtherapie muss an unter Umständen bestehende Nierenfunktionsstörungen angepasst werden. Bei einer fehlenden Ausheilung mit erheblichen strukturellen Defekten der Niere ist eine partielle oder totale Nephrektomie erforderlich. Vor der Intervention sollte die antituberkulöse Therapie über vier Wochen durchgeführt werden. In der Initialphase ist infolge eines Schleimhautödems eine Abflussbehin derung möglich, was eine Ureterschienung erforderlich macht. Die frühzeitige Schienung bei Ureterstrikturen verbessert die Prognose. Der Nutzen adjuvanter syste mischer Kortikosteroide ist nicht belegt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1901_Weblinks_a1-abb2.jpg" alt="" width="662" height="371" /></p> <p><strong>Abdominaltuberkulose</strong> wird endoskopisch oder chirurgisch (Histologie, Mikrobiologie, Kultur) diagnostiziert. Wichtige Differenzialdiagnosen sind Malignome und chronisch-entzündliche Darmerkran kungen. Unter Standardtherapie kann es trotzdem zu Komplikationen kommen. Chirurgische Interventionen sind in bis zu 75 % der Fälle erforderlich. Neben der Diagnosesicherung sind intestinale Obstruktionen mit Ausbildung eines akuten Abdomens oder Darm perforationen Indikationen zur Operation. Postoperative Komplikationen und un güns tige Heilungsverläufe sind nach Darmperforationen häufig.</p> <p><strong>Knochen- und Gelenktuberkulose</strong> werden bei klinischem Verdacht mit CT- und MRT-Befunden diagnostiziert. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels CT-gestützter Punktion oder chirurgischer Biopsie (Histologie, Mikrobiologie, Kultur). Die Standardtherapie wird auf 9 Monate verlängert (2 Monate INH, RMP, PZA, EMB und 7 Monate INH, RMP), in Einzelfällen auch deutlich länger. Zusätzliche chirur gische Interventionen sind bei relevanten neurologischen Komplikationen oder bei der Instabilität tragender Knochen erfor derlich. Periossäre Abszesse und Senkungs abszesse sollten primär drainiert werden. Für die Instillation von Medikamenten gibt es keine Evidenz.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1901_Weblinks_a1-abb3.jpg" alt="" width="324" height="346" /></p> <p><strong>Perikardtuberkulose</strong> wird bei einem in der Echokardiografie oder MRT aufgetre tenen Verdacht mittels Perikardpunktion diagnostiziert. Zusätzlich zur Standard therapie werden Kortikosteroide nicht mehr generell empfohlen, außer bei aus gedehntem Perikarderguss, einer hohen Zahl von Entzündungszellen im Erguss oder frühen Zeichen einer Konstriktion. Bei kalzifizierender konstriktiver Perikarditis kann bei hämodynamischer Relevanz eine Perikardektomie indiziert sein. Bei ausgedehnten, hämodynamisch relevanten Perikardergüssen ist ein Perikardkatheter zur Drainage erforderlich. Sollte unter der antituberkulösen Therapie nach 6 bis 8 Wochen eine zunehmende Konstriktion des Perikards auftreten, besteht ebenfalls eine Indikation zur operativen Therapie.</p> <p><strong>Tuberkulose des ZNS</strong> wird mit zerebraler und spinaler Bildgebung, CMRT und spinalem MRT und anschließender Liquorpunktion diagnostiziert. Typische Liquorbefunde sind eine leichte bis mäßige Liquorpleozytose. Zytologisch ist das Zell bild je nach Erkrankungsstadium variabel, überwiegend mit Nachweis einer „bunten“ Mischpleozytose aus Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten. Häufig sind sehr hohe Gesamteiweißwerte und eine sehr schwe re Schrankenfunktionsstörung mit einem Albumin-Liquor/Serum-Quotienten (QAlb) > 25 × 103 sowie regelhaft ein erhöhter Laktatwert im Liquor oder reduzierte Glukosewerte. Für die Therapie ist die unterschiedliche Penetration der Medikamente, abhängig vom Entzündungsgrad, relevant. INH und PZA zeigen eine gute Penetration, RMP weniger (RMP daher hoch dosieren!), EMB zeigt eine schlechte Pene tration. Therapieempfehlung: INH, RMP, PZA und Streptomycin (SM) über zwei Monate, gefolgt von 10 Monaten (oder länger) INH und RMP. Ist Streptomycin nicht verfügbar, sollte Moxifloxacin gege ben werden. Zusätzlich ist immer Dexa methason oder Prednisolon erforderlich. Prednisolon 40 mg/Tag, nach 2 bis 3 Wo chen um jeweils 10 mg/Woche reduzieren und dann ausschleichen. Bei therapie refraktären, raumfordernden Läsionen oder bei Hydrocephalus occlusus oder malresorptivus sind neurochirurgische Interventionen erforderlich. Im weiteren Verlauf sind cMRT-Kontrollen (ggf. spina les MRT) und Liquoranalysen notwendig. Zu Beginn und im Verlauf sollten außerdem Audiogramme erhoben werden, da Hochtonschwerhörigkeit eine relevante Nebenwirkung von Streptomycin ist.</p> <p><strong>Miliartuberkulose</strong> wird mittels bildgebender Verfahren, kultureller und mikrobiologischer Untersuchungen diag nostiziert. Sputumuntersuchungen sind oft negativ, was eine bronchoskopische Abklärung nötig macht. Eventuell ist die Diagnosesicherung im Urin erfolgreich. Eine Beteiligung des ZNS und/oder der Meningen ist meist nicht sicher ausge schlossen. Behandelt wird die Miliar tuberkulose mit einer 12-monatigen Therapie (wie bei der Tuberkulose des ZNS), außer die Bildgebung und die Untersuchungen des Liquors sind eindeutig negativ. Bei respiratorischer Partialinsuf fizienz ist die Gabe von Kortikosteroiden in den ersten Wochen der Erkrankung notwendig. Prognostisch sind protrahierte Verläufe nicht selten.</p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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