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Trotz besserer Therapie viele offene Fragen
Jatros
30
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05.09.2019
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<p class="article-intro">Dank neuer Behandlungsstrategien und innovativer Medikamente sind die Lebenserwartung und Lebensqualität von Patienten mit zystischer Fibrose (CF) enorm gestiegen. Dennoch sind noch viele Fragen nicht erforscht. Der folgende Artikel gibt einen Überblick.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Dank verbesserter Therapiekonzepte nimmt die Zahl erwachsener Patienten mit zystischer Fibrose (CF) zu.</li> <li>In Zukunft sind vermehrt Betreuungsprogramme notwendig, die auf erwachsene CF-Patienten zugeschnitten sind.</li> <li>Trotz gestiegener Lebenserwartung ist die zystische Fibrose (CF) mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden.</li> <li>Die gezielte Behandlung von Patienten mit Gaiting- bzw. F508del-Mutationen mit CFTR-Modulatoren kann die Lungenfunktion deutlich verbessern und Exazerbationen reduzieren.</li> </ul> <h2>Einführung</h2> <p>Die zystische Fibrose (CF) ist die häufigste potenziell tödlich verlaufende autosomal- rezessiv vererbte Krankheit. Die höchste Prävalenz haben mit 1 : 3500 Lebendgeburten Europa, Nordamerika und Australien.<sup>1</sup> Verursacht wird die Krankheit durch Mutationen im CFTR-Gen, wobei die häufigste Mutation F508del ist.<sup>2</sup> In Österreich wurden 2014 in 13 Zentren 773 CF-Patienten mit einem Durchschnittsalter von 18,9 Jahren betreut. Von diesen trugen 48,8 % die F508del-Mutation homozygot und weitere 36,8 % heterozygot. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose betrug 27 Tage.<sup>3</sup></p> <p>Dank neuer Therapiestrategien erreichen immer mehr Betroffene das Erwachsenenalter. Eine Untersuchung in 34 europäischen Ländern sagt voraus, dass die Zahl der CF-Patienten insgesamt bis 2025 um rund 50 % wachsen wird, die Zahl der erwachsenen CF-Patienten sogar um 75 %.<sup>4</sup> Derzeit werden jedoch viele der jungen Erwachsenen und Erwachsenen weiterhin von pädiatrischen CF-Zentren betreut; von den 13 Zentren in Österreich behandelten nur drei ausschließlich erwachsene CF-Patienten, acht weitere Kinder und Erwachsene.<sup>3</sup> Die Herausforderung besteht nun darin, analog zur erfolgreichen Betreuung von Kindern mit CF Programme für erwachsene Patienten zu etablieren.<sup>3</sup></p> <h2>Pathogenese und klinisches Bild</h2> <p>Die Mutation im CFTR-Gen führen zu einer Beeinträchtigung des Chloridionentransports in Epithelzellen der Atemwege, des Darms, des Pankreas, der Schweißdrüsen und des Samenleiters.<sup>5</sup> Dies resultiert in der Produktion des typischen zähen Schleims in den Atemwegen, aber auch in den anderen betroffenen Organen. Dadurch werden chronische Entzündungen ausgelöst, die in Leber und Pankreas bis zur Leberzirrhose bzw. zum Diabetes führen können.<sup>6, 7</sup> Für die CF-Diagnose ist der Schweißtest, der den Salzgehalt im Schweiß misst, ein guter Marker: Werte > 59 mmol/l sichern die Diagnose, bei Werten < 30 mmol/l ist eine CF unwahrscheinlich. Bei Werten zwischen 30 und 59 mmol/l sollten wiederholte Schweißtests und die Zuweisung an ein spezialisiertes CF-Zentrum für die weitere Abklärung erfolgen.<sup>8</sup> <br />In den Bronchien werden chronische Entzündungen und Sekundärinfektionen, vor allem mit Pseudomonas aeruginosa (PA), begünstigt, die die Lungenfunktion zusätzlich verschlechtern.<sup>1, 8</sup> Für die Therapie ist es wichtig, den PA-Status eines Patienten zu kennen. Allerdings fehlt es derzeit noch an geeigneten Kriterien für die Definition der chronischen PA-Infektion bei erwachsenen CF-Patienten. Diese Lücke versuchten Hoo et al. zu schließen und definierten sechs praxisgerechte Kriterien. Die Hauptkriterien, die jedes für sich die Diagnose einer chronischen PAInfektion sichern, sind:</p> <ul> <li>≥ 3 PA-positive Abstriche aus den Atemwegen innerhalb eines Jahres (ausgeschlossen sind Proben, die während einer PA-Eradikation genommen werden, mehrere positive Proben im selben Monat werden dabei nur einmal gezählt)</li> <li>≥ 2 PA-positive Abstriche aus den Atemwegen, die mit einem Abstand von mindestens 3 Monaten innerhalb eines Jahres genommen wurden (ausgenommen PA-Eradikation)</li> </ul> <p>Weitere „untergeordnete“ Kriterien, von denen immer zwei für eine eindeutige Diagnose zutreffen müssen, sind:</p> <ul> <li>≥ 1 PA-positiver Abstrich im vorangegangenen Jahr (ausgenommen PA-Eradikation) und/oder ein stark positiver IgG-Antikörpertiter gegen PA (z. B. > 5 ELISA-Einheiten oder > 2 OD-Einheiten) oder ein Trend hin zu steigenden PAAntikörpertitern (ausgenommen Proben während einer PA-Eradikation)</li> <li>eine unzureichende Zahl PA-positiver Proben, um die Hauptkriterien zu erfüllen, bei Personen, die eine Langzeittherapie (> 3 Monate) mit inhalierbaren Antibiotika gegen PA erhalten</li> <li>≥ 2 im Abstand von mindestens 6 Monaten genommene PA-positive Proben desselben Typs (VNTR/Genotypisierung) und/oder ein übertragbarer PA-Stamm</li> <li>eine Person, die im vorangegangenen Jahr die Kriterien für eine chronische PA-Infektion erfüllt hat, aber im laufenden Jahr keine ausreichende Zahl PA-negativer Proben geliefert hat <ul> <li>mindestens 1 negative bronchoalveoläre Lavage (BAL) oder</li> <li>mindestens 4 negative Sputumkulturen oder</li> <li>mindestens 6 negative Proben jeglicher Art aus den Atemwegen<sup>9 </sup></li> </ul> </li> </ul> <h2>Therapie der Lungenmanifestation</h2> <p>Trotz der gestiegenen Lebenserwartung der Patienten ist die CF noch immer mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden, vor allem aufgrund der respiratorischen Symptome.<sup>3</sup> Daher ist das primäre Therapieziel, die Verschlechterung der Lungenfunktion zu verlangsamen und Exazerbationen zu reduzieren.<sup>8</sup> Essenziell ist dabei das Lösen des zähen Schleims in den Atemwegen. Derzeit empfehlen die Leitlinien der European Cystic Fibrosis Society (ECFS) als Dauertherapie nur das Mukolytikum Dornase alfa, das die Lungenfunktion verbessert und die Zahl der Exazerbationen reduziert.<sup>8</sup> Unterstützend können hypertone Kochsalzlösung (7 %) und Mannitol in inhalierbarer Form eingesetzt werden.<sup>8</sup> <br />Ebenso wichtig ist die konsequente Therapie von bakteriellen Infektionen. Neu aufgetretene PA-Infektionen sollten innerhalb von längstens vier Wochen nach einer positiven Bakterienkultur behandelt werden. Dazu stehen verschiedene Therapieregime zur Verfügung, wobei sich keines als überlegen erwiesen hat. Bei chronischen PA-Infektionen wird eine Langzeittherapie mit inhalierbaren Antibiotika (z. B. Tobramycin, Colistin, Aztreonam) eingeleitet. Für die Langzeitgabe von Antibiotika gegen andere bakterielle Infektionen gibt es derzeit keine ausreichende Evidenz.<sup>8 </sup></p> <h2>Spezielle Therapie mit CFTR-Modulatoren</h2> <p>Während die meisten Behandlungsoptionen bei CF rein symptomatisch sind, zielt die Therapie mit CFTR-Modulatoren auf die Gendefekte selbst. Zurzeit gibt es zwei Substanzklassen: Potentiatoren, die die Funktion des Ionenkanals verbessern oder wiederherstellen, und Korrektoren, die den Ionenkanal stabilisieren.<sup>8</sup> Der erste CFTR-Modulator, der 2012 eine Zulassung erhielt, war der CFTR-Potentiator Ivacaftor. Bei Patienten mit der Gaiting-Mutation G551D steigerte er den Chloridionentransport und damit auch die Lungenfunktion. Gleichzeitig senkte er die Exazerbationshäufigkeit.<sup>8, 10</sup> Das Ergebnis wurde in Studien mit anderen Gaiting-Mutationen betätigt. Allerdings machen diese nur etwa 5 % aller CF-Mutationen aus.<sup>8, 10</sup> Die Leitlinien der Cystic Fibrosis Foundation (CFF) empfehlen die Dauertherapie mit Ivacaftor bei CF-Patienten ab einem Alter von zwei Jahren mit mindestens einer G551D-CFTR-Mutation.<sup>11</sup> <br />Wird Ivacaftor mit dem Korrektor Lumacaftor kombiniert, so verbessert sich bei Patienten, die homozygot die häufigste Mutation, F508del, tragen, die Lungenfunktion um etwa 3 bis 4 % und ebenso verringert sich die Exazerbationsrate.<sup>12</sup> Dies betrifft in etwa 45 bis 50 % der CFPatienten – in Österreich rund 300 Patienten. 2015 wurde mit Orkambi die erste Fixkombination der beiden Wirkstoffe für CF-Patienten ab sechs Jahren mit homozygot vererbter F508del-Mutation zugelassen.<sup>13</sup> Das Medikament wurde in zwei Phase-III-Studien mit mehr als 1100 CFPatienten ab 12 Jahren mit F508del-Mutation getestet. Im Vergleich zu Placebo konnte es das prognostizierte FEV<sub>1</sub> um absolut 2,55 % (p < 0,0001) verbessern und die Exazerbationsrate um 39 % senken (p < 0,0001).<sup>14 </sup></p> <h2>Hürden der CF-Forschung</h2> <p>Da die CF eine systemische Krankheit ist, die verschiedene Organe betrifft, ist auch die Therapie komplex. Allerdings ist die Evidenz für die Therapieentscheidung lückenhaft, wie ein aktueller Review zeigt.<sup>15</sup> Die größten Probleme sind, dass Studien zu bestimmten Interventionen entweder ganz fehlen, zu geringe Teilnehmerzahlen aufweisen oder methodische Mängel haben. Vor allem für sehr spezielle Fragestellungen ist die Zahl der geeigneten Patienten oft sehr klein. Die Autoren betonen, dass gut geplante Studien mit einer ausreichenden Power zu patientenrelevanten Outcomes notwendig sind, um wenigstens manche Evidenzlücken zu schließen. Sie motivieren dazu, sich in Forschungsnetzwerken zu engagieren, was die Rekrutierung von Patienten erleichtert.<sup>15</sup></p> </div></p>
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<p><strong>1</strong> Elborn JS: Cystic fibrosis. Lancet 2016; 388: 2519-31 <strong>2</strong> ECFS Patient Registry: Annual Data Report 2017 (www.ecfs. eu/projects/ecfs-patient-registry/annual- reports; Zugriff 7.8.19) <strong>3</strong> Frischer T et al.: Cystic fibrosis in Austria. Wien Klin Wochenschr 2017; 129: 527-32 <strong>4</strong> Burgel PR et al.: Future trends in cystic fibrosis demography in 34 European countries. Eur Respir J 2015; 46: 133-41 <strong>5</strong> Sorcher EJ: Cystic Fibrosis. In: Harrison’s Principles of Internal Medicine. cGraw-Hill Education Ltd, New York, 2015 <strong>6</strong> Wright CC, Vera YY: Cystic fibrosis. In: Pharmacotherapy: a pathophysiologic approach. McGraw- Hill Education Ltd, New York, 2016 <strong>7</strong> Moran A et al.: Cystic fibrosis– related diabetes: current trends in prevalence, incidence, and mortality. Diabetes Care 2009; 32: 1626-31 <strong>8</strong> Castellani C et al.: ECFS best practice guidelines: the 2018 revision. J Cyst Fibros 2018; 17: 153-78 <strong>9</strong> Hoo ZH et al.: Pragmatic criteria to define chronic pseudomonas aeruginosa infection among adults with cystic fibrosis. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2018; 37: 2219-22 <strong>10</strong> DeSimone E et al.: Cystic Fibrosis: Update on Treatment Guidelines and New Recommendations. US Pharm 2018; 43: 16-21 <strong>11</strong> Ren CL et al.: Cystic Fibrosis Foundation Pulmonary Guidelines: use of cystic fibrosis transmembrane conductance regulator modulator therapy in patients with cystic fibrosis. Ann Am Thorac Soc 2018; 15: 271-80 <strong>12</strong> Wainwright CE et al.: Lumacaftorivacaftor in patients with cystic fibrosis homozygous for Phe508del CFTR. N Engl J Med 2015; 373: 220-31 <strong>13</strong> Orkambi – EPAR Product Information (www.ema.europa. eu/documents/product-information/orkambi-epar-productinformation_ en.pdf; Zugriff 9.8.19) <strong>14</strong> Wainwright CE et al.: Lumacaftor-ivacaftor in patients with cystic fibrosis homozygous for phe508del CFTR. N Engl J Med 2015; 373: 220-31 <strong>15</strong> Rowbotham NJ et al.: Gaps in the evidence for treatment decisions in cystic fibrosis: a systematic review. Thorax 2019; 74: 229-36</p>
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