
Triage von Covid-19-Patienten in der Hausarztpraxis
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Üblicherweise stehen vor allem hospitalisierte Patienten mit einer schweren Covid-19-Erkrankung im Fokus der Diskussion. Am WebUp Pneumologie wurden die Triage und die Behandlung von Covid-19-Patienten in der Hausarztpraxis besprochen. Ein weiterer Vortrag befasste sich mit dem Auftreten der Post-Covid-Lungenfibrose.
Über pulmonale Infekte zu sprechen, ohne SARS-CoV-2 zu erwähnen, ist zurzeit praktisch unmöglich. «Das zentrale und beängstigende Symptom von Covid-19 ist die Dyspnoe», sagte PD Dr. med. Daniel Franzen von der Klinik für Pneumologie am Universitätsspital Zürich. Die Ausprägung der Dyspnoe ist zugleich das entscheidende Merkmal für die Triage der Patienten. Eine schwere Dyspnoe stellt die Indikation für eine Spitaleinweisung dar. Das Gleiche gilt für Patienten mit mässiger Dyspnoe, einer niedrigen Sauerstoffsättigung (SaO2 <90%) und weiteren klinischen Hinweisen für eine ernsthafte Pneumonitis. Personen mit einer leichten bis mässigen Dyspnoe, reduzierter SaO2 und Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf sollten in die Hausarztpraxis einbestellt werden.
In den Bereich der ambulanten Behandlung gehört die Information des Patienten über die Symptome einer Krankheitsverschlechterung und über Massnahmen zur Infektionskontrolle (Selbstisolation, Impfung). Die medikamentöse Therapie orientiert sich an Symptomen, wie Fieber, Husten und Kopfschmerzen etc. Die Durchführung spezifischer Laborkontrollen, inkl. Bestimmung der D-Dimere, im ambulanten Setting wird nicht empfohlen. Eine generelle Empfehlung für die Behandlung mit Kortikosteroiden, wie beispielsweise Dexamethason, Antibiotika, Antikoagulanzien oder Aspirin, resp. für eine Thromboseprophylaxe, existiert in dieser Situation ebenfalls nicht. Einzige Ausnahme: Bei Patienten mit einer positiven Anamnese für venöse Thromboembolien, die immobilisiert sind oder an einer Adipositas leiden (BMI >30kg/m2), kann für die Dauer von sechs Wochen eine Therapie mit Rivaroxaban 10mg/d in Erwägung gezogen werden.
Anhaltendes Risiko für Thrombo-embolien nach Hospitalisierung
Venöse (VTE) und arterielle (ATE) Thromboembolien sind eine häufige Komplikation von Covid-19 und entstehen als Folge der Koagulopathie und der direkten vaskulären und endothelialen Schädigung.1 Ob das Risiko für eine ATE/VTE auch nach der Hospitalisation wegen Covid-19 anhält, hat eine Studie bei 4906 Patienten des CORE-19-Registers untersucht. Es zeigte sich eine Häufigkeit des primären zusammengesetzten Endpunkts (VTE, ATE, Gesamtmortalität) während des 90-tägigen Follow-ups von 7,13%, die mit folgenden Faktoren assoziiert war: fortgeschrittenes Alter, kardiovaskuläre Risiken, chronische Nierenerkrankung (CKD), IMPROVEDD-VTE-Score >4 und Dauer des Aufenthalts auf der Intensivpflegestation.2 Der IMPROVEDD-VTE-Score ist eine Modifikation des IMPROVE(«International Medical Prevention Registry on Venous Thromboembolism»)-Scores.3 Dieser berücksichtigt für eine bessere Risikoeinschätzung zusätzlich die D-Dimer-Werte des Patienten. Die D-Dimer-Konzentration liefert wichtige Hinweise auf den Schweregrad von Covid-19. Eine kürzlich publizierte Studie konnte nun zeigen, dass mit der D-Dimer-Konzentration auch das Risiko für eine Lungenembolie bei Covid-19 zunimmt. Bei D-Dimer-Werten von 1–1,2mg/l betrug die Prävalenz für eine Lungenembolie 1,2%. Bei Werten ≥5mg/l wies fast die Hälfte der Patienten eine Lungenembolie auf.4
Keine Empfehlung für ICS
Eine ambulante Behandlung von Covid-19-Patienten mit inhalativen Steroiden (ICS) wird aktuell nicht empfohlen. Die Ergebnisse der Mitte des Jahres erschienenen STOIC(«Steroids in Covid-19»)-Studie, einer randomisierten «open-label» Phase-II-Studie, hatten gezeigt, dass die frühzeitige Behandlung mit Budesonid die Wahrscheinlichkeit einer Notfallbehandlung oder Hospitalisation infolge Covid-19 im Vergleich zu Placebo reduzierte und schneller zur Symptomfreiheit führte.5 «Aufgrund verschiedener Limitationen, wie z.B. der fehlenden Verblindung, der niedrigen Patientenzahl und des hohen Anteils von Asthmapatienten in der Studienpopulation, sind die Ergebnisse lediglich Hypothesen-generierend, aber nicht ausreichend für eine generelle Behandlungsempfehlung», sagte Franzen.
Post-Covid-19-Lungenfibrose
Im Sommer 2020 wurde über erste Fälle von fibrotischen Veränderungen nach schwerer Covid-19-Erkrankung berichtet. Ob es sich bei dem Titel einer kürzlich erschienenen Publikation «Post-Covid lung fibrosis: the tsunami that will follow the earthquake» um ein realistisches Szenario handelt oder lediglich um einen reisserischen Titel, dieser Frage ging PD Dr. Dr. med. Karin Hostettler Haack, Oberärztin Pneumologie am Universitätsspital Basel, am WebUp Pneumologie nach.6 Schätzungsweise 10% aller Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion entwickeln eine schwere Pneumonie, davon ca. 5% ein ARDS («acute respiratory distress syndrome»). Die häufigste Todesursache bei diesen Patienten ist ein schwerer Lungenschaden, der sich anhand von Autopsiedaten morphologisch in vier Stadien einteilen lässt. Ein Frühstadium (Tag 0–1) mit intraalveolärer Ödembildung, Epithelschädigung und Kapillaritis, gefolgt von einer exsudativen Phase (Tag 1–7) mit diffuser alveolärer Schädigung. Die anschliessende Organisationsphase kann mehrere Wochen dauern. In dem über Wochen bis Monate andauernden vierten Stadium kann es zu einer Fibrosierung des Lungengewebes kommen.7 Die Post-Covid-19-Lungenfibrose ist also eine Tatsache. Die Häufigkeit einer solchen Spätfolge ist aber niedriger, als der Titel der Publikation suggeriert.
Fibrotische Lungenveränderungen nehmen mit der Zeit spontan ab
Wie die noch unpublizierten Daten einer Untersuchung am Universitätsspital Basel bei 35 Patienten nach schwerer Covid-19-Pneumonie zeigten, hatten drei Monate nach dem Krankheitsbeginn 23 (66%) Patienten eine normale und 12 (34%) eine eingeschränkte Lungenfunktion. Bei 21 (62%) Patienten fanden sich im Thorax-CT Residuen, wie Milchglasopazitäten und diskrete Retikulationen, 6 Patienten (17%) wiesen fibrotische Veränderungen auf. Bei circa der Hälfte der Patienten mit einer normalen und 10 der 12 Patienten mit einer eingeschränkten Lungenfunktion war die Leistungsfähigkeit (VO2max) eingeschränkt. «Die häufigste Ursache hierfür war jedoch nicht die pulmonale Limitierung, sondern eine allgemeine Dekonditionierung», so Hostettler.
Eine Studie aus Österreich, die das pulmonale Outcome 60 und 100Tage nach Beginn von Covid-19 untersuchte, zeigte vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich der Lungenfunktion.8 Die Thorax-CT zeigte zwischen dem ersten und dem zweiten Follow-up einen spontanen Rückgang von pathologischen Veränderungen, wie z.B. von Uhrglas-Opazitäten (–18%) oder Konsolidationen (–57%). «Die bisher verfügbaren Daten demonstrieren, dass die Mehrzahl der fibrotischen Lungenveränderungen nach Covid-19 im Verlauf von Monaten abnimmt und sich die Lungenfunktion erholt», sagte die Spezialistin. Bei einem kleinen Teil der Patienten persistierten die Veränderungen und bei einer sehr kleinen Subgruppe von Patienten nahm die Fibrose weiter zu.6
Prävention schwerer Covid-Verläufe könnte Fibrosen verhindern
Fibrotische Veränderungen sind allerdings keine spezifische Folge einer Pneumonie infolge SARS-CoV-2-Infektion, sondern treten auch bei anderen schweren viralen Pneumonien auf.9 Die Ursache ist vermutlich multifaktoriell bedingt: Neben dem viralen Trigger tragen wahrscheinlich die Toxizität hoher Sauerstoffkonzentrationen und die Ventilator-bedingten Gewebeverletzungen zu der Entwicklung bei.6 Zu den Prädiktoren gehören ein fortgeschrittenes Lebensalter, die Schwere der Erkrankung und die Länge des Aufenthalts auf der Intensivpflegestation sowie die Beatmungsdauer etc. Für die Entwicklung einer schweren progressiven Post-Covid-19-Fibrose scheinen insbesondere Personen gefährdet zu sein, die eine genetische Prädisposition für eine Fibrose aufweisen. «Wahrscheinlich lässt sich durch die Prävention schwerer Verläufe auch das Auftreten von Post-Covid-19-Fibrosen verhindern», sagte die Spezialistin. Die wichtigste Massnahme sei deshalb eine rasche und flächendeckende Impfung.
Nutzen antifibrotisch wirksamer Medikamente unklar
Eine wichtige Massnahme, um das pulmonale Outcome von Patienten mit Covid-19 und respiratorischer Insuffizienz zu verbessern, ist die Behandlung mit Dexamethason. Wie die RECOVERY-Studie gezeigt hat, konnte die Mortalitätsrate, im Vergleich zur Standardtherapie, durch die Behandlung mit Dexamethason (6mg/d über 10Tage) signifikant reduziert werden (primärer Endpunkt; «rate ratio» 0,83; p<0,001).10 Im Anschluss an die Hospitalisierung von Patienten mit schwerem Covid-19-Verlauf wird eine Rehabilitationsbehandlung und – bei entsprechender Indikation – eine Langzeit-Sauerstofftherapie vorgeschlagen. Bei persistierenden Milchglasopazitäten oder Konsolidationen in der Thorax-CT kann eine prolongierte Therapie mit systemischen Steroiden (Prednisolon 20–30mg/d) in Erwägung gezogen werden. Bislang unklar ist der Nutzen von antifibrotischen Medikamenten, wie Nintedanib (Ofev®) oder Pirfenidon (Esbriet®). «Die Therapie kann bei Patienten mit einer dokumentierten progressiven Fibrose in Erwägung gezogen werden und sollte idealerweise im Rahmen von klinischen Studien stattfinden», sagte Hostettler. Einschränkend muss festgehalten werden, dass es sich bei den Behandlungsvorschlägen um keine evidenzbasierten Empfehlungen handelt.
Quelle:
Forum für medizinische Fortbildung, WebUp Pneumologie, 16. August 2021
Literatur:
1 Poor HD: Pulmonary thrombosis and thromboembolism in COVID-19. Chest 2021 [Online ahead of print] 2 Giannis D et al.: Postdischarge thromboembolic outcomes and mortality of hospitalized patients with COVID-19: the CORE-19 registry. Blood 2021; 137: 2838-47 3 Gibson CM et al.: The IMPROVEDD VTE risk score: incorporation of D-dimer into the IMPROVE score to improve venous thromboembolism risk stratification. TH Open 2017; 1: e56-65 4 Korevaar DA et al.: Routine screening for pulmonary embolism in COVID-19 patients at the emergency department: impact of D-dimer testing followed by CTPA. J Thromb Thrombolysis 2021; 1-6 [Online ahead of print] 5 Ramakrishnan S et al.: Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open-label, randomised controlled trial. Lancet Respir Med 2021; 2021; 9: 763-72 6 Udwadia ZF et al.: Post-COVID lung fibrosis: the tsunami that will follow the earthquake. Lung India 2021; 38: 41-7 7 Bösmüller H et al.: The pulmonary pathology of COVID-19. Virchows Arch 2021; 478: 137-50 8 Sonnweber T et al.: Cardiopulmonary recovery after COVID-19: an observational prospective multicentre trial. Eur Respir J 2021; 57: 2003481 9 Fabbri L et al.: Post-viral parenchymal lung disease of COVID-19 and viral pneumonitis: a systematic review and meta-analysis. www.medrxiv.org ; https://doi.org/10.1101/2021.03.15.21253593 10 Horby P et al.: Dexamethasone in hospitalized patients with covid-19. N Engl J Med 2021; 384: 693-704
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