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Therapie der idiopathischen pulmonalen Fibrose: Enttäuschung und Hoffnung
Jatros
30
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06.10.2016
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<p class="article-intro">Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) wird durch zunehmende Vernarbung von Lungengewebe und in der Folge rasche Abnahme von Lungenfunktion charakterisiert. Obwohl die IPF als seltene Erkrankung gilt, sollte ihre Inzidenz angesichts der insgesamt ungünstigen Prognose nicht unterschätzt werden. Mehrere Sitzungen im Rahmen des ERS 2016 beschäftigten sich mit therapeutischen Interventionen bei IPF.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Sitzung zu neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der idiopathischen pulmonalen Fibrose (IPF) begann mit einer Enttäuschung. Simtuzumab, ein monoklonaler Antikörper gegen das Enzym LOXL2 (Lysyl oxidase homolog 2) hat sich in einer kontrollierten Phase-II-Studie als wirkungslos erwiesen.<sup>1</sup> Damit wird die Geschichte eines Therapieansatzes, in den man große Hoffnung gesetzt hatte, vermutlich frühzeitig enden. Das Enzym LOXL2 wird nach Gewebeschädigungen freigesetzt und katalysiert die Vernetzung von fibrillärem Kollagen. „LOXL2 ist ein extrazelluläres Matrix-Enzym, das auch das Matrix-Remodelling und die Bildung von pathologischem Stroma treibt. LOXL2 ist damit ein Enzym, das eine zentrale Rolle im Prozess der Fibrosierung spielt“, erklärt Prof. Dr. Ganesh Raghu von der University of Washington. Simtuzumab bindet hochselektiv an LOXL2 und hat sich in präklinischen Modellen als hochwirksam in der Inhibition von Fibrose erwiesen. Das hat sich im klinischen Setting nicht bestätigt. Im Vergleich zu Placebo verlängerte Simtuzumab das progressionsfreie Überleben weder in der Intent-to-treat(ITT)-Population noch in einer Subgruppe von Patienten mit erhöhten LOXL2-Spiegeln (Abb. 1). Progression war dabei definiert durch Tod oder Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC predicted) um mehr als 10 % relativ oder 5 % absolut. Die Patienten konnten zusätzlich die beiden zugelassenen IPF-Therapien Pirfenidon oder Nintedanib erhalten. Auch beim Gesamtüberleben oder der Abnahme der FVC predicted wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet. Ebenso wenig bei allen anderen Endpunkten wie Hospitalisierungen oder 6-Minuten-Gehstrecke. Passend zu diesen Befunden war auch die Verträglichkeit im Verum- und Placeboarm absolut vergleichbar. Die Daten zeigen auch keine Hinweise auf eine mögliche Interaktion mit Pirfenidon.<br /> Die Ergebnisse wurden nicht nur von den Autoren, sondern generell in der mit IPF-Forschung beschäftigten Community als herbe Enttäuschung gesehen und intensiv diskutiert. Mehrere mögliche Erklärungen für das Versagen des Hoffnungsträgers bieten sich an. Die Annahmen zu Pharmakokinetik und Pharmakodynamik des Antikörpers basieren auf einem Tiermodell, da beim Menschen keine brauchbaren Marker dafür bekannt sind. Weiters besteht die Möglichkeit, dass andere Enzyme wie zum Beispiel LOXL1 oder 3 die Funktion von LOXL2 übernehmen können. Auch sei es möglich, dass die Inhibition von LOXL2 über andere Pathways krankheitsspezifische paradoxe Effekte zeigt. Simtuzumab wird gegenwärtig auch in anderen Indikationen, die mit Fibrosierung verbunden sind, untersucht. Nicht zuletzt besteht jedoch, so Prof. Raghu, auch die Möglichkeit, dass eine Reduktion der Vernetzung von Kollagen nicht ausreicht, um die Progression der IPF zu vermindern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1605_Weblinks_seite21.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Langes Überleben unter Voraussetzung guter Adhärenz</h2> <p>Die Frage, ob antifibrotische Therapie die Lungenfunktion besser erhalten kann, wenn sie bereits in der Frühphase der IPF eingesetzt wird, wurde in einer Analyse der Studien CAPACITY und REACP untersucht.<sup>2</sup> Prof. Dr. Paul Noble vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles unterstreicht, dass es bislang keine Studiendaten gibt, die die Festlegung eines idealen Zeitpunkts für den Therapiebeginn erlauben und Post-hoc-Subgruppenanalysen daher dazu beitragen können, dass die Evidenzlücke zumindest etwas kleiner wird. Patienten aus den CAPACITY-Studien (mit Ausnahme der negativen CAPACITY 006) wurden nach 72 Wochen in die offene Studie RECAP übernommen. Ab diesem Zeitpunkt wurden Placebopatienten auf das Verum Pirfenidon umgestellt. Die Umstellung erfolgte allerdings erst zu dem Zeitpunkt, als der letzte Patient CAPACITY abgeschlossen hatte. Noble und sein Team errechneten, ob Pirfenidon bei Patienten mit besser erhaltener Lungenfunktion, die zunächst mit Placebo behandelt worden waren und dann auf Pirfenidon umgestellt wurden, einen anderen Effekt zeigte als bei Patienten, die von Anfang an Pirfenidon erhielten. Die Antwort lautet: Nein. Oder anders formuliert: Laut dieser Auswertung der Daten verlangsamt Pirfenidon den Verlust an Lungenfunktion von IPF-Patienten zu jedem untersuchten Zeitpunkt der Erkrankung im gleichen Maß. Auch im Hinblick auf Sicherheit und Nebenwirkungen wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen gefunden.<br /> Von derselben Gruppe stammt eine gepoolte Analyse der Sicherheitsdaten aus vier klinischen Studien zu Pirfenidon.<sup>3</sup> Berücksichtigt wurde dabei auch die offene Langzeitstudie RECAP. Die Auswertung zeigte ein gemischtes Bild: einerseits durchaus erhebliche Nebenwirkungen der Therapie, die jedoch weitgehend dem entsprachen, was angesichts der klinischen Studien zu erwarten war, andererseits eine suboptimale Adhärenz der Patienten. Die Auswertung ergab, dass Patienten die Therapie im Schnitt 25,9 Monate durchhalten und Abbrüche häufig waren. Praktisch alle Patienten gaben zumindest eine Nebenwirkung an, bei 57 % war es eine schwere Nebenwirkung. Andererseits zeigte sich jedoch für Patienten, die auf Therapie blieben, ein überaus erfreuliches Gesamtüberleben von 82,6 Monaten, das die Erwartungen der Autoren deutlich übertraf. Man solle diese Zahl, so Prof. Noble, den Patienten besser kommunizieren, um sie auch beim Auftreten von Nebenwirkungen zu motivieren, ihre Therapie weiterhin einzunehmen.<br /> Auch zum in der Indikation IPF zugelassenen Tyrosinkinaseinhibitor und Angiokinasehemmer Nintedanib wurden in London aktuelle Daten vorgestellt. Prof. Dr. Athol Wells vom Royal Brompton Hospital stellte einen neuen Algorithmus zur Einstufung des klinischen Zustandes der Patienten vor. Dieser „composite physiologic index“ (CPI) setzt sich aus DLCO, FVC und FEV<sub>1</sub> zusammen und hat den Vorteil, dass er mit dem Grad der Fibrosierung der Lunge auch dann korreliert, wenn zusätzlich zur IPF auch ein Emphysem vorhanden ist. Prof. Wells präsentierte eine Analyse der INPULSIS-Studien unter dem Gesichtspunkt des CPI und gelangte zu dem Schluss, dass die im Vergleich zu Placebo überlegene Wirksamkeit von Nintedanib auch dann erhalten bleibt, wenn statt der forcierten Vitalkapazität der CPI für die Bewertung der Fibrose verwendet wird.<sup>4</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Raghu G et al: Simtuzumab in idiopathic pulmonary fibrosis: results of a randomized clinical trial. ERS-Abstract OA1807 <strong>2</strong> Noble P et al: Benefit of treatment with pirfenidone persists over time in patients with idiopathic pulmonary fibrosis with limited lung function impairment. ERS-Abstract OA1809 <strong>3</strong> Noble P et al: Long-term safety of pirfenidone (PFD) in patients with idiopathic pulmonary fibrosis (IPF): pooled analysis of <strong>4</strong> clinical trials. ERS-Abstract OA1808 4 Wells A et al: Effect of baseline composite physiologic index on benefit of nintedanib in IPF. ERS-Abstract OA1811</p>
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