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47. Jahrestagung der ÖGP

Bedeutung und Stärkung von Selbstmanagement bei COPD

Selbstmanagement nimmt bei der Versorgung chronischer Erkrankungen einen zunehmend hohen Stellenwert ein. Auch bei der COPD ist dieses Konzept seit einigen Jahren wichtiger Bestandteil der Empfehlungen der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). Doch so einfach der Begriff wirkt, in der Umsetzung birgt die Unwissenheit über Selbstmanagement-Konzepte Lücken in der optimalen Versorgung chronisch Kranker.

Keypoints

  • Der Fokus auf das Selbstmanagement sollte allen Behandlungen und Betreuungen von COPD-Patient:innen zugrunde liegen.

  • Selbstmanagement-Schulung geht über die reine Patient:innenedukation, die oft die korrekte Medikamenteneinnahme als Inhalt hat, hinaus.

  • Ohne Integration des Selbstmanagements funktionieren in der Versorgung von COPD-Patient:innenauch Aktionspläne nicht gut.

  • Selbstmanagement von COPD-Patient:innen kann in jeder Krankheitsphase und von verschiedenen Berufsgruppen gleichermaßen angesprochen und gestärkt werden.

Einleitung

Eine tragende Säule bei der medikamentösen Therapie von COPD ist die Inhalation von Medikamenten. Die entscheidende Rolle in der Inhalation und in diesem Sinn einen direkten Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat damit der/die betroffene Patient:in.1 Die GOLD-Leitlinien 2023 weisen auf den Umstand hin, dass der/die Patient:in durch die korrekte Einnahme der Therapie, die Selbsterkennung und richtige Reaktion auf eine Exazerbation und das Ausschöpfen aller vorhandenen Ressourcen maßgeblich zu einem besseren Verlauf der Erkrankung beitragen kann.2 Die betreuenden Gesundheitsdienste sollen in diesem Zusammenhang die korrekte Durchführung der Inhalation, das Selbstmanagement der Erkrankung insgesamt und die Gesundheitskompetenz der betroffenen Patient:innen als Voraussetzung für ein erfolgreiches Selbstmanagement unterstützen.

Selbstmanagement an sich wird in Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen wie der COPD als Bündel von spezifischen Kompetenzen und Fähigkeiten verstanden, mit denen die physischen und emotionalen Auswirkungen von Krankheit mit oder ohne professionelle Unterstützung bewältigt werden.3 Diese Kompetenzen müssen erworben bzw. unterstützt werden, was durch die Fülle an gesundheitsbezogenen Informationen für die einzelnen Betroffenen mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, wie Soellner R et al. anmerken.4

Selbstmanagement bei COPD – bisherige Ansätze

Die Anfänge des Begriffes Selbstmanagement und wie wertvoll dieser Ansatz für Betroffene sein kann, finden sich beispielsweise bei GOLD 20175: „Self-management intervention with communication with a health care professional improves health status and decreases hospitalizations and emergency department visits.“ Allerdings wird bereits bei GOLD 2017 darauf hingewiesen, dass bei einem Zugang über Patient:innenschulung eine langfristige Verhaltensänderung das Ziel sein sollte, dies durch eine Schulung alleine allerdings nicht erreicht werden kann:5 „Education is needed to change patient’s knowledge but there is no evidence that used alone it will change patient behavior.“

Der Faktor korrekte Medikamenteneinnahme, ein wichtiger Bestandteil im Rahmen der COPD-Behandlung, wird durch Patient:innenschulungen als Teil von Selbstmanagement-Programmen positiv zu beeinflussen versucht. Selbstmanagement-Programme erzielen bisher allerdings keine zufriedenstellende Verbesserung dieses Parameters.6 Die Inhalation ist der Kern der Medikamenteneinnahme bei COPD7 und gilt auch als Beispiel für den Grad der Bereitschaft der betroffenen Patient:innen, den Verlauf ihrer Erkrankung durch optimales Mitwirken im Sinne des Selbstmanagements zu unterstützen. Dabei wird die korrekte Inhalation als Beispiel des Gesundheitsverhaltens definiert, das durch Edukationsmaßnahmen auch von Behandler:innen beeinflusst werden kann.6 Die Fehlerquoten betreffend die korrekte Medikamenteneinnahme sind allerdings als Parameter der Beeinflussung von Betroffenen ein Zeichen dafür, dass es in diesem Zusammenhang noch Luft nach obengibt. Hier haben sich die Fehlerquoten mit 60% bis über 80 % seit vielen Jahren auf einem sehr hohen Niveau eingependelt.7–10 Dies zeigt auch, wie wenigsinnvoll eserscheint, den Fokus nur auf diesen einen Faktor der Beeinflussung der Erkrankung zu richten.

GOLD 2023 hat die Empfehlung dahingehend erweitert, dass beim initialen Management von COPD-Patient:innen auch die „self management education“ erhoben werden soll.2 Darunter fallen neben der Inhalationstechnik und der Erfassung der Atemnot auch ein „risk factor management“ und ein „written action plan“. Bei weiteren Erhebungszeitpunkten im Management von COPD-Patient:innen sollen stets „self management skills“ erhoben werden, wobei wieder ein Bezug auf die Atemnot und den „written action plan“ genommen wird.

Das Ziel dieser Aktionspläne, die also als dauerhafte Begleiter in der Betreuung von COPD-Patient:innen angesehen werden sollten, sind neben der reinen Wissenssteigerung die korrekte Reaktion auf unterschiedliche Symptome imlangjährigen Verlauf der Erkrankung und damit eine insgesamt verbesserte Krankheitsentwicklung. Beispielhaft wird in Abbildung 1 ein Aktionsplan bei COPD dargestellt.

Abb. 1: Aktionsplan bei COPD (modifiziert nach Barrecheguren M, Bourbeau J 2017)6

Allerdings hat die reine Verwendung von Aktionsplänen ohne zugrundeliegende Einbeziehung des kompletten Selbstmanagements anderweitige Effekte bei COPD: So wird kurzfristig eher eine gehäufte Einnahme von Medikamenten beschrieben und langfristig wiederum kein Effekt auf die Verhaltensweisen der Betroffenen.11–13

Aktueller Lösungsansatz zur Steigerung des Selbstmanagements

Auch Selbstmanagement-Programme, die über einen Aktionsplan hinausgehen, werden bisher uneinheitlich umgesetzt, kaum reflektiert und insgesamt als nicht effektiv dargestellt, vor allem wenn es um die Steigerung des Parameters „korrekte Medikamenteneinnahme“ geht.3,6,14–16 Daher wurde ein Ansatz gewählt, der ein Selbstmanagement-Assessment-Tool direkt aus Sicht der Betroffenen entwickeln soll und sowohl in allen Phasen der Erkrankung als auch von verschiedenen involvierten Berufsgruppen angewendet werden kann. Dafür wurden Interviews mit Betroffenen geführt. Anhand von Determinanten der Gesundheitskompetenz17 und direkt aus Beschreibungen der Sicht der Patient:innen wurden Kategorien entwickelt, die es ermöglichen sollen, ein Verständnis für Selbstmanagement bei den Behandler:innen und gleichzeitig dessen Steigerung in allen Phasen der Erkrankung zu erreichen.

Als wissenschaftliche Methode zur Entwicklung dieses neuartigen Ansatzes wurde die zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring P 201518 gewählt, die eine Hypothesenfindung und Theoriebildung durch induktive Herangehensweise ermöglicht. Zu den zentralen zwei Kategorien, die daraus entwickelt wurden, zählen einerseits die Phasen des eigenen Zugangs, die sich entlang der Entwicklung der Erkrankung und der subjektiven Empfindung der Betroffenen orientieren und in Abbildung 2 dargestellt werden.

Abb. 2: Phasen des eigenen Zugangs – die eigene Definition von Selbstmanagement (modifiziert nach Täubl H 2023)

Andererseits werden die Ansätze externer Faktoren, also die Möglichkeiten der Beeinflussung der Umgebung, Angehöriger sowie der Gesundheitsberufe, in mehreren Subkategorien dargestellt, die von Behandler:innen angesprochen und bearbeitet werden sollten, um bei Betroffenen das individuelle Selbstmanagement zur positiven Beeinflussung der Erkrankung anzuregen oder zu steigern. Diese Kategorien inklusive der zugehörigen Subkategorien zur näheren Erläuterung einzelner Aspekte werden in Abbildung 3 dargestellt. Dies sollte als eine Art Checkliste für alle Berufsgruppen dienen, die bei Erkrankten den Verlauf der COPD durch Steigerung des Selbstmanagements und damit Steigerung der individuellen Gesundheitskompetenz erreichen möchten.

Abb. 3: Externe Faktoren des Selbstmanagements (modifiziert nach Täubl H 2023)

1 Lareau S, Hodder R: Teaching inhaler use in chronic obstructive pulmonary disease patients. J Am Assoc Nurse Pract 2012; 24: 113-20 2 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD): Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. 2023 report. https://goldcopd.org/ 2023-gold-report-2/ ; zuletzt aufgerufen am 15.1.2024 3 Haslbeck J, Schaeffer D: Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit: Geschichte, Konzept und Herausforderungen. Pflege 2007; 20: 82-92 4 Soellner R et al.: Gesundheitskompetenz – ein vielschichtiger Begriff. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie 2009, 17(39: 105-13 5 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD): Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. 2017 report. https://goldcopd.org/wp-content/uploads/2017/02/wms-GOLD-2017-FINAL.pdf ; zuletzt aufgerufen am 15.1.2024 6 Barrecheguren M, Bourbeau J: Self-management strategies in chronic ob-structive pulmonary disease: a first step toward personalized medicine. Curr Opin Pulm Med 2017; 23: 1-8 7 Molimard M et al.: Chronic obstructive pulmonary disease exacerbation and inhaler device handling: real-life assessment of 2935 patients. Eur Respir J 2017; 49: 1601794 8 Arora P et al.: Evaluating the technique of using inhalation device in COPD and bronchial asthma patients. Respir Med 2014; 108: 992-8 9 Lareau S, Yawn BP: Improving adherence with inhaler therapy in COPD. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2010: 5:401-6 10 Beerendonk I et al.: Assessment of the inhalation technique in outpatients with asthma or chronic obstructive pulmonary disease using a metered-dose inhaler or dry powder device. J Asthma 1998: 35(3): 273-9 11 Howcroft M et al.: Action plans with brief patient education for exacerbations in chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016: 12 (12): CD005074 12Wu SF et al.: Effects of an osteo-arthritis self-management programme. J Adv Nurs 2011; 67(7): 1491-501 13 Walters JAE et al.: Action plans with limited patient education only for exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev 2010; 12(5): CD005074 14 Korpershoek YJG et al.: Factors influencing exacerbation-related self-management in patients with COPD: a qualitative study. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 2977-90 15 Disler RT et al.: Empowerment in people with COPD. Patient Intell 2016; 8: 7-20 16 Effing TW et al.: Self-management programs for COPD: Moving forward. Chron Respir Dis 2012; 9(1): 27-35 17 Sörensen, K et al.: Health literacy and public health: A systematic review and integration of definitions and models. BMC Public Health 2012; 12(80): 1-13 18 Mayring P: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12. Auflage. Weinheim Basel: Beltz 2015

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