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PneumoUpdate 2016

Schlaf und NIV

<p class="article-intro">Sowohl die Schlafmedizin als auch die Intensivmedizin sollten gemeinsam betrachtet werden. Denn Patienten auf Intensivstationen mit Schlafstörungen entwickeln häufig Atemstörungen, die wiederum Interventionen nach sich ziehen. Bei der nicht invasiven Beatmung (NIV) scheinen höhere Beatmungsdrücke das Überleben zu verlängern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite21.jpg" alt="" width="858" height="446" /></p> <h2>NIV bei COPD und Hyperkapnie: der neue Goldstandard?</h2> <p>&bdquo;Als Goldstandard werden Verfahren bezeichnet, die bisher un&uuml;bertroffen sind&ldquo;, so OA Dr. David Walker, II. Medizinische Klinik/Pneumologie, Lungenzentrum Bodensee, Klinikum Konstanz. &bdquo;In den COPD-GOLD-Guidelines gibt es derzeit nicht gen&uuml;gend Beweise, um irgendwelche Empfehlungen hinsichtlich NIV zu machen.&ldquo;<br /> COPD-Patienten mit respiratorischer Insuffizienz haben eine &uuml;berlastete Atempumpe und eine reduzierte Atemmuskelkraft. &bdquo;Das Ziel der NIV ist es, die Atemmuskulatur zu entlasten&ldquo;, so Walker.<br /> <br /><strong> Beatmungsdruck</strong><br /> Niedrige Beatmungsdr&uuml;cke bei NIV scheinen keinen &Uuml;berlebensvorteil zu bringen.<sup>1, 2</sup> Physiologischerweise bringt erst eine hohe Beatmungsintensit&auml;t eine deutliche Entlastung der Atempumpe.<sup>3</sup> &bdquo;Im deutschen Sprachraum arbeiten wir mit wesentlich h&ouml;heren Beatmungsdr&uuml;cken&ldquo;, kommentiert Walker. Dreher et al<sup>4</sup> ver&shy;glichen NIV mit hohen vs. niedrigen Dr&uuml;cken (IPAP 28,6mbar und EPAP 4,5mbar vs. IPAP 14mbar und EPAP 4mbar). Walker: &bdquo;Sehr deutlich konnte gezeigt werden, dass eine hohe Beatmungsintensit&auml;t das PaCO<sub>2</sub> signifikant von &uuml;ber 60 auf unter 50mmHg senken kann. Unterschiede hinsichtlich der Schlafqualit&auml;t zwischen Patienten mit niedrigintensiver NIV vs. hochintensiver NIV gab es nicht.&ldquo;<br /> <br /> In einer randomisierten kontrollierten Studie von K&ouml;hnlein et al<sup>5</sup> wurde das &Uuml;berleben bei Patienten mit NIV untersucht. Unter NIV konnte nach zw&ouml;lf Monaten das PaCO<sub>2</sub> von 60 auf 48,8mmHg reduziert werden. Die Mortalit&auml;t in der NIV-Gruppe lag bei 12 % , in der Kontrollgruppe dagegen bei 33 % .<br /> <br /><strong> Leitlinie</strong><br /> &bdquo;Zur nicht invasiven und invasiven Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz gibt es eine S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie und Beatmungsmedizin<sup>6</sup> aus dem Jahr 2010, die derzeit &uuml;berarbeitet wird&ldquo;, informiert Walker. Demnach ist NIV bei COPD indiziert, wenn der PaCO<sub>2</sub> tags&uuml;ber &gt;50mmHg liegt, der PaCO<sub>2</sub> nachts &gt;55mmHg betr&auml;gt und der transkutane Anstieg des PaCO<sub>2</sub> &gt;10mmHg nachts &uuml;berschreitet. Au&szlig;erdem besteht in der aktuellen Leitlinie eine Indikation f&uuml;r NIV bei zwei Exazerbationen mit respiratorischer Azidose in 12 Monaten sowie im Anschluss an akute, beatmungspflichtige Exazerbationen.<br /> <br /><strong> Respiratorische Insuffizienz</strong><br /> Eine rezente d&auml;nische Studie<sup>7</sup> mit Patienten mit respiratorischer Insuffizienz konnte zeigen, dass ein Jahr nach NIV die Spitalseinweisungen aufgrund respiratorischer Insuffizienz im Vergleich zum Jahr davor deutlich abgenommen haben. Auch die Verweildauer auf pulmologischen Stationen wurde deutlich reduziert. &bdquo;Das ist zwar vielversprechend, aber leider ist die Datenlage dazu noch nicht ausreichend&ldquo;, wei&szlig; Walker. Dazu laufen aktuell noch Studien.<br /> <br /> &bdquo;Ein wichtiges Thema bei der Beatmung ist die Entlastung bzw. Belastung. COPD-Patienten k&ouml;nnen ihre Atemmuskulatur trainieren, wobei insbesondere Patienten mit einer schwachen Atemmuskulatur von einem Atemmuskeltraining profitieren&ldquo;,<sup>8</sup> stellt Walker fest. &bdquo;Ob jedoch auch hyperkapnischen COPD-Patienten ein solches Training zumutbar ist, bleibt noch offen.&ldquo;</p> <h2>Polysomnografie bei NIV</h2> <p>&bdquo;In der Schlafmedizin m&uuml;ssen wir uns auch um das Thema Beatmung k&uuml;mmern und in der Intensivmedizin wiederum m&uuml;ssen wir uns Gedanken um den Schlaf machen, um z.B. die Beatmung besser einzustellen&ldquo;, unterstreicht Prof. Dr. Winfried Randerath, Chefarzt der Klinik f&uuml;r Pneumologie und Allergologie, Krankenhaus Bethanien, Solingen, und Universit&auml;t zu K&ouml;ln.<br /> <br /><strong> Schlafst&ouml;rungen in der Intensivmedizin</strong><br /> &bdquo;Den Schlaf auf der Intensivstation zu messen ist nicht trivial. Daten zeigen, dass die Gesamtschlafzeit etwas reduziert ist und der Schlaf sich von der zirkadianen Rhythmik weg in den Tag hinein verlagert &ndash; 50 Prozent der Schlafzeit werden tags&shy;&uuml;ber abgedeckt. Die Schlaflatenz ist zwar unver&auml;ndert, aber die Schlafeffizienz ist deutlich verringert, mit extremen Schlaffragmentierungen und Aufwachzeiten, Leichtschlaf sowie reduziertem Anteil am Tiefschlaf&ldquo;, berichtet Randerath. Dies zeigte auch eine Metaanalyse<sup>9</sup> aus 38 Studien, in welcher Polysomnografien bei Patienten auf Intensivstationen durchgef&uuml;hrt wurden. &bdquo;Die Patienten schliefen nicht weniger, hatten aber deutliche qualitative Schlafeinbu&szlig;en &ndash; insbesondere unter Beatmung&ldquo;, erg&auml;nzt Randerath.<br /> &bdquo;In der Regel werden schlafunterst&uuml;tzende Ma&szlig;nahmen bei Intensivpatienten nach dem pers&ouml;nlichen Eindruck der Pflegekr&auml;fte durchgef&uuml;hrt&ldquo;, wei&szlig; Randerath. &bdquo;Aber die Einsch&auml;tzung des Schlafes durch medizinisches Personal stimmt &uuml;berhaupt nicht mit Ergebnissen einer Polysomnografie &uuml;berein.&ldquo;<sup>10</sup> Ein erholsamer Schlaf war nur bei Patienten mit regelm&auml;&szlig;iger Sedierungspause nachweisbar.<sup>11</sup> &bdquo;Die in der Intensivmedizin eingesetzten Schlafmedikamente weisen unterschiedliche Auswirkungen auf den Schlaf auf, in den meisten F&auml;llen f&uuml;hren sie zu einer deutlichen Reduktion des REM- bzw. des Tiefschlafes zugunsten einer Erh&ouml;hung der Schlafzeit, aber auch der Leichtschlafphasen&ldquo;, wei&szlig; Randerath. &bdquo;Ein gro&szlig;es Problem ist der Schlafmangel auf der Intensivstation, der durch verschiedene Aspekte beg&uuml;nstigt wird.&ldquo; So kommt es achtmal pro Stunde zu Schlafunterbrechungen durch Pflegema&szlig;nahmen. Durch Interventionen werden 19 % der Wachperioden verursacht. Auch die Lautst&auml;rke spielt eine wesentliche Rolle, sie liegt auf Intensivstationen oft bei 53&ndash;59dB &ndash; empfohlen sind dagegen nur 30dB. Wichtige L&auml;rmquellen stellen Teamkonversationen am Bett des Patienten sowie Alarme dar.<sup>9</sup><br /> &bdquo;Dabei beeinflussen St&ouml;rungen des Schlafes die Beatmungssituation. Jedes Mal, wenn der Patient geweckt wird, hyperventiliert er und reduziert sein PaCO<sub>2</sub>, als Konsequenz kommt es zu zentralen Atemst&ouml;rungen. Was dann wieder eine Intervention an der Beatmung hervorruft&ldquo;, gibt Randerath zu bedenken.<br /> Um Schlafst&ouml;rungen in der Intensivmedizin vorzubeugen, sollte(n)<sup>10</sup></p> <ul> <li>Sedierungspausen durchgef&uuml;hrt werden (t&auml;gliche Unterbrechungen der Sedierung),</li> <li>Pflegema&szlig;nahmen geb&uuml;ndelt werden (systematische Pflegeplanung),</li> <li>f&uuml;r L&auml;rmreduktion gesorgt werden (Besprechungen nicht im Patientenzimmer bzw. Ohrst&ouml;psel f&uuml;r Patienten),</li> <li>das Beatmungsverfahren &uuml;berdacht werden,</li> <li>kleine Atemzugvolumina bevorzugt werden, um eine zentrale Schlafapnoe zu vermeiden.</li> </ul> <p><strong>Schlafqualit&auml;t bei ventilatorischer Insuffizienz</strong><br /> &bdquo;NIV verbessert die Symptome der Hypoventilation sowie die Blutgase&ldquo;, so Randerath. In einer Studie<sup>12</sup> bei Patienten mit neuromuskul&auml;ren Erkrankungen wurde die Polysomnografie vor der NIV, nach sechs Monaten in einer NIV-Pause sowie nach 12 Monaten mit und ohne NIV durchgef&uuml;hrt, wobei es zu einer kontinuierlichen Verbesserung unter Spontanatmung im Verlauf kam: Sauerstoffs&auml;ttigung unter der Therapie (auch am Tag), Schlafeffizienz und der Gesamtschlaf verbesserten sich, die Wachphasen wurden reduziert, die REM- und Tiefschlafanteile nahmen zu.<br /> Eine zweite Arbeitsgruppe<sup>13</sup> untersuchte NIV bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS). &bdquo;Im Rahmen der ALS kommt es zu einem kontinuierlichen Abfall der Sauerstoffs&auml;ttigung, welcher mit einem Anstieg des transkutan gemessenen PaCO<sub>2</sub> assoziiert ist. Der Schlaf ist erheblich gest&ouml;rt, was zu einer Verminderung der Lebensqualit&auml;t beitragen kann&ldquo;, erkl&auml;rt Randerath. Nach NIV verbesserten sich die Sauerstoffs&auml;ttigung und das PaCO<sub>2</sub> deutlich, und auch die Schlafqualit&auml;t nahm zu. Die NIV hat somit auch lang&shy;fristig den Schlaf kontinuierlich verbessert und stabilisiert.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Gest&ouml;rter Schlaf und Schlafmangel sind wesentliche Probleme von Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen der Atmungsorgane. Betroffen sind sowohl Patienten auf Intensivstationen als auch Patienten mit chronischer ventilatorischer Insuffi&shy;zienz. &bdquo;Der gest&ouml;rte Schlaf wiederum kann zentrale Atmungsst&ouml;rungen hervorrufen, die m&ouml;glicherweise zu &uuml;berschie&szlig;enden Ma&szlig;nahmen zwingen oder dr&auml;ngen. Die Analyse von Atmungsst&ouml;rungen unter Beatmung ist schwierig und erfordert eine Erfassung der Atmungscharakteristika, um die Beatmung zu optimieren&ldquo;, betont Randerath abschlie&szlig;end. &bdquo;Wie verschiedene Studien zeigen, kann die NIV den Schlaf verbessern. Aus meiner Sicht ist es daher notwendig, die Polysomnografie in der Beatmungsmedizin konsequent einzusetzen.&ldquo;</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> McEvoy RD et al: Thorax 2009; 64(7): 561-66 <br /><strong>2</strong> Clini E et al: Eur Respir J 2002; 20(3): 529-38 <br /><strong>3</strong> Luk&aacute;csovits J et al: Eur Respir J 2012; 39(4): 869-75 <br /><strong>4</strong> Dreher M et al: Thorax 2010; 65(4): 303-8 <br /><strong>5</strong> K&ouml;hnlein T et al: Lancet Respir Med 2014; 2(9): 698-705 <br /><strong>6</strong> Windisch W et al: Pneumologie 2010; 64(4): 207-40 <br /><strong>7</strong> Ankj&aelig;rgaard KL et al: Eur Clin Respir J 2016; 3: 28303 <br /><strong>8</strong> Gosselink R et al: Eur Respir J 2011; 37(2): 416-25 <br /><strong>9</strong> Pisani MA et al: Am J Respir Crit Care Med 2015; 191(7): 731-8 <br /><strong>10</strong> Andersen JH et al: Minerva Anestesiol 2013; 79(7): 804-15 <br /><strong>11</strong> Oto J et al: Anaesth Intensive Care 2011; 39(3): 392-400 <br /><strong>12</strong> Sch&ouml;nhofer B et al: Thorax 2000; 55(4): 308-13 <br /><strong>13</strong> Boentert M et al: J Neurol 2015; 262(9): 2073-82</p> </div> </p>
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