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Sauerstofftherapie nur für ausgewählte Patientengruppen?
<p class="article-intro">Die Langzeitsauerstofftherapie (LOT) ist ein effektives, aber auch kostspieliges Behandlungsverfahren. Deshalb ist eine überlegte und an sinnvolle Kriterien angelehnte Indikationsstellung erforderlich. Hier ist es neben einer Blutgasanalyse und klinischen Kriterien entscheidend, dass der Patient eine solche Behandlung überhaupt wünscht. Eine genaue Aufklärung über das weitere Vorgehen sowie die Vor- und Nachteile der Therapie ist erforderlich, um die Adhärenz bzw. Compliance für diese Behandlung herzustellen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine strenge Indikationsstellung anhand von arterieller Blutgasanalyse, Klinik und des Wunsches des Patienten ist Grundvoraussetzung für die Verordnung einer LOT.</li> <li>Mobile LOT-Patienten benötigen eine mobile Sauerstoffzufuhr.</li> <li>Bei LOT muss in regelmäßigen Abständen geprüft werden, ob die Indikation noch gegeben ist.</li> <li>Bei Hyperkapnie muss geprüft werden, ob zusätzlich zu LOT auch eine NIV erforderlich ist.</li> <li>LOT hilft nicht allen und gegen alles, und Dyspnoe ist nicht gleichzusetzen mit Hypoxämie.</li> </ul> </div> <p>Der Datenpool zur LOT wurde hauptsächlich anhand von COPD-Patientendaten generiert, wird aber auch auf Non- COPD-Indikationen extrapoliert. Die Therapie mittels LOT bedarf insbesondere bei einer Reihe von besonderen Bedingungen einer sorgfältigen Auswahl. <br />In den 1980er-Jahren wurden zwei Studien publiziert, welche entscheidende Eckpunkte in der Indikationsstellung geschaffen haben, die bis heute Gültigkeit behalten haben und dementsprechend auch in der geltenden Leitlinie (LL) der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin verankert sind.<sup>1–3</sup> Hierbei handelt es sich einerseits um die Einschlusskriterien für Patienten anhand der Ergebnisse der arteriellen Blutgasanalyse (PaO<sub>2</sub> ≤ 55 mmHg bzw. 60 mmHg, bei pulmonaler Hypertonie bzw. Polyglobulie) und andererseits um die Anwendungsdauer von LOT (≥ 16–24 h/Tag). Wenngleich auch die Datenlage dieser beiden Landmark- Studien mit 290 Patienten knapp bemessen ist, bilden sie die Indikationskriterien für LOT-Leitlinien weltweit. <br />In den 1990er-Jahren wurden Studien veröffentlicht, die veranschaulichten, dass sich keine Verbesserung hinsichtlich der Mortalität bei Patienten mit nur leichter bis mäßiger Hypoxämie (PaO<sub>2</sub> > 55–65 mmHg) bzw. nur nächtlichen Entsättigungen einstellte.<sup>4–6</sup> <br />In einer Cross-over-Studie wurden positive Einflüsse von Sauerstoffgaben bei hochgradig hypoxischen Patienten während körperlicher Anstrengung gezeigt und signifikante Verbesserungen bei Ausdauer, Lungenvolumina und Dyspnoe nachgewiesen.<sup>7</sup> Fragen hinsichtlich des Einflusses von LOT auf Lebensqualitätsparameter sind bislang uneinheitlich beantwortet. Auch die kürzlich publizierte NOTT-Studie mit geringgradig hypoxischen Patienten konnte in keinem Endpunkt einen signifikanten Unterschied zwischen mit Sauerstoff behandelten und unbehandelten Patienten ausmachen.<sup>8</sup> Diese Daten unterstreichen bereits, dass LOT nicht für alle und gegen alles hilft. Im Weiteren werden nun einige besondere Konstellationen in der LOT-Indikationsstellung abgebildet.</p> <h2>LOT in der Postakutphase</h2> <p>Häufig ist man mit hochgradig hypoxischen Patienten in der postakuten Phase einer Exazerbation konfrontiert, die ohne O<sub>2</sub> nicht entlassbar sind. Die Indikationsstellung bei LOT verlangt laut deutscher LL eine stabile Krankheitsphase von ca. 4 Wochen, in welcher mindestens dreimal ein PaO<sub>2</sub> von ≤ 55 mmHg bestimmt wird. In diesen Fällen sollte eine vorübergehende O2-Therapie verordnet werden, die spätestens nach 8–12 Wochen und nach Erreichen einer stabilen Krankheitsphase kontrolliert werden muss. Die Kontrolle der Indikation stellt einen entscheidenden Pro/kontra-LOT-Schnittpunkt dar, da nach diesem Zeitpunkt und dem Erreichen klinischer Stabilität bei 33–58 % der Patienten die LOT-Einschlusskriterien nicht mehr erfüllt sind.<sup>9</sup> Patienten, die zum Zeitpunkt ihrer Entlassung keine SaO2 < 92 % aufweisen, sollten auch übergangsweise nicht mit O<sub>2</sub> für zu Hause versorgt werden.<sup>9</sup> Auch Patienten in der stabilen Phase der Erkrankung sind hinsichtlich der Indikation und der erforderlichen O<sub>2</sub>-Flussmengen zu reevaluieren. Ein Turnus von ca. 3–6 Monaten ist hier sinnvoll.</p> <h2>LOT bei ausschließlicher Belastungshypoxämie</h2> <p>Hier wird nach deutscher LL eine intermittierende Sauerstoffgabe empfohlen, wenn es unter körperlicher Anstrengung zu einem Abfall des PaO<sub>2</sub> um > 5 mmHg auf einen Wert ≤ 55 mmHg kommt und der Patient einen mobilen Lebensstil pflegt. Des Weiteren soll der Nachweis einer damit verbundenen Leistungssteigerung erbracht werden. Dies wird auch in anderen LL so gefordert, z. B. bei der British Thoracic Society. <sup>9</sup> Ein Zuwachs um > 10 % sowie eine Abnahme des Dyspnoe-Scores um ≥ 1 Punkt sind anzustreben. Dies erlaubt die Unterscheidung zwischen sogenannten Sauerstoff-Respondern und -Non-Respondern. Insbesondere bei rehabilitativen Behandlungen bzw. körperlichen Trainingsprogrammen ist die O<sub>2</sub>-Gabe sinnvoll, da hiermit eine Verbesserung der muskulären Leistungsbreite und Ausdauer erzielt werden kann. Eine routinemäßige Verschreibung für alle Patienten mit Belastungshypoxämie oder -dyspnoe ist nicht indiziert.</p> <h2>LOT bei ausschließlich nächtlicher Hypoxämie (NOT)</h2> <p>Die Korrektur einer hochgradigen alleinig nächtlichen Hypoxie bei COPD- und Non-COPD-Patienten ist hinsichtlich der Verbesserung von Mortalität, Morbidität und Lebensqualität ohne messbaren Effekt.<sup>5, 6</sup> Trotzdem wird in der deutschen LL – nicht jedoch in der LL der British Thoracic Society (BTS) – aufgrund von Daten zur Abnahme des pulmonal-arteriellen Drucks eine nächtliche O<sub>2</sub>-Versorgung empfohlen (LL-LOT). Patienten, die tagsüber die LOTKriterien erfüllen, sollen auch nachts O<sub>2</sub> erhalten. Eine Erhöhung des Flusses um 1 l/min wird zur Nacht empfohlen. Eine Ausnahme stellen Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz und schlafbedingter Tagessymptomatik dar. Bei ihnen kommt es durch NOT (1–2 l/min) zur Verbesserung von Schlafqualität, Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) und körperlicher Belastbarkeit sowie zu einer Reduktion des Sympatikotonus. Keine Verbesserungen ergeben sich jedoch hinsichtlich der Mortalität und der myokardialen Funktion. Diese Patienten sollen auch bei Nichterfüllen der LOT-Kriterien bei Tag nachts mit O<sub>2</sub> versorgt werden.<sup>9</sup></p> <h2>LOT bei Hyperkapnie</h2> <p>Hyperkapnie stellt keine Kontraindikation zur LOT-Verordnung dar. Vielmehr konnte gezeigt werden, dass zu Beginn hyperkapnische Patienten am meisten von LOT profitieren.<sup>2</sup> Eine Erhöhung von Mortalität und Morbidität unter LOT tritt nicht auf. Trotzdem sollte bei der obligaten O<sub>2</sub>-Titration im Rahmen des O<sub>2</sub>-Versuchs auf Veränderungen von pCO<sub>2</sub> und pH geachtet werden.<sup>9</sup> Bei Hyperkapnie ist zu prüfen, ob die Indikation für eine zusätzliche nicht invasive Beatmung (NIV) vorliegt.</p> <h2>LOT für Raucher?</h2> <p>Nach der gültigen deutschen LL und den meisten europäischen LL gibt es keine Kontraindikation für rauchende Patienten. In der Landmark-MRC-Studie befanden sich in dem untersuchten Kollektiv über 50 % aktive Raucher, ohne dass Nebenwirkungen aufgrund des Rauchens berichtet wurden. Studien, die rauchende im Vergleich zu nicht rauchenden COPD-Patienten mit LOT untersuchen, gibt es keine. Wichtig ist es, Patienten und Angehörige über die Brandgefahr bei Exposition von Sauerstoff gegenüber Rauchern und offenem Feuer zu informieren und darüber schriftlich Beweis zu führen (Abb. 1). Weiterführend ist es ratsam, bei dieser Gelegenheit Raucher für Maßnahmen der Rauchentwöhnung zu motivieren.<sup>10</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1904_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="469" height="740" /></p> <p> </p> <h2>LOT für Palliativpatienten (POT)</h2> <p>Dyspnoe ist nicht gleichzusetzen mit Hypoxie, sie ist besonders in der Palliativsituation von vielgestaltiger Genese.<sup>10, 11</sup> Palliativpatienten mit intraktabler Dyspnoe sollten bei fehlender Hypoxämie primär nicht mit Sauerstoff behandelt werden, zumal zwischen Dyspnoe und SaO<sub>2</sub> keine Korrelation besteht. Opioide sind in der Linderung der Dyspnoe meist erheblich effektiver.<sup>12</sup> Patienten, die schon vor oder während der Palliation die LOT-Indikation erfüllen, erhalten natürlich LOT. Auch nicht pharmakologische Maßnahmen können zur situativen Verbesserung versucht werden (Tisch- oder Handventilatoren, Aromatherapie etc.). Scores gestatten hier eine zielführende Orientierung und Therapieausrichtung. POT erfordert stets eine individuelle Indikationsentscheidung.</p> <h2>LOT für Non-COPD-Patienten</h2> <p>Es gibt keine randomisierten Studien zum Überleben oder zu Lebensqualitätsparametern von schwer betroffenen hypoxischen Non-COPD-Patienten unter LOT. Insofern werden die Einschlusskriterien, die für COPD gelten, auch bei Non-COPD-Patienten (ILD, PAH, CF usw.) angewendet. Einige Daten gibt es für NOT bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz, auf die oben bereits eingegangen wurde.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Report of the Medical Research Council working party. Lancet 1981; 1: 681-6 <strong>2</strong> Nocturnal Oxygen Therapy Trial Group. Ann Intern Med 1980; 83: 391-8 <strong>3</strong> Magnussen H et al.: Pneumologie 2008; 62: 748-56 <strong>4</strong> Gorecka D et al.: Thorax 1997; 52:674-9 <strong>5</strong> Chaouat A et al.: Eur Respir J 1997; 10: 1730-5 <strong>6</strong> Fletcher EC et al.: Am Rev Respir Dis 1992; 145: 1070-6 <strong>7</strong> O’Donnell DE et al.: Am J Resp Crit Care Med 2001; 163: 892-8 <strong>8</strong> The long-term oxygen treatment trial research group. N Engl J Med 2016; 375: 1617-27 <strong>9</strong> Hardinge M et al.: Thorax 2015; 70: i1-43 <strong>10</strong> Andreas S et al.: Pneumologie 2014; 68: 237-58 <strong>11</strong> Ripamonti C, Bruera E: J Pain Symptom Manage 1997; 13: 220-32 <strong>12</strong> Galbraith PS et al.: J Pain Symptom Manage 2010; 39: 831-8</p>
</div>
</p>