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Pollenallergie – vom Winde verweht …

<p class="article-intro">Schon 20 Pollen/m<sup>3</sup> reichen aus, um allergische Reaktionen auszulösen. Die Pollensaison beginnt oft schon an warmen Wintertagen und endet erst im Herbst. Die immunologischen Abläufe und die wichtigsten Vertreter der Inhalationsallergene werden im Folgenden vorgestellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Es sind die windbest&auml;ubten Pflanzen, deren ungeheure Pollenmassen durch den Wind verweht werden. Die Pollen gelangen mit der Atemluft auf die Schleimh&auml;ute. Das Immunsystem reagiert mit der Bildung spezifischer IgE-Antik&ouml;rper, die vor allem an Mastzellen binden und in der Folge zur Freisetzung von Mediatoren f&uuml;hren. Das klinische Bild entspricht einer allergischen Soforttypreaktion, bei der innerhalb weniger Minuten Schleimhautschwellung und Sekretproduktion auftreten.</p> <h2>Pathomechanismus</h2> <p>Die Pollenproteine (Allergene) induzieren die Bildung von allergenspezifischen IgE-Antik&ouml;rpern. Diese binden an die Oberfl&auml;che der Mastzellen, wodurch die Aussch&uuml;ttung von Histamin und anderen Entz&uuml;ndungsmediatoren (u.a. Leukotriene, C4, Bradykinin, TNF-&alpha;) erfolgt. R&ouml;tung, Schwellung, Juckreiz und Sekretproduktion treten unmittelbar auf und vermitteln die bekannten Allergiesymptome: Konjunktivitis, Rhinitis, Asthma bronchiale und Exanthem. Diese rasch einsetzende Fr&uuml;hphasenreaktion erreicht nach 30 bis 60 Minuten ein Plateau mit gleichbleibenden Beschwerden, auch bei weiter anhaltender Exposition. Eine Persistenz der zellul&auml;ren Entz&uuml;ndungsreaktion mit hoher eosinophiler Infiltration der &ouml;demat&ouml;s geschwollenen Schleimh&auml;ute f&uuml;hrt zur Obstruktion der Nasenatmung sowie der Bronchien in der Sp&auml;tphase der allergischen Typ-I-Reaktion.</p> <h2>Ein biologisches System mit vielen Variablen</h2> <p>Die Wahrscheinlichkeit von einer Allergie betroffen zu sein nimmt zu. Genetische Disposition und Umweltfaktoren werden als Ausl&ouml;ser diskutiert. Die Reduktion fr&uuml;hkindlicher Infekte durch Hygienemassnahmen und das Aufwachsen in Kleinfamilien im st&auml;dtischen Raum beg&uuml;nstigten das Entstehen von Allergien. Stillen bis mindestens zum 4. Lebensmonat wirkt protektiv, das Hormon &Ouml;strogen erh&ouml;ht bei M&auml;dchen und Frauen vor der Menopause sowie bei postmenopausalen Frauen unter &Ouml;strogentherapie das Asthmarisiko. Die messbare Zunahme von Umweltgiften wie Feinstaub, Stickoxiden, Ozon und Nikotin inklusive Passivrauchbelastung ebenso wie die Verwendung von Duftstoffen in Innenr&auml;umen erh&ouml;hen einerseits die Empfindlichkeit der Schleimh&auml;ute durch chronische Reizung, andererseits binden Pollen bzw. einzelne Fragmente an die toxischen Partikel und dringen so tiefer in die Schleimhaut ein, wodurch die oben beschriebenen Entz&uuml;ndungsreaktionen ausgel&ouml;st werden. Lang anhaltende Infekte w&auml;hrend der Winterzeit schw&auml;chen das Immunsystem und beg&uuml;nstigen so die Exazerbation von allergischen Symptomen am Beginn der Baumbl&uuml;te.</p> <h2>Aerobiologie</h2> <p>Der Klimawandel bewirkt generell eine Zunahme von Dauer und Intensit&auml;t des Pollenfluges, was Anpassungen der Pollenflugkalender im 10-Jahres-Rhythmus erforderlich macht. Diese beschreiben, wann in einer Region bestimmte Pollen fliegen, ohne die Intensit&auml;t, die von Wind und Wettereinfl&uuml;ssen abh&auml;ngt, zu erfassen.<br /><br /> Zun&auml;chst erscheinen die Baumpollen, wobei Erle und Hasel bei Temperaturen von 5&ndash;8&deg;C austreiben. W&auml;hrend Birken in Nordeuropa stark verbreitet sind, sind die Eschenpollen vor allem wegen ihrer Kreuzreaktionen mit mediterranen &Ouml;lbaumgew&auml;chsen und den damit verbundenen Beschwerden bei Aufenthalten im S&uuml;den interessant. Charakteristisch ist bei allen B&auml;umen der Wechsel von starken und schwachen Bl&uuml;hjahren.<br /> Die Gr&auml;serpollen als h&auml;ufigste Ausl&ouml;ser von Inhalationsallergien zeigen &uuml;ber Jahre eine leicht ansteigende Konzentration, wobei sehr enge Kreuzreaktionen zwischen Wildgr&auml;sern (Kn&auml;uel- und Lieschgras) und Kulturgr&auml;sern (vor allem Roggen) bestehen. Die Pollen der niedrig wachsenden Gr&auml;ser kommen in geringerer Konzentration vor, womit der Windrichtung eine entscheidende Rolle zukommt.<br /> Unkr&auml;uterpollen von Beifuss und Ambrosia, die als Kulturfolger des Menschen an Wegr&auml;ndern, Lagerst&auml;tten, Bahnlinien und &laquo;ungepflegten&raquo; Fl&auml;chen auftreten, bl&uuml;hen ab August. Ambrosia-Pollen geh&ouml;ren zu den st&auml;rksten Allergieausl&ouml;sern, mit st&auml;ndiger Zunahme der Verbreitungsgebiete, sodass heute ca. 35 % der Patienten mit inhalativen Allergien gegen Ambrosia sensibilisiert sind, mit auffallend hoher Asthmah&auml;ufigkeit.<br /> Nicht zu vergessen ist die sehr heterogene Gruppe der Pilzsporen mit ihren Vertretern Alternaria, Cladosporium, Aspergillus und vielen weiteren Arten, deren Sporen bei feuchter Witterung ab dem Hochsommer in der Luft und ansonsten indoor wie outdoor ubiquit&auml;r vorhanden sind.<br /> Neu sind umfassende Analysen zu sogenanntem Gewitter-Asthma, die heftige pollenassoziierte Asthmaanf&auml;lle bei Starkregenf&auml;llen beschreiben: Die bei Gewitterlage erh&ouml;hte elektrostatische Aufladung der Luft f&uuml;hrt zu massiver Freisetzung der Pollen, die durch die Feuchtigkeit stark aufquellen und zerplatzen, sodass kleinste Pollenfragmente tiefer als gew&ouml;hnlich in die Schleimhaut der unteren Atemwege eindringen und somit anfallsartig Asthmaanf&auml;lle ausl&ouml;sen k&ouml;nnen. Bewegung und Sport im Freien sind erst zwei Stunden nach Abklingen der Regenf&auml;lle empfehlenswert, was insbesondere f&uuml;r die Teilnahme am Schulsport und f&uuml;r wettkampforientiertes Training relevant ist.</p> <h2>One airway &ndash; one disease</h2> <p>Unter &laquo;one airway &ndash; one disease&raquo; wurde die organ&uuml;bergreifende Manifestierung der Pollenallergie an den oberen und unteren Atemwegen zusammengefasst. Moderne Testverfahren stehen in den Allergiezentren, aber auch bei niedergelassenen Spezialisten zur Verf&uuml;gung. Am wichtigsten ist ein ausf&uuml;hrliches Anamnesegespr&auml;ch zu Beginn, das bereits deutlich Art, Intensit&auml;t, betroffene Organe und zeitlichen Verlauf der Allergie aufzeigt. Die Pricktestung erfolgt oberfl&auml;chlich an der Haut der Unterarme, wobei schon nach wenigen Minuten ein deutliches Ergebnis durch rote Quaddelbildung sichtbar ist. Mit der RAST-Bestimmung im Blut werden spezifische IgE-Antik&ouml;rper identifiziert. Besonders die neue Bestimmung der rekombinanten Allergene (Allergen-Chip-Test) erm&ouml;glicht ein genaues Erfassen des individuellen Antik&ouml;rpermusters und eine Erfolgsprognose f&uuml;r eine Immuntherapie.<br /> Provokative Testungen mit Inhalationen oder dem Aufbringen von nativen Substanzen auf die Haut sind nur bei speziellen Fragestellungen erforderlich und spielen in der Routineabkl&auml;rung keine Rolle. Umso wichtiger ist die Durchf&uuml;hrung einer Lungenfunktionsuntersuchung zum Einsch&auml;tzen des Asthmarisikos. In Diskussion ist die Bedeutung eines labortechnischen Screenings vor der &auml;rztlichen Untersuchung. Da der blutchemische Nachweis von IgE-Antik&ouml;rpern jedoch nicht gleichbedeutend mit symptomatischer Allergie ist, wird gem&auml;ss den allergologischen Leitlinien die Diagnose nur durch die charakteristische Anamnese UND den Nachweis spezifischer IgE-Antik&ouml;rper im Haut- oder Bluttest gestellt.</p> <h2>Bedarfsorientierte Therapie</h2> <p>Die jeweils beste Massnahme im Zusammenhang mit einer Allergie ist das Meiden des Ausl&ouml;sers, angefangen bei Schutzmassnahmen wie Pollengittern und Pollenfiltern im Wohnbereich bis zum Urlaub in pollenfreien Regionen.<br /> F&uuml;r die symptomatische Behandlung stehen gut wirksame und nahezu nebenwirkungsfreie Antihistaminika der 2. Generation in Form von Tabletten und Schmelztabletten sowie Darreichungsformen zur oralen Einnahme f&uuml;r Kinder zur Verf&uuml;gung. Wichtig ist es, die Allergiker dar&uuml;ber zu informieren, dass die Kombination eines Antihistaminikums mit mehreren Pr&auml;paraten zur topischen Anwendung an Augen, Nase und Lunge erforderlich und sinnvoll ist. ARIAGuidelines (Abb. 1) und GINA-Guidelines (Abb. 2) geben den Rahmen f&uuml;r die Stufen der Behandlung von allergischer Rhinopathie und Asthma bronchiale.<br /> Die kausale Behandlung besteht in Form der sogenannten Allergieimpfung mit Allergenextrakten mit m&ouml;glichst hoher Konzentration des Major-Allergens, die entweder pr&auml;saisonal oder perennial als subkutane Injektionen verabreicht werden oder pr&auml;- und perisaisonal in Tabletten- oder Tropfenform vom Patienten selbst eingenommen werden, wobei auch hier die erste Gabe unter &auml;rztlicher Aufsicht erfolgen muss. Egal welche Form der Immuntherapie gew&auml;hlt wird, wichtig ist ein fr&uuml;hestm&ouml;glicher Beginn nach Diagnosestellung, besonders im Kindesalter &ndash; bereits ab dem 5. Lebensjahr.<br /> Als gute erg&auml;nzende Massnahmen haben TCM-Medizin, Akupunktur und Hom&ouml;opathie sowie Nahrungserg&auml;nzungsmittel ihren Stellenwert. Das zunehmende Wissen &uuml;ber das Mikrobiom des Darmes zeigt auch, dass eine stabile Darmflora wesentlich zur Allergiepr&auml;vention sowie zur Stabilisierung der allergischen Beschwerden beitr&auml;gt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="857" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s6_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="977" /></p> <h2>Schlussfolgerungen</h2> <p>Reaktionsmuster der Soforttypallergie betreffen mehrere Organe und s&auml;mtliche Altersstufen. Oberstes Ziel der Behandlung ist es, einerseits Symptomfreiheit zu erzielen, andererseits den gef&uuml;rchteten Etagenwechsel von der Nase auf die Lunge zu verhindern. Erfolgreich betriebene Allergologie ber&uuml;cksichtigt immer den ganzen Menschen, sucht individuelle L&ouml;sungen und erfordert eine &laquo;sprechende&raquo; Medizin, f&uuml;r die die Haus&auml;rzte zumeist die erste Anlaufstelle sind.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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