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Neues zur Pneumonie
Jatros
30
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14.07.2016
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<p class="article-intro">Im Rahmen des 13. PneumoUpdates in Igls wurde nicht nur die neue Leitlinie für die Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie präsentiert, sondern auch das durchaus sehr individuelle Spektrum im Management schwerer Pneumonien behandelt. </p>
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<p class="article-content"><h2>Neue CAP-Leitlinie 2016</h2> <p>„Das kürzlich herausgegebene Update 2016 zur Prävention und Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie (CAP) stellt eine komplette Umstrukturierung der vorherigen Leitlinien dar“, informierte PD Dr. Martin Kolditz, Fachbereich Pneumologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Dresden. Diese S3-Leitlinie wurde u.a. in Kooperation des Kompetenzzentrums CAPNETZ und der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) herausgegeben.<sup>1</sup></p> <p><strong>Ambulante Therapie</strong><br /> Patienten, die nach klinischer Einschätzung des Arztes stabil erscheinen und auf die folgende Kriterien zutreffen, können ambulant behandelt werden:</p> <ul> <li>CRB-65 = 0,</li> <li>SaO<sub>2</sub> >90 % ,</li> <li>keine Hinweise auf instabile Komorbiditäten, sofern nicht Komplikationen vorliegen oder soziale Faktoren eine stationäre Aufnahme erforderlich machen.<sup>1</sup></li> </ul> <p><strong>Intensivierte Therapie/Notfall</strong><br /> Alle Patienten mit mehr als zwei Minor-Kriterien oder mit einem Major-Kriterium sollen als akuter Notfall behandelt werden und bedürfen eines umgehenden intensivierten Managements. Außerdem sollen Patienten mit instabilen Komorbiditäten oder mehr als einem Minor-Kriterium intensiviert überwacht werden. Dazu sollen Vitalparameter und Organfunktion bis zur klinischen Stabilität regelmäßig reevaluiert werden.<sup>1</sup></p> <p><strong>Kardiovaskuläre Komplikationen</strong><br /> Insbesondere alle Patienten mit kardialer Komorbidität sollen ein symptombezogenes kardiales Monitoring erhalten. Bei hospitalisierten Patienten mit vorbestehender kardiovaskulärer Indikation für Acetylsalicylsäure (ASS) soll ASS im Rahmen der Pneumonie fortgeführt oder begonnen werden. Bei hospitalisierten Pa­tienten ohne vorbestehende kardiovas­kuläre Indikation für ASS, aber mit kar­diovaskulären Risikofaktoren kann ASS erwogen werden (z.B. 300mg/d für 1 Monat).<sup>1</sup></p> <p><strong>Wahl und Dauer der Therapie</strong><br /> Bei Nachweis von Pneumokokken als ursächlichem Erreger sollte mit Penicillin behandelt werden, sofern keine Unverträglichkeit oder Allergie vorliegt (Tab. 1). Patienten mit bakteriämischer Pneumokokkenpneumonie sollten Penicillin G intravenös erhalten. „Bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz soll die erste Gabe der antimikrobiellen Therapie in voller Dosierung erfolgen. Die Therapiedauer beträgt im Regelfall 5–7 Tage bei ambulant oder hospitalisiert behandelter CAP, nicht länger als 7 Tage bei schwerer CAP. Voraussetzung ist eine klinische Stabilisierung für mindestens zwei Tage. Eine längere Therapie sollte bei Empyem, Abszess und poststenotischer Pneumonie durchgeführt werden.<sup>1</sup> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1603_Weblinks_Seite20.jpg" alt="" width="783" height="790" /></p> <h2>Management schwerer Pneumonien</h2> <p><strong>NIV</strong><br /> „Ein Therapieversuch mit NIV bei schweren Formen der CAP ist bei Patienten mit COPD unter Beachtung der Kontraindikationen und Abbruchkriterien sowie bei Patienten mit Immunsuppression gerechtfertigt“, meint PD Dr. Thomas Müller, Pneumologie der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Regensburg. Absolute Kontraindikationen für die NIV sind fehlende Spontanatmung bzw. Schnappatmung, fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege und gastrointestinale Blutung oder Ileus. „Die Beatmungsziele sollten bei der protektiven Beatmung täglich festgelegt werden – wir laufen Gefahr, dass wir viel zu aggressiv beatmen und dadurch die Lunge schädigen“, warnt Müller und empfiehlt folgende Richtwerte: PaO<sub>2</sub> = 65–75mmHg, O<sub>2</sub>-Sättigung = 88–92 % , PaCO<sub>2</sub>: richtet sich nach dem pH-Wert (>7,25).</p> <p><strong>PEEP</strong><br /> Zahlreiche individuelle Patientenfaktoren beeinflussen die Setzung des positiven endexspiratorischen Druckes (PEEP), wie etwa PaO<sub>2</sub>/FiO<sub>2</sub>, PaCO<sub>2</sub>, Volumenstatus, Rechts- bzw. Linksherzinsuffizienz, Dauer des Lungenschadens, regionale oder globale Überblähung (COPD, Emphysem), Körpergewicht (Adipositas permagna), Luftlecks (Pneumothorax) sowie die Genese des Lungenschadens. „Je nach Ursache des akuten Atemnotsyndroms (ARDS, Anm.) wird die Intensität der PEEP eingestellt. Welche PEEP bei welchem Patienten angewendet wird, ist individuell unterschiedlich“, so Müller. Das Motto lautet: beste Lungencompliance (Beatmung mit der kleinsten Lungenamplitude möglich) und bester PaO<sub>2</sub>, ohne dass die Sauerstofftransportkapazität und die Hämodynamik beeinträchtigt werden.</p> <p><strong>Spontanatmung</strong><br /> „Immer wieder hören wir, dass Patienten möglichst spontan atmen sollen. Aber je länger kontrolliert beatmet wurde, umso schneller sinkt die Kraft des Zwerchfells. Durch eine frühe Spontanatmung werden zwerchfellnahe dorsale Atelektasen rekrutiert, das Ventilations-Perfusions-Verhältnis wird verbessert, die Sedierung kann herabgesetzt werden und das Outcome ist insgesamt besser“, stellt Müller fest. „Eine Spontanatmung kann aber kontraproduktiv sein, wenn der trans­pulmonale Druck bei Spontanatmung ansteigt.“ Dies gilt auch bei ausgedehnten Atelektasen und Konsolidierungen, bei schwerem Kapillarleck und septischem Schock, bei inspiratorischer Obstruktion, Hyperventilation sowie bei begleitender Herzinsuffizienz und bei ausgeprägter Patienten-Ventilator-Dyssynchronie. „Zu den klinischen Hinweisen zählen Schwankungen des Zentralvenendrucks inspiratorisch/exspiratorisch, interkostale Einziehungen, starke Atemanstrengungen und Tachypnoe bzw. Dyspnoe“, ergänzt Müller.</p> <p><strong>Adjuvante Verfahren</strong><br /> „Mithilfe adjuvanter Verfahren soll die Beatmungsaggressivität reduziert werden“, stellt Müller klar. Ein Beispiel ist die Bauchlagerung bei schwerem ARDS.<sup>2 „Sie ist möglich, wenn es zu einer signifikanten Verbesserung der Oxygenierung kommt. Wesentlich sind dabei aber die Anpassung der Ventilation und das Achten auf Druckulzera, Tubusverlegung und Dislokation von Thoraxdrainagen, und dafür ist Erfahrung notwendig.“ Aus diesem Grund lautet die Empfehlung: nicht bei leichtem ARDS, sondern nur frühzeitig bei schwerem ARDS (cave: u.a. schwerstes ARDS, Leberinsuffizienz und Adipositas permagna).</sup></p> <p><strong>ECMO</strong><br /> Eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) ist akut indiziert bei Limitierung des Gasaustausches, dazu zählen akute lebensbedrohliche Hypoxämie, akute Hyperkapnie mit lebensbedrohlicher respiratorischer Azidose und eine Begrenzung des Beatmungsdruckes durch hämodynamische Instabilität. „Außerdem ist eine ECMO bei ventilatorinduzierter Lungendestruktion wie Barotrauma oder Volutrauma in Erwägung zu ziehen“, so Müller weiter. „Die ECMO soll den Gasaustausch sichern und die Beatmungsaggressivität reduzieren.“</p></p>
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<p><strong>1</strong> Ewig S et al: Pneumologie 2016; 70(3): 151-200; <a href="http://www.AWMF-online.de" target="_blank">www.AWMF-online.de</a> <br /><strong>2</strong> Guérin C et al: N Engl J Med 2013; 368(23): 2159-68</p>
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