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Neues rund um die COPD und zum Management des schweren Asthmas
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19.12.2019
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<p class="article-intro">Auch wenn die Präsentationen grosser Phase-III-Studien in diesem Jahr fehlten, stellten neue Daten zum Management der COPD erwartungsgemäss wieder einen Schwerpunkt im Rahmen des Kongresses der European Respiratory Society (ERS) dar. Mit Spannung erwartet wurde auch die Vorstellung der von der ERS und der American Thoracic Society (ATS) gemeinsam erarbeiteten neuen Leitlinie zum Management des schweren Asthmas.</p>
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<p class="article-content"><p>Eine koreanische Forschungsgruppe stellte die Frage, wie weit die Inzidenz des Lungenkarzinoms bei COPD-Patienten generell unabhängig vom Raucherstatus erhöht bleibt. Dies ist insofern von hohem klinischem Interesse, als die Antwort auf diese Frage Einfluss auf die Empfehlungen für das Lungenkarzinom-Screening haben dürfte. Zur Beantwortung wurde eine nationale Kohorte mit 338 548 Frauen und Männern und einer Beobachtungsdauer von 11 Jahren ausgewertet.<sup>1</sup> Endpunkt war das Auftreten eines Lungenkarzinoms. Mit einem Follow-up von 2 355 005 Personenjahren wurden 1834 inzidente Lungenkarzinome registriert. Die Auswertung hinsichtlich COPD ergab für Niemals-Raucher mit COPD eine Risikoerhöhung um den Faktor 2,67 (2,09–3,40), für Raucher und Exraucher ohne COPD um den Faktor 1,97 (1,75–2,21) sowie für Raucher und Exraucher mit COPD um den Faktor 6,19 (5,04–7,61). Die Autoren betonen, dass Niemals- Raucher mit COPD ein mit Rauchern ohne COPD vergleichbares Lungenkrebsrisiko aufweisen und daher in Screening-Programmen berücksichtigt werden sollten.</p> <h2>Benralizumab bei COPD: neue Subgruppenanalysen</h2> <p>In den Phase-III-Studien GALATHEA/TERRANOVA wurde die Wirksamkeit des gegen Interleukin 5 gerichteten Antikörpers Benralizumab in der Prävention von COPD-Exazerbationen untersucht. Die Studien verfehlten ihren primären Endpunkt.<sup>2</sup> Im Rahmen des ERS-Kongresses 2019 wurden nun präspezifizierte Subgruppenanalysen präsentiert, die nach möglichen Signalen in speziellen Populationen suchten. Dabei ergaben sich tatsächlich Assoziationen bestimmter Patientencharakteristika mit dem Ansprechen auf Benralizumab.<sup>3</sup> Patienten mit mindestens drei Exazerbationen pro Jahr, inhalativer Dreifachkombination, einer Eosinophilenzahl ≥ 220 Zellen/μl und einer Benralizumab-Dosis von 100 mg zeigten im Vergleich zu Placebo das beste Ansprechen (HR: 0,70; 95 % CI: 0,56–0,88).</p> <h2>Lungenvolumenreduktion bei Emphysem verbessert «patientreported outcomes»</h2> <p>Von guten Erfolgen mit einem interventionellen Ansatz berichtete Prof. Mark Dransfield, der die Ergebnisse der Studie LIBERATE zur Wirkung der Lungenvolumenreduktion mittels Ventile (Zephyr<sup>®</sup> Valve) bei Patienten mit Emphysem präsentierte. In der Studie erhielten 190 Patienten mit schwerem Emphysem unterschiedlicher Genese an 24 Zentren randomisiert entweder die Zephyr Valve oder eine konventionelle Therapie entsprechend dem Standard of Care. Die Patienten wiesen im Schnitt eine Einsekundenkapazität (FEV1) von 27,4 % des Sollwerts und ein Residualvolumen von 225 % des Sollwerts auf. <br />Über die Verbesserung von Lungenfunktion, Belastbarkeit («exercise tolerance ») und Lebensqualität bei überblähten Emphysempatienten wurde bereits berichtet.<sup>4</sup> Die aktuelle Auswertung der Studie untersuchte die Auswirkungen dieser Technik auf sogenannte «patient-reported outcomes».<sup>5</sup> Die Patienten wiesen bei Einschluss im St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) einen Score von 54,5 und im COPD Assessment Test (CAT) einen Score von 19,2 auf. Nach 12 Monaten wurden Verbesserungen von SGRQ, CAT sowie des Transitional Dyspnea Index (TDI) in beiden Gruppen erhoben. Dabei zeigten sich hinsichtlich aller drei Scores signifikante und klinisch relevante Vorteile für die mit Valves behandelten Patienten (SGRQ: –7,05 Punkte; CAT: –3,1 Punkte; TDI Focal Score: 4,3 Punkte). Treiber der SGRQ-Verbesserung waren die «Impacts»- und «Activity»-Domains (p < 0,05 und p < 0,001). Die Verbesserung des CAT ging zurück auf Verbesserungen in Atemlosigkeit (p < 0,05), Enge in der Brust (p < 0,05), Energieniveau (p < 0,05), Aktivitäten (p < 0,001) und Selbstvertrauen beim Ausdem- Haus-Gehen (p < 0,05). Alle drei TDI-Parameter waren signifikant verbessert (p < 0,001).</p> <h2>Jeden Patienten mit COPD und «adult-onset asthma» auf Alpha-1- Antitrypsin-Mangel testen</h2> <p>Eine wichtige Differenzialdiagnose der COPD ist nicht nur bei jungen Nichtrauchern der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATD), eine autosomal-rezessive Erbkrankheit, bei der aufgrund eines Gendefekts zu wenig Alpha-1-Antitrypsin gebildet wird und die sich mit Husten, zunehmender Dyspnoe, Atemwegsobstruktion und Lungenemphysem sowie bei bis zu 20 % mit hepatischen Symptomen manifestiert. In ihrer Monografie-Reihe hat die ERS zeitgleich zum Kongress eine Publikation zum ATTD herausgegeben,<sup>6</sup> die die grundlegende Biologie, Genetik, Labor und Organmanifestationen des ATTD abdeckt sowie die klinische Präsentation bei Erwachsenen und Kindern detailliert beschreibt. Die Publikation berücksichtigt auch den Wunsch des niedergelassenen Praktikers, der betroffene Patienten begleitet, nach adäquater Information. Die ERS empfiehlt, alle COPD-Patienten sowie Patienten mit «adult-onset asthma» auf ATTD zu testen.<sup>7</sup> Man geht allerdings davon aus, dass dieser Empfehlung zu wenig nachgekommen wird und in Europa bis zu 90 % der Betroffenen nicht diagnostiziert sein könnten. Ein Grund für die Versäumnisse beim Screening dürfte der relativ komplexe diagnostische Algorithmus sein, der allerdings in letzter Zeit durch einen Pointof- Care-Test deutlich vereinfacht werden konnte. Der QuickScreen weist in Post-Marketing-Studien einen in nicht selektierten Populationen akzeptablen negativen Prädiktionswert von rund 99 % auf.<sup>8</sup> Der positive Prädiktionswert ist allerdings suboptimal. Neue PCR-Assays, die noch nicht den Weg in den klinischen Alltag gefunden haben, erlauben den Nachweis einer relativ grossen Zahl relevanter Mutationen ohne Sequenzierung. Die Tests können mit Blut oder einem Wangenabstrich durchgeführt werden. Die Therapie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels erfolgt in Form einer Substitution von Alpha-1-Antitrypsin.</p> <h2>Neue Guidelines zum Management des schweren Asthmas</h2> <p>Die ERS und die ATS haben gemeinsam eine neue Leitlinie zum Management des schweren Asthmas veröffentlicht.<sup>9</sup> Diese stellt ein Update der Guideline aus dem Jahr 2014 dar und beantwortet anstehende Fragen auf Basis aktueller Evidenz. <br />Zunächst einmal gilt es im Management des schweren Asthma bronchiale abzuklären, ob es sich überhaupt um Asthma handelt. «Das Wort Asthma kommt aus dem Griechischen und bedeutet ‹nicht atmen können›. Und damit kommt eigentlich jedes Zustandsbild, das mit einer Einschränkung der Atmung verbunden ist, für die Differenzialdiagnose in Betracht», sagt Prof. Juan Carlos Cardet von der University of South Florida, der an der neuen gemeinsamen Leitlinie von ERS und ATS mitgearbeitet hat. Infrage kommen beispielsweise Panikattacken, «vocal cord dysfunction», COPD, aber auch Herzversagen und zystische Fibrose, wobei bei Kindern andere «Nachahmer» zu berücksichtigen sind als bei Erwachsenen. Davon zu unterscheiden sind Komorbiditäten, die die Asthmasymptomatik verschlimmern. In diesen Bereich gehören beispielsweise Übergewicht und Rhinosinusitis sowie Nasenpolypen. <br />Diese grundlegenden Empfehlungen zum Umgang mit schwerem Asthma wurden bereits in der Vorgängerversion der neuen Leitlinie umrissen.<sup>10</sup> Diese empfiehlt ein Vorgehen in drei Schritten: Zunächst soll die Asthmadiagnose bestätigt und festgestellt werden, ob es sich um schwer zu behandelndes Asthma handelt. Im zweiten Schritt soll zwischen leichtem und schwerem Asthma und im dritten Schritt zwischen kontrolliertem und unkontrolliertem Asthma unterschieden werden. Bestätigt wird die Diagnose durch die Reversibilität der Symptome mittels Bronchodilatator sowie durch die Hyperreagibilität auf Provokation. Schweres Asthma wurde definiert als Asthma, das mit hoch dosierten inhalativen Kortikosteroiden plus einem zweiten Kontroller und/oder systemischen Kortikosteroiden behandelt werden muss, um kontrolliert zu bleiben, bzw. das auch mit diesen Therapien nicht kontrolliert werden kann. <br />Diese Definitionen behalten ihre Gültigkeit. Die Task Force des Jahres 2014 unterstrich, dass schweres Asthma heterogen ist, fand jedoch für eine Phänotypisierung keinen Platz in der Klinik, da hierzu die Evidenz fehlte. Das hat sich nun geändert. Auf Basis der aktuellen Evidenzlage formulierte die Task Force des Jahres 2019 sechs Fragen und beantwortete diese mit Empfehlungen von unterschiedlicher Stärke. Diese neuen Empfehlungen lauten:</p> <ul> <li>Anti-IL-5- und Anti-IL-5Ra-Biologika werden bei Erwachsenen für schweres, unkontrolliertes eosinophiles Asthma empfohlen.</li> <li>Die Indikationsstellung zum Einsatz eines Biologikums bei eosinophilem Asthma ist durch eine Eosinophilenzahl ≥ 150 Zellen/μl gegeben.</li> <li>Jugendliche und Erwachsene mit den besten Chancen, auf Biologika anzusprechen, die sich gegen Eosinophile richten, können mit einem Eosinophilen- Cut-off ≥ 260/μl und FeNO ≥ 19,5 ppb identifiziert werden.</li> <li>Für Jugendliche und Erwachsene, die unter GINA-Step-4- bis -5-Therapien weiterhin an schwerem, unkontrolliertem Asthma leiden, wird inhalatives Tiotropium empfohlen.</li> <li>Bei Patienten, die unter GINA-Step-5- oder NAEPP-Step-5-Therapie unter schwerem, unkontrolliertem Asthma oder persistierenden Symptomen leiden, wird unabhängig vom Asthmaphänotyp ein Therapieversuch mit Makroliden zur Reduktion der Exazerbationen empfohlen.</li> <li>Eine gegen IL-4/13 gerichtete Biologikatherapie wird empfohlen für Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma oder schwerem Asthma mit Bedarf an systemischen Kortikosteroiden unabhängig von der Eosinophilenzahl.</li> </ul> <p>Die Guideline gibt keine definierten Therapiealgorithmen vor und hält fest, dass die Empfehlungen revidiert werden sollen, sobald neue Evidenz vorhanden ist.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: European Respiratory Society (ERS) International Congress, 28. September bis 2. Oktober 2019, Madrid
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<p><strong>1</strong> Park HY et al.: COPD and lung cancer incidence in never smokers. Abstract OQ3288, presented at ERS 2019 <strong>2</strong> Criner GJ et al.: Benralizumab for the prevention of COPD exacerbations. N Engl J Med 2019; 381(11): 1023-1034 <strong>3</strong> Criner GJ et al.: Identification of patients with COPD who benefit from benralizumab. Late Breaking Abstract RCT 446, presented at ERS 2019 <strong>5</strong> Criner GJ et al.: A multicenter randomized controlled trial of Zephyr endobronchial valve treatment in heterogeneous emphysema (LIBERATE). Am J Respir Crit Care Med 2018; 198: 1151-1164 <strong>5</strong> Dransfield M et al.: Impact of endobronchial valves on patient reported outcomes in severe emphysema. Abstract RCT 447, presented at ERS 2019 <strong>6</strong> https://www.ersbookshop.com/alpha-1-antitrypsin-deficiency-424-p.asp <strong>7</strong> Miravitlles M et al.: European Respiratory Society statement: diagnosis and treatment of pulmonary disease in α1-antitrypsin deficiency. Eur Respir J 2017; 50. pii: 1700610 <strong>8</strong> Greulich T et al.: Real world evaluation of a novel lateral flow assay (AlphaKit<sup>®</sup> QuickScreen) for the detection of alpha-1-antitrypsin deficiency. Respir Res 2018; 19: 151 <strong>9</strong> Holguin F et al.: Management of severe asthma: a European Respiratory Society/American Thoracic Society guideline. Eur Respir J 2019 [epub ahead of print] <strong>10</strong> Chung KF et al.: International ERS/ATS guidelines on definition, evaluation and treatment of severe asthma. Eur Respir J 2014; 43: 343-73 <strong>11</strong> Eger K et al.: Overuse of oral corticosteroids in asthma – modifiable factors and potential role of biologics, Abstract OA334, presented at ERS 2019 <strong>12</strong> Virchow JC et al.: Single inhaler extrafine triple therapy in uncontrolled asthma: two randomised, double-blind, parallel group, controlled trials (TRIMARAN and TRIGGER). Lancet 2019 [epub ahead of print] <strong>13</strong> Peters S et al.: Predictors of response to tiotropium versus salmeterol in asthmatic adults. J Allergy Clin Immunol 2013; 132: 1068-74 <strong>14</strong> Singh D et al.: Characteristics of prominent response to triple therapy in patients with asthma uncontrolled on ICS/LABA: a stratified analysis of the TRIMARAN and TRIGGER studies. Abstract RCT3779, presented at ERS 2019 <strong>15</strong> Canonica WG et al.: Effect of high extrafine strength (HS) ICS-containing triple therapy on exacerbations in patients with severe asthma and persistent airflow limitation: post-hoc analysis of the TRIGGER study. Abstract OA5339, presented at ERS 2019</p>
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