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Neue Biologika bei Asthma
Jatros
Autor:
Dr. Martin Förster
Universitätsklinikum Jena<br> E-Mail: martin.foerster@med.uni-jena.de
Autor:
Prof. Dr. Dr. Claus Kroegel
Leiter der Abteilung Pneumologie & Allergologie/Immunologie, Universitätsklinikum Jena<br> E-Mail: claus.kroegel@med.uni-jena.de
30
Min. Lesezeit
08.12.2016
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<p class="article-intro">In den letzten Jahren wurden verschiedene monoklonale Antikörper (Biologika) entwickelt, die einzelne Signalwege der asthmatischen Entzündung selektiv unterbinden. Einige dieser neuen Biologika sind bereits zur Behandlung des unkontrollierten Asthmas zugelassen, bei anderen ist mit der Zulassung zu rechnen. Dieser Artikel stellt die Grundlage und potenzielle Wirkung dieser Biologika dar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Asthma ist eine „Volkskrankheit“, deren Prävalenz in vielen Ländern seit Jahren stetig zunimmt. Weltweit leiden derzeit etwa 300 Mio. Menschen unter Asthma. Diese Zahl wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren auf etwa 400 Mio. ansteigen.<sup>1, 2</sup> Beim Asthma handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Atemwegserkrankung, die durch eine reversible Atemflusslimitation, eine bronchiale Hyperreagibilität auf dem Boden einer IgE-vermittelten, Th2-assoziierten eosinophilen Entzündung und durch einen Atemwegsumbau (Remodeling) charakterisiert ist.<sup>3</sup> Das Verständnis der pathogenetischen Prozesse erlaubt es, verschiedene Ansätze zur Behandlung des Asthmas zu erkennen, um diese Prozesse durch selektiv wirkende Biologika zu blockieren. Verschiedene monoklonale Antikörper (Biologika), die einzelne Signalwege der asthmatischen Entzündung selektiv unterbinden, wurden bereits in den vergangenen Jahren entwickelt. Hierzu gehören neben Th2-Antagonisten oder Transkriptionsfaktoren auch monoklonale Antizytokinantikörper oder Antizytokinrezeptor-Antagonisten, die entweder das IgE-Signal (Omalizumab), das IL-5-Signal (Benralizumab, Reslizumab, Mepolizumab), das IL-13-Signal (Lebrikizumab, Tralokinumab) oder die IL-4/IL-13-Signale (Dupilumab) unterbrechen. Der Wirkmechanismus und die klinische Wirksamkeit der für die Praxis relevantesten Biologika werden hier dargestellt.</p> <h2>Die asthmatische Entzündung</h2> <p>An der asthmatischen Atemwegsentzündung sind verschiedenste Immunzellen, proinflammatorische Moleküle bzw. Mediatoren und bronchiale Zellen bzw. Gewebe beteiligt. Diese formen in unterschiedlicher Ausprägung das Muster der Entzündung, was wiederum für die Entwicklung, Persistenz und Schwere der Erkrankung und den Phänotyp verantwortlich ist.<sup>4</sup> Hierbei gelten die IgE-Bildung, eosinophile Granulozyten, Mastzellen und Th2(T-helper 2)-Lymphozyten sowie verschiedene Zytokine (IL-4, IL-5, IL-9, IL-13 und IL-33) und Chemokine (Eotaxin) derzeit als pathogenetisch relevanteste Faktoren (Abb. 1). <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1606_Weblinks_seite6.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Blockade des IL-5-Signals</h2> <p>Aufgrund der zentralen Bedeutung des IL-5 für die Reifung und Aktivierung eosinophiler Granulozyten bildet die Blockade dieses Zytokins einen potenziellen Therapieansatz beim Asthma bronchiale.<sup>5</sup> Mit Mepolizumab und Reslizumab wurden zwei neutralisierende Anti-IL-5-Antikörper und mit Benralizumab ein IL-5-Rezeptorantagonist entwickelt. Mepolizumab (Nucala®) ist seit Februar 2016 in Europa erhältlich. Reslizumab (Cinqaero®) ist seit August 2016 in Europa zugelassen. <br />Für alle drei Biologika liegen randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studien an Patienten mit einem schweren und zum Teil Kortison-abhängigen Asthma vor. Sie führen zu einer signifikanten Reduktion der Eosinophilenzahl im Blut und Sputum, in den Atemwegen und im Knochenmark. Zugleich nimmt die Exazerbationsrate ebenso wie die Häufigkeit und Dauer von Hospitalisierungen signifikant ab. Schließlich kommt es zu einer Verbesserung der FEV<sub>1</sub>-Werte und der Symptome bzw. der Lebensqualität.<sup>6–14</sup> Schließlich konnte unter Mepolizumab die mediane orale Kortikosteroiddosis um 50 % reduziert werden.<sup>15</sup> Die Biologika besitzen ein akzeptables Nebenwirkungsprofil. <br />Die wichtigste Einschränkung der Therapie mit Anti-IL-5-Antikörpern ist die direkte Abhängigkeit von der Eosinophilenzahl. Bei etwa einem Drittel der Asthmatiker bleibt eine therapeutische Wirkung aus oder diese ist nur gering. Daher gilt als Indikation zur Therapie der Nachweis einer Bluteosinophilie von >150 Zellen/µl (Mepolizumab), >300 Zellen/µl (Benralizumab) bzw. >400 Zellen/µl (Reslizumab) im Blut.<sup>6, 11, 12</sup> Trotzdem bleibt eine Wirkung bei einzelnen Asthmatikern aus, zumal die oft bestehende Kortisontherapie bei schwerem Asthma eine korrekte Bestimmung der Eosinophilenzahl nicht zulässt.</p> <h2>IL-4-Blockade</h2> <p>IL-4 ist unter anderem an der Differenzierung von CD4<sup>+</sup>-T-Lymphozyten zu Th2-Zellen, der Hemmung des Th1-Zytokins Interferon-γ (IFN-γ), der Regulation der Eosinophilenfunktion und der Induktion des B-Zell-Isotyp-Switchings mit Produktion von IgE beteiligt.<sup>4</sup> Verschiedene mit dem IL-4-Signal interferierende Biologika (Anti-IL-4-Antikörper, lösliche IL-4-Rezeptoren und IL-4-Transkriptionsinhibitoren) wurden entwickelt und untersucht. Die vorliegenden Studien mit den IL-4R-Antagonisten Altrakincept und Pascolizumab ergeben bisher keine eindeutige Aussage zu deren Wirksamkeit.<sup>4</sup></p> <h2>IL-13-Blockade</h2> <p>Gemeinsam mit IL-4 beeinflusst IL-13 die Atemwegsentzündung über die Mukusproduktion, die IgE-Synthese sowie die Rekrutierung eosinophiler und basophiler Granulozyten.<sup>5</sup> Darüber hinaus fördert das Zytokin das bronchiale Remodeling mittels Proliferation bronchialer Fibroblasten und glatter Muskelzellen, die Hyperplasie der Drüsenzellen sowie die Kollagendeposition (Abb. 1).<sup>16, 17</sup> <br />Zwei Anti-IL-13-Antikörper (Lebriki­zumab, Tralokinumab) wurden in der Zwischenzeit entwickelt und in Phase-II-Studien untersucht.<sup>4</sup> Bei nicht selektionierten Patienten mit unkontrolliertem Asthma war die Wirkung der Anti-IL-13-Biologika gering. Bei der Subgruppe mit erhöhter Periostinkonzentration im Blut (>50mg/ml) kam es jedoch zu einer signifikanten Verbesserung der FEV<sub>1</sub>-Werte, zum Rückgang der Exazerbationsrate um mehr als die Hälfte und zu einer Reduktion des SABA-Bedarfs.<sup>16–19</sup> Periostin dient als Biomarker für den sogenannten Th2-Phänotyp (siehe oben), er wird von Epithelzellen unter dem Einfluss von IL-13 gebildet. Allerdings waren die Ergebnisse der Phase-III-Studien zu Lebrikizumab (LAVOLTA I und II) uneinheitlich, sodass die Entwicklung dieses Bio­logikums vor Kurzem eingestellt wurde. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1606_Weblinks_seite8.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>IL-4/IL-13-Blockade</h2> <p>Die Rezeptoren für IL-4 und IL-13 teilen sich eine Rezeptoruntereinheit ihrer Rezeptorkomplexe.<sup>4</sup> Beide Zytokine vermitteln ein sich überlappendes Signal, das für die Entwicklung des Th2-Immunmusters erforderlich ist. Der humane monoklonale Antikörper Dupilumab blockiert diese Rezeptoruntereinheit. In Phase-II-Studien führte Dupilumab bei Asthmatikern unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung zu einem signifikanten FEV<sub>1</sub>-Anstieg und zu einer Reduktion der Zahl an Exazerbationen und des Bedarfs an kurz wirksamen Beta-2-Agonisten (SABA) und verbesserte die Asthmakontrolle ab der 12. Therapiewoche, auch nach Beendigung der inhalativen Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) und lang wirksamen Beta-2-Agonisten (LABA).<sup>20–22</sup> Die Wirkung war zudem weniger abhängig von der peripheren Eosinophilenzahl als Anti-IL-5-Biologika. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf.</p> <h2>IFN-α</h2> <p>IFN-α wirkt als immunmodulatorisches Zytokin und hemmt das bei Asthma dominierende Th2-Immunmuster.<sup>23</sup> Bei zwei Dritteln der Patienten mit schwerem, unkontrolliertem Asthma bronchiale führt es zu einer Reduktion der Symptome am Tag und in der Nacht, zur Krankheitskontrolle und zu einem geringeren Bedarf an SABA sowie oralen Kortikosteroiden.<sup>24, 25</sup> Potenzielle Nebenwirkungen sind grippale Beschwerden in den ersten Wochen der Therapie ebenso wie eine passagere Müdigkeit bzw. Inappetenz. Eine Autoimmunthyreoiditis, Anämie oder eine depressive Verstimmung sind möglich, bilden sich aber nach der Beendigung der Therapie wieder zurück. IFN-α ist allerdings bisher für die Therapie des schwergradigen Asthma bronchiale nicht zugelassen.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Lemanske RF Jr et al: J Allergy Clin Immunol 2003; 111(2 Suppl): S502-19 <strong>2</strong> Kroegel C: Expert Rev Clin Immunol 2009; 5: 239-49 <strong>3</strong> Kroegel C: Asthma. Kroegel C, Costabel U (Hrsg.): Klinische Pneumologie: Das Referenzwerk für Klinik und Praxis. Stuttgart: Thieme-Verlag, 2014. pp 145-89 <strong>4</strong> Darveaux J et al: J Allergy Clin Immunol Pract 2015; 3: 152-60 <strong>5</strong> Pelaia G et al: Nat Rev Drug Discov 2012; 11: 958-72 <strong>6</strong> Nair P et al: N Engl J Med 2009; 360: 985-93 <strong>7</strong> Pavord ID et al: Lancet 2012; 380: 651-9 <strong>8</strong> Ortega HG et al: N Engl J Med 2014; 371: 1198-207 <strong>9</strong> Castro M et al: Am J Respir Crit Care Med 2011; 184: 1125-32 <strong>10</strong> Bjermer L et al: Chest 2016; 150: 789-98 <strong>11</strong> Castro M et al: Lancet Respir Med 2015; 3: 355-66 <strong>12</strong> Corren J et al: Chest 2016; 150: 799-810 <strong>13</strong> Castro M et al: Lancet Respir Med 2014; 2: 879-90 <strong>14</strong> Tan LD et al: J Asthma Allergy 2016; 9: 71-81 <strong>15</strong> Bel EH et al: N Engl J Med 2014; 371: 1189-97 <strong>16</strong> Corren J et al: N Engl J Med 2011; 365: 1088-98 <strong>17</strong> Hanania NA et al: Thorax 2015; 70: 748-56 <strong>18</strong> Piper E et al: Eur Respir J 2013; 41: 330-8 <strong>19</strong> Brightling CP et al: Lancet Respir Med 2015; 3: 692-701 <strong>20</strong> Corren J et al: Am J Respir Crit Care Med 2010; 181: 788-96 <strong>21</strong> Wenzel S et al: N Engl J Med 2013; 368: 2455-66 <strong>22</strong> Wenzel S et al: Lancet 2016; 388: 31-44 <strong>23</strong> Gonzales-van Horn SR et al: J Leukoc Biol 2015; 98: 185-94 <strong>24</strong> Kroegel C et al: Respiration 2006; 73: 566-70 <strong>25</strong> Kroegel C et al: Pneumologie 2009; 63: 307-13</p>
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