
©
Getty Images/iStockphoto
Multiresistente Tuberkulose: neue Waffen dringend gesucht
Jatros
30
Min. Lesezeit
06.10.2016
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Multiresistente Tuberkuloseerreger haben sich längst zu einem weltweiten Problem entwickelt. Im Kampf gegen diese schwer zu behandelnden Mykobakterien setzt man auf neue Substanzen und komplizierte Kombinationstherapien.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Von den weltweit schätzungsweise 2 Mrd. mit <em>Mycobacterium tuberculosis</em> infizierten Personen entwickeln weniger als 10 % eine aktive Tuberkulose. Dies bedeutet jedoch immer noch mehr als 8 Mio. neue Fälle pro Jahr und rund 1,4 Mio. Tote, wobei Patienten mit HIV-Koinfektion besonders gefährdet sind. Ein besonderes Problem stellt das Auftreten von antibiotikaresistenten Stämmen des Tuberkuloseerregers dar. Von „multi drug resistance“ (MDR) spricht man bei Resistenz zumindest gegen Isoniazid und Rifampicin. Dies trifft gegenwärtig, so Dr. Andreas Diacon von der Stellenbosch University in Kapstadt, Südafrika, auf rund 4 % der Tb-Erkrankungen zu. Bei Patienten, die bereits einmal gegen Tb behandelt wurden, ist allerdings bereits in 20 % der Fälle ein MDR-Stamm im Spiel. Doch es geht noch schlimmer. Von extensiver Resistenz (XDR-Tb) spricht man, wenn ein MDR-Keim zusätzlich Resistenzen gegen Fluorchinolone und parenterale Antibiotika aufweist. XDR-Tb macht rund 9 % der MDR-Tb-Fälle aus und wurde bislang in mehr als 100 Ländern nachgewiesen. Die potenziellen Konsequenzen sind katastrophal. Die Prognose der multiresistenten Tb nähert sich wieder jener der Tuberkulose vor Einführung der Antibiotikatherapie an. In der Prä-Chemotherapie-Ära lag die Zehn-Jahres-Sterblichkeits-Rate bei Tb im Bereich von 70 % .<sup>1</sup> Heute ist bei XDR-Tb eine Drei-Jahres-Sterblichkeits-Rate von 60 % zu verzeichnen.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1605_Weblinks_seite24.jpg" alt="" width="385" height="253" /></p> <h2>Complianceprobleme und Behandlungsfehler</h2> <p>Das Problem ist geografisch sehr unterschiedlich verteilt. Am häufigsten sind MDR-Stämme in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, wo sie mehr als 18 % der Tb-Erkrankungen verursachen. Allerdings fehlen für weite Teile Afrikas oder für Afghanistan schlicht epidemiologische Daten. Migration ist in dieser Hinsicht durchaus relevant. Ursachen der Resis­tenzbildung sind einerseits eingeschränkte Patientencompliance, andererseits jedoch auch Behandlungsfehler. So sind Resistenzen bei Tuberkulose immer präsent und jede antibiotische Monotherapie einer aktiven Tuberkulose führt zwangsläufig zur Selektion resistenter Stämme.<sup>3</sup> Dr. Diacon unterstreicht jedoch, dass viele in der Tb-Behandlung verwendeten Substanzen schon sehr lange eingesetzt werden und das Auftreten von Resistenzen insofern nicht verwundert.<br /> Die Antwort besteht gegenwärtig in komplizierten Kombinationstherapien, die über lange Zeit eingenommen werden müssen. So empfahl die WHO bis vor Kurzem bei MDR-Tb Kombinationen von mindestens vier Zweitlinienantibiotika über 18 bis 24 Monate, was Therapieerfolgsraten zwischen 50 und 60 % versprach. Im Mai 2016 wurde diese Empfehlung auf ein Regime von 7 Substanzen über 9 Monate geändert, was zu einer Heilungsrate von 85 % führte. Benötigt werden jedoch auch neue Substanzen. Die FDA erteilte 2012 die Zulassung für das Diarylchinolin Bedaquilin, das die mykobakterielle ATP-Synthase hemmt und den Erreger so an der Energiegewinnung hindert. Eine weitere neue Option in der Behandlung der multiresistenten Tb ist das Dihydronitroimidazooxazol Delamanid, das 2013 von der EMA zugelassen wurde. In Studien führte Delamanid zu klinischen Verbesserungen und höheren Überlebenschancen.<sup>4</sup> Eine Option der Zukunft könnte allerdings aus einer altbekannten Ecke kommen: Betalaktamantibiotika haben sich in vitro als wirksam gegen MDR-Tb erwiesen.<sup>5</sup></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Tiemersma EW et al: Natural history of tuberculosis: duration and fatality of untreated pulmonary tuberculosis in HIV negative patients: a systematic review. PLoS One 2011 Apr 4; 6(4): e17601 <strong>2</strong> Dheda K et al: Early treatment outcomes and HIV status of patients with extensively drug-resistant tuberculosis in South Africa: a retrospective cohort study. Lancet 2010; 375(9728): 1798-807 <strong>3</strong> Gandhi NR et al: Multidrug-resistant and extensively drug-resistant tuberculosis: a threat to global control of tuberculosis. Lancet 2010; 375(9728): 1830-43 <strong>4</strong> Skripconoka V et al: Delamanid improves outcomes and reduces mortality in multidrug-resistant tuberculosis. Eur Respir J 2013; 41(6): 1393-400 <strong>5</strong> Diacon AH et al: β-Lactams against tuberculosis--new trick for an old dog? N Engl J Med 2016; 375(4): 393-4<br /><br /></p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Pathobiologie und Genetik der pulmonalen Hypertonie
Für die 7. Weltkonferenz für pulmonale Hypertonie (World Symposium on Pulmonary Hypertension; WSPH) 2024 beschäftigten sich zwei Task-Forces aus 17 internationalen Experten allein mit ...
COPD: State of the Art
Vom reaktiven zum proaktiven Management – Präventivmassnahmen werden in der Versorgung von COPD-Patient:innen immer wichtiger. Das unterstreichen auch die Aktualisierungen im GOLD-Report ...