
«Maintenance and reliever therapy»: Erstlinientherapie bei leichtem Asthma
Bericht:
Reno Barth
Medizinjournalist
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Mit ihrem aktuellen Report vollzieht die Global Initiative for Asthma (GINA) in ihren Empfehlungen für die Behandlung von leichtem Asthma (GINA Stufe 1) einen Paradigmenwechsel. Empfohlen wird nun als erste Wahl die Kombination des β2-Sympathomimetikums Formoterol mit einem inhalativen Kortikosteroid als Bedarfstherapie. Die Monotherapie mit einem «Reliever» ist obsolet.
Leichtes (mildes) Asthma ist eine keineswegs banale Indikation. Wir haben in den letzten Jahren die Entwicklung neuer Strategien auf der Basis von seit Langem etablierten Medikamenten gesehen», sagte Prof. Guy Brusselle vom Universitätsspital Gent. Viele Jahre wurde leichtes Asthma gemäss den Guideline-Empfehlungen mit kurz wirksamen Bronchodilatatoren (SABA), sogenannten «Relievern», behandelt. Dieser Zugang ist problematisch und wird zunehmend verlassen. Die Monotherapie mit diesen Substanzen wurde in den Empfehlungen der Global Initiative for Asthma (GINA) bis 2018 als Stufe 1 bezeichnet. Seit 2019 werden SABA als Monotherapie nicht mehr empfohlen. Vielmehr soll nun bereits ab der Diagnosestellung ein inhalatives Kortikosteroid (ICS) zur Kontrolle der Erkrankung zum Einsatz kommen. Damit setzte GINA eine seit Längerem absehbare Herabstufung der SABA fort. Parallel dazu gewannen die ICS auch beim leichten Asthma an Bedeutung. In den GINA-Empfehlungen von 2014 wurde festgehalten, dass eine SABA-Monotherapie nur bei Patienten indiziert ist, die den «Reliever» weniger als zweimal im Monat verwenden und die keine Risikofaktoren für Exazerbationen haben. Ausschlaggebend für den jetzigen Paradigmenwechsel waren Studienresultate, die zeigen, dass auch Patienten, die selten Beschwerden haben, schwere und schlimmstenfalls tödliche Exazerbationen durchmachen können. Und das ist nicht selten: circa 15–20% der Patienten, die an Asthma sterben, waren zuvor lediglich einmal in der Woche oder überhaupt nur unter Belastung symptomatisch.1 «Insbesondere virale Infektionen können bei diesen Patienten zu schweren Exazerbationen führen», so Prof. Helen Reddel von der Universität Sydney, Vorsitzende des Science Committee von GINA. Dies sei nicht nur mit Blick auf die erhöhte Mortalität problematisch. Vielmehr habe sich gezeigt, dass schon einzelne Behandlungen mit oralen Kortikosteroiden, wie sie bei schweren Exazerbationen erforderlich werden, im Abstand von mehreren Jahren zu langfristigen Toxizitäten führen können.
Paradigmenwechsel: weg mit dem Reliever
Daher empfiehlt GINA nun die bei schwererem Asthma seit Jahren bewährte «Maintenance and reliever therapy» (MART) mit einem ICS und Formoterol als Erstlinienbehandlung auch beim leichten Asthma. Formoterol gehört zur Gruppe der β2-Sympathomimetika und ist ein lang wirksamer Bronchodilatator, der aufgrund seines schnellen Wirkeintritts auch als Reliever zur akuten Symptombehandlung geeignet ist. Auch bei leichtem Asthma bewirken niedrig dosierte ICS eine Reduktion des Exazerbationsrisikos um rund die Hälfte.2 Dies trifft auch auf Patienten zu, die lediglich einmal in der Woche oder noch seltener Symptome erleben.3
Die Kombination von Formoterol mit dem ICS Budesonid als Bedarfsmedikation führte bei Patienten mit leichtem Asthma im Vergleich zum Einsatz von SABA als Bedarfsmedikation zu einer Reduktion des Exazerbationsrisikos um 84% und war im Vergleich zu einer Dauertherapie mit ICS plus SABA als Bedarfsmedikation nicht unterlegen. Dabei war die eingesetzte Steroiddosis im Budesonid/Formoterol-Arm niedriger.4
GINA-Stufe-1-Empfehlungen gelten für neu diagnostizierte Patienten, die weniger als zweimal im Monat Symptome erleben und keine ausgewiesenen Risikofaktoren haben. Zudem sind die Empfehlungen anwendbar als «step down» für Patienten, deren Asthma mit den Empfehlungen für Step 2 gut kontrolliert ist. Die Unterscheidung zwischen intermittierendem und leichtem, persistierendem Asthma habe sich als willkürlich erwiesen, ohne dass Unterschiede im Ansprechen auf ICS feststellbar wären. Das neue Vorgehen werde, so Reddel, den vielfältigen Zielen der Asthmatherapie besser gerecht, die über die Symptomkontrolle hinaus auch auf die Reduktion des Risikos für Exazerbationen sowie des Verlustes an Lungenfunktion und schliesslich auch auf die Prävention von Todesfällen durch Asthma abzielt. Reddel betonte jedoch, dass die Entscheidung angesichts der Risiken der SABA-Therapie naheliegend, jedoch nicht leicht zu begründen war, zumal die direkte Evidenz für MART auf Stufe 1 weitgehend fehlt, so wie generell Daten zu Patienten mit sehr seltenen Symptomen rar sind. Folglich musste von den Daten zu Stufe 2 auf Stufe 1 extrapoliert werden. Darüber hinaus gebe es keine pathophysiologischen Erklärungen, warum sich die zugrunde liegenden Mechanismen bei seltenen oder häufigen Symptomen nennenswert unterscheiden sollten.
GINA hält in ihrem Report 2021 fest, dass eine evidenzbasierte Definition von leichtem Asthma noch ausstehe und in den kommenden Jahren erarbeitet werden müsse. Diese beginne bereits bei der Diagnose, die bei sehr seltenem Auftreten von Symptomen schwierig sein kann. Beispielsweise kann ein einzelner Lungenfunktionstest in solchen Fällen irreführend sein und müsse dementsprechend mehrmals wiederholt werden – idealerweise in einer symptomatischen Phase. In jedem Fall sei es wichtig, die Diagnose vor Beginn der Therapie zu bestätigen, da unter Therapie mit keinen aussagekräftigen Ergebnissen der Tests zu rechnen ist.
Dauertherapie mit ICS: ein Problem der Adhärenz
Als Alternative zu MART kann ein SABA verordnet werden, wobei immer, wenn Bedarf an dem SABA besteht, auch ein ICS inhaliert werden soll. Diese Option wird allerdings von GINA als nachrangig betrachtet, da dafür sehr viel schwächere Evidenz vorliegt. Redell betonte, dass sie eine gangbare Option darstellt in Ländern, in denen Budesonid/Formoterol nicht verfügbar ist. Auch spreche nichts dagegen, bei Patienten, die mit ihrem SABA seit Jahren gut zurechtkommen und keine Exazerbationen haben, die Therapie weiterzuführen. Entscheidet man sich für die Kombination von ICS und SABA, so stelle sich nicht zuletzt die Frage der Adhärenz, zumal die Erfahrung zeige, dass Patienten dazu tendieren, das ICS eigenmächtig abzusetzen, wenn sie sich durch den Reliever ausreichend geschützt fühlen. Das Problem dabei ist, dass die Patienten den Effekt des SABA unmittelbar wahrnehmen, während der ICS-Effekt subjektiv höchstens langfristig bemerkt wird. Dieses Verhalten der Betroffenen sei naheliegend und nachvollziehbar und müsse in die Überlegungen und Strategien zur Verbesserung der Adhärenz einbezogen werden. Prof. Celeste Porsbjerg vom Bispebjerg Hospital in Kopenhagen weist darauf hin, dass es ungeachtet der zunehmenden Warnhinweise nach wie vor das Problem des SABA-Übergebrauchs gibt. Aus diesem Grund überprüft sie bei Patienten, die ihr zugewiesen werden, als Erstes die Verschreibungen. Zeigt sich dabei ein hoher SABA-Gebrauch, so besteht Interventionsbedarf. Es sei in dieser Situation oft sehr schwierig, eine Verhaltensänderung zu erreichen. Daher sei die Prävention das beste Rezept gegen den SABA-Übergebrauch. Idealerweise sollten Asthmapatienten niemals in Kontakt mit dieser Medikamentengruppe kommen. Die neuen GINA-Empfehlungen machen das nun möglich.
Für die kommenden Jahre fordert der Referent die Schliessung einiger Evidenzlücken. Das beinhaltet auch eine psychologische Typisierung der Patienten. Man benötige mehr Informationen dazu, welchen Patienten man eine stärkere Mitarbeit am Management ihrer Erkrankung zumuten und zutrauen könne. Dieser Erkenntnisgewinn kann nur mit grossen Kohortenstudien erreicht werden. Es wäre beispielsweise auch interessant zu wissen, ob die Behandlung in den ersten Jahren der Erkrankung einen Einfluss auf den weiteren Verlauf und die Entwicklung eines schweren Asthmas hat. «In der klinischen Praxis haben wir den Eindruck, dass dem so ist», so Porsbjerg, «aber bisher fehlt die entsprechende Evidenz.» An dieser Evidenz wird gearbeitet. So verglich die Novel-START-Studie Budesonid/Formoterol als Bedarfsmedikation mit einer ICS-Dauertherapie sowie mit einer reinen Reliever-Therapie (Albuterol) und fand hinsichtlich der Exazerbationsrate keine signifikanten Unterschiede zwischen Budesonid/Formoterol-Bedarfsmedikation und ICS-Dauertherapie, allerdings war unter Budesonid bzw. Budesonid/Formoterol im Vergleich zur Reliever-Gruppe eine Reduktion der Exazerbationen um rund die Hälfte zu verzeichnen (Abb. 1A).5 Hinsichtlich der Prävention schwerer Exazerbationen war Budesonid/Formoterol auch im Vergleich zur ICS-Dauertherapie überlegen (Abb. 1B).5 Brusselle ergänzt, dass FeNO-Bestimmungen aus der Novel-START-Studie darauf hindeuten, dass die MART-Therapie die Entzündung der Atemwege in gleichem Mass reduziert wie eine ICS-Dauertherapie (Abb. 1C).5
Abb. 1: Ergebnisse der Novel-START-Studie. A: jährliche Exazerbationsrate; B: Anzahl der schweren Exazerbationen; C: FeNO-Bestimmungen (modifiziert nach Beasley et al. 2019)5
Quelle:
«New approaches to mild asthma (GINA Update 2021)», ERS Vision Webinar vom 21. Juli 2021
Literatur:
1 Dusser D et al.: Mild asthma: an expert review on epidemiology, clinical characteristics and treatment recommendations. Allergy 2007; 62: 591-604 2 Pauwels RA et al.: Early intervention with budesonide in mild persistent asthma: a randomised, double-blind trial. Lancet 2003; 361: 1071-6 3 Reddel HK et al.: Should recommendations about starting inhaled corticosteroid treatment for mild asthma be based on symptom frequency: a post-hoc efficacy analysis of the START study. Lancet 2017; 389: 157-66 4 O’Byrne PM et al.: Inhaled combined budesonide-formoterol as needed in mild asthma. N Engl J Med 2018; 378: 1865-76 5 Beasley R et al.: Controlled trial of budesonide-formoterol as needed for mild asthma. N Engl J Med 2019; 380: 2020-30
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