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Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie (SGP)

Legionellose: ein menschgemachtes Problem

Die Presidents Lecture bietet traditionellerweise die Gelegenheit, einen Blick über den Tellerrand zu werfen. Am diesjährigen SGP-Kongress gab Dr. Frederik Hammes von der Eawag, dem nationalen Wasserforschungsinstitut, spannende Einblicke in die Legionellose aus der Perspektive des Spezialisten für Trinkwassermikrobiologie.

Die Legionellose ist ein Problem in der Schweiz. In den letzten 20 Jahren nahm die jährliche Rate an gemeldeten Fällen um 600% zu, die Inzidenz ist 2- bis 3-mal so hoch wie im restlichen Europa.1 Legionellen sind opportunistische gramnegative Bakterien, die in natürlichen Gewässern, im Trinkwasser und anderen Wasserökosystemen vorkommen. Ein Grossteil der Legionella-Spezies ist nicht humanpathogen. In 95% der Fälle von Legionellen-Pneumonien findet man Legionella pneumophila.

Legionellen mögen es feuchtund warm ...

Es sind hauptsächlich drei Faktoren, die dazu beitragen, dass man sich beim Duschen mit Legionellen anstecken kann: der Biofilm, die Temperatur und der Ansteckungsweg.

Legionellen leben und vermehren sich in Biofilmen. «Das ist die braune, schleimige Schicht, die Sie finden, wenn Sie eine Badeente aufschneiden. In diesem Biofilm lebt eine Vielzahl verschiedener Bakterien- und Pilzarten»,2 erklärte Hammes. Biofilme bilden sich überall dort, wo Werkstoffe mit Wasser in Kontakt kommen, also auch in allen sanitären Anlagen von Gebäuden.

Wie gut sich die Keime im Biofilm vermehren, hängt unter anderem von der Temperatur ab. Den Legionellen gefällt es am besten, wenn das Wasser 20–42°C warm ist. Bei Wassertemperaturen unter 20°C gibt es kein Legionellenwachstum. Um sie abzutöten, braucht es eine Wassertemperatur von 60–70°C. «Dies ist wichtig zu wissen, da wir in der Schweiz das Trinkwasser nicht mit Chlor versetzen, um es zu desinfizieren. Wenn es in einem Gebäude ein Problem mit pathogenen Legionellen gibt, ist die einzige Lösung heisses Wasser», erklärte der Mikrobiologe. Der Biofilm ist für die Legionellen auch deshalb wichtig, weil sie für die Replikation Protozoen benötigen, die ebenfalls auf Biofilmen zu finden sind.

Die Übertragung auf den Menschen geschieht über feine inhalierte Wassertröpfchen (Aerosole), jedoch nicht über das Trinken von kontaminiertem Wasser. «Die Legionellose ist weitgehend ein menschgemachtes Problem. Das ist gut, denn dafür können wir Lösungen finden», so Hammes.

... wie im Badezimmer

In den Rohrleitungen des Badezimmers ist die Temperatur ideal für Legionellen, zudem bilden der Duschschlauch und andere Teile aus Kunststoff im Inneren des Duschkopfs einen idealen Nährboden für einen dichten Biofilm. Und beim Duschen entstehen feine Wassertröpfchen, die eingeatmet werden. «Das heisst jetzt aber nicht, dass Sie nicht mehr duschen sollen», sagte Hammes. «Wichtig ist, dass man, wenn es im Trinkwasser eines Gebäudes pathogene Legionellen hat, das Problem erkennt und die nötigen Massnahmen ergreift.»

Eine mögliche Lösung kann sein, dass die Temperatur im Boiler und im Leitungssystem angepasst wird. Wenn die Temperatur im Boiler eines Hauses nur 45°C beträgt, fühlen sich die Legionellen in diesem Haus wohl. Daran ändert auch das Erhitzen des Boilers auf 70°C einmal wöchentlich nichts, weil die Legionellen in den Leitungsrohren, wo das Wasser weniger warm ist, überleben. Das Problem kann aber dadurch gelöst werden, dass das Wasser dauerhaft auf 60°C erwärmt wird. Andere Lösungsansätze sind aufwendiger und kommen v.a. bei Neubauten und grösseren Renovationen infrage.

Was unter dem Aspekt des Energiesparens sinnvoll erscheint, nämlich die Reduktion der Warmwassertemperatur, ist es aus mikrobiologischer Sicht nicht. Das Beispiel der Legionellose zeigt exemplarisch, dass ein Sachverhalt/Problem immer von möglichst vielen Seiten betrachtet werden sollte. Es lohnt sich immer, einen Blick über den Tellerrand zu werfen.

Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 30. März bis 1. April 2022, Luzern

1 Fischer FB et al.: Temporal trends in legionellosis national notification data and the effect of COVID-19, Switzerland, 2000-2020. Medrxiv 2022. doi: https://doi.org/10.1101/2022.01.19.22269395 2 Neu L et al.: Ugly ducklings - the dark side of plastic materials in contact with potable water. NPJ Biofilms Microbiomes 2018; 4: 7. https://www.nature.com/articles/s41522-018-0050-9

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