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Kopf-Hals-Tumore

Langzeitüberleben mit Adenokarzinom der Nasennebenhöhlen – ein Fallbericht

<p class="article-intro">Bösartige Tumoren der inneren Nase und der Nasennebenhöhlen machen etwa 3 % der Malignome im Kopf-Hals-Bereich aus. Ihre Inzidenz liegt bei 1/100.000. Adenokarzinome stellen dabei nach Plattenepithelkarzinomen (ca. 60 % ) mit etwa 9 % die zweitgrößte Tumorentität in Nase und Nasennebenhöhlen dar.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die &Auml;tiopathogenese ist noch unzureichend gekl&auml;rt, als karzinogen gelten insbesondere Hartholzst&auml;ube, aber auch Chromverbindungen, wobei zwischen Exposition und Auftreten des Tumors eine Latenzzeit von mehr als 15 Jahren liegen kann. Vor allem Personen im holzverarbeitenden Gewerbe (z.B. Tischler, Bodenleger), aber auch in der Textil- und Lederindustrie Besch&auml;ftigte sind betroffen. In &Ouml;sterreich gelten zumindest Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenh&ouml;hlen (NNH), welche im Zusammenhang mit beruflich bedingter Holzstaubexposition auftreten, als anerkannte Berufserkrankung und sind als solche meldepflichtig. Das hei&szlig;t, dass bei Vorliegen der Diagnose &bdquo;Adenokarzinom der Nase- und/oder der Nasennebenh&ouml;hlen&ldquo; sowie einer entsprechenden beruflichen Exposition der diagnostizierende Arzt verpflichtet ist, eine Meldung an einen der vier Unfallversicherungstr&auml;ger (AUVA, SVB, VAEB oder BVA) in &Ouml;sterreich zu erstatten, damit der Betroffene oder im Todesfall dessen Angeh&ouml;rige eine finanzielle Entsch&auml;digung erhalten k&ouml;nnen.<br /> Die Therapie der Adenokarzinome der Nase/der NNH besteht analog den Plattenepithelkarzinomen nach M&ouml;glichkeit in einer radikalen (endoskopischen) Tumorresektion, der Tumor ist m&auml;&szlig;ig strahlen- und chemotherapiesensibel. Die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate betr&auml;gt etwa 35 % .</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite39.jpg" alt="" width="405" height="1093" /></p> <h2>Falldarstellung</h2> <p>Im Juni 1999 wurde uns ein damals 42-j&auml;hriger Patient von einem niedergelassenen HNO-Arzt aufgrund einer malignit&auml;tssuspekten Raumforderung in der linken Nasenhaupth&ouml;hle vorgestellt. Der Mann hatte den HNO-Arzt wegen linksseitigen Nasenblutens, welches seit mehreren Wochen wiederholt auftrat, aufgesucht. Der Patient war von 1971 bis 1988 durchgehend als Tischler t&auml;tig gewesen, bevor er 1989 den Beruf wechselte und von diesem Zeitpunkt an als Brieftr&auml;ger besch&auml;ftigt war. Eine Zangenbiopsie aus der linken Nasenhaupth&ouml;hle lieferte den feingeweblichen Befund eines m&auml;&szlig;ig differenzierten Adenokarzinoms G2.<br /> Nach prim&auml;rem Staging mittels CT und Sonografie erfolgte Ende Juni 1999 eine endoskopisch assistierte Tumorresektion &uuml;ber einen Augenbrauenrandschnitt links sowie eine selektive Neck-Dissection links (Level II, III + IV). Intraoperativ fand sich ein die gesamte Nasenhaupth&ouml;hle ausf&uuml;llender Tumor ausgehend von der linken mittleren Nasenmuschel mit beginnender Infiltration der medialen Orbitawand und Sch&auml;delbasis. Bei initialem Tumorstadium cT3 pN0 cM0 G2 Rx wurde der Patient einer postoperativen Strahlentherapie mit 60Gy zugef&uuml;hrt. Es folgten regelm&auml;&szlig;ige klinische und bildgebende Tumornachsorgeuntersuchungen, wobei im Juli 2008 (nach 9 rezidivfreien Jahren!) im Bereich der linken Siebbeinh&ouml;hle eine Raumforderung mit Destruktion des Siebbeindaches auffiel. Nach bioptischer Verifizierung eines gering differenzierten Adenokarzinoms im Sinne eines Lokalrezidivs wurde im August 2008 eine endoskopische Tumorresektion im Bereich des vorderen und hinteren Siebbeindaches sowie im Bereich des Septums mit Abtragung der kn&ouml;chernen Rhinobasis und nachfolgender Abdichtung mit Lyodura und Fibrinkleber durchgef&uuml;hrt. Anschlie&szlig;end erhielt der Patient eine adjuvante Brachytherapie mit 32,5Gy. Knapp 2,5 Jahre sp&auml;ter, im Februar 2011, trat ein weiteres Lokalrezidiv im Bereich der linken Keilbeinh&ouml;hle auf, welches sich &ndash; wie sich bildgebend (CT und MRT) zeigte &ndash; nach intrakraniell (Durchmesser 2cm) in die vordere Sch&auml;delgrube ausbreitete und an den linken N. opticus heranreichte. Dem Patienten ging es damals dennoch sehr gut, er litt weder unter neurologischen Ausf&auml;llen oder Krampfanf&auml;llen noch unter Rhinoliquorrh&ouml; oder einer Visusminderung. Unter dem Gesichtspunkt der Palliation und im vollen Bewusstsein des operativen Risikos, der postoperativen Komplikationsm&ouml;glichkeiten und der Tatsache, dass eine lokal sanierende Operation technisch nicht durchf&uuml;hrbar ist, wagten wir nach zahlreichen z.T. kontroversiellen Diskussionen im interdisziplin&auml;ren Tumorboard (in welchen auch die M&ouml;glichkeit einer Protonenbestrahlung evaluiert wurde) im August 2011 in Kooperation mit den neurochirurgischen Fachkollegen &uuml;ber eine Kraniotomie eine Entfernung der intrakraniellen Tumorkomponente. Wiewohl der Patient den Eingriff komplikationslos &uuml;berstand, kam es durch Progress eines nicht resezierbaren intrakraniellen Tumorrestes, welcher in weiterer Folge den linken N. opticus bedr&auml;ngte, Anfang Dezember 2012 zu zunehmenden Gesichtsfeldausf&auml;llen bis hin zur Erblindung des linken Auges im J&auml;nner 2013.<br /> Da alle M&ouml;glichkeiten der Chirurgie und Strahlentherapie ausgesch&ouml;pft schienen, wurde im interdisziplin&auml;ren Tumorboard im Februar 2013 die Umsetzung einer palliativen Chemotherapie mit Gemcitabin und Carboplatin beschlossen. Trotz anf&auml;nglichen Therapieansprechens lie&szlig; sich in der MR-Verlaufskontrolle im Juni 2013 eine Gr&ouml;&szlig;enzunahme der Raumforderung in der linken Keilbeinh&ouml;hle (von 19 auf 23mm im Transversaldurchmessser) nachweisen, weshalb im Juli 2013 die Umstellung auf ein Taxan (Paclitaxel mono) und bei weiterem Progress im September 2013 auf 5-Fluorouracil mono erfolgte. Nachdem die MR-Verlaufskontrolle im M&auml;rz 2014 eine stabile Erkrankung gezeigt hatte, wurde eine Therapiepause vereinbart. Der Patient stellte sich dann allerdings erst wieder im Oktober 2014 mit einer Hemianopsie rechts temporal vor, die Folge eines massiven Tumorprogresses in der linken Keilbeinh&ouml;hle mit Infiltration von Chiasma opticum, beider Sehnerven und einer Mittellinienverlagerung des Gehirns um 7mm. In einer neuerlichen Zangenbiopsie lie&szlig;en sich ein Proliferationsindex Ki67 von 80 % und eine massive EGFR-&Uuml;berexpression nachweisen.<br /> Da der Patient explizit eine Therapie w&uuml;nschte, begannen wir Ende Oktober 2014 eine palliative Chemoimmuntherapie mit Capecitabin (per os) und Cetuximab (Abb. 1a), wobei wir wegen eines Hand-Fu&szlig;-Syndroms das Einnahmeintervall von Capecitabin schon sehr bald von 14 auf 10 Tage mit nachfolgender Einnahmepause von 1 Woche bis zum Beginn des n&auml;chsten Zyklus reduzieren mussten. Da der Wohnort des Patienten 50 km vom Krankenhaus entfernt war, gingen wir aus Komfortabilit&auml;tsgr&uuml;nden dazu &uuml;ber, dem Patienten die Immuntherapie mit Cetuximab alle 2 Wochen (in der doppelten Standarddosierung von 500mg/m&sup2;) tagesklinisch zu verabreichen. Mehr als &uuml;berrascht waren wir, als sich in der MRT eine deutliche Gr&ouml;&szlig;enregredienz des Tumors zeigte (Abb. 1b) und der Patient von einer leichten Besserung der Gesichtsfeldeinschr&auml;nkung berichtete. Nachdem auch in bildgebenden Kontrollen im April, August und November 2015 eine weitere Gr&ouml;&szlig;enreduktion des Tumors (wenn auch in geringerem Ausma&szlig;) zu erkennen gewesen war, f&uuml;hrten wir dieses bew&auml;hrte Behandlungsregime mit Capecitabin/Cetuximab bis Anfang Februar 2016 durch. Nach 15 Monaten kontinuierlicher Chemoimmuntherapie sahen wir uns aufgrund zunehmender Hauttoxizit&auml;t gezwungen, eine 4-w&ouml;chige Therapiepause einzulegen. Innerhalb dieser kurzen Therapiepause kam es &ndash; wie bereits in der Nasenendoskopie klinisch und in der nachfolgenden MRT unschwer zu erkennen war &ndash; zu einem massiven Tumorprogress mit beginnender Erblindung des rechten Auges. Auf Wunsch des Patienten und seiner Angeh&ouml;rigen wurde die medikament&ouml;se Tumor&shy;therapie deshalb im M&auml;rz 2016 abgebrochen und der Weg von &bdquo;best supportive care&ldquo; eingeschlagen. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass der Patient einen Tag vor seinem 60. Geburtstag &ndash; 17 Jahre nach Erstdiagnose seiner Tumorerkrankung &ndash; zu Hause verstorben war.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Im vorliegenden Patientenfall war es m&ouml;glich, durch radikale Tumorresektion und postoperative Strahlentherapie &uuml;ber viele Jahre eine sehr gute lokale Tumorkontrolle zu erreichen. In der Palliativsituation ist es vor allem durch die Kombination eines oral zu Hause einzunehmenden 5-FU-Prodrug in Kombination mit einem Anti-EGFR-Antik&ouml;rper, welcher alle 2 Wochen tagesklinisch verabreicht wurde, gelungen, den Spagat zu schaffen zwischen dem Wunsch des Patienten, m&ouml;glichst viel Zeit bei guter Lebensqualit&auml;t zu Hause zu verbringen, und einer wirksamen medikament&ouml;sen Tumortherapie mit tolerablem Nebenwirkungsprofil.</p> </div></p>
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