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Kongenitale Malformationen der Lunge beim Erwachsenen
Leading Opinions
Autor:
Univ.-Prof. Dr. med. Freyja-Maria Smolle-Jüttner
Leiterin der Klin. Abt. f. Thorax- und Hyperbare Chirurgie, Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: freyja.smolle@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
07.03.2019
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<p class="article-intro">Kongenitale Malformationen der Lunge werden heute in der Mehrzahl der Fälle bereits in der Kindheit diagnostiziert und behandelt. Manche dieser Fehlbildungen werden allerdings erst nach Erreichen des Erwachsenenalters der geplanten Therapie zugeführt. Ein weiterer Anteil kongenitaler, pulmonaler Malformationen wird bei asymptomatischen Patienten als Zufallsbefund diagnostiziert. Die dritte Gruppe besteht aus Patienten, die wegen komplizierter Sekundärphänomene Symptome entwickeln. Der Grossteil dieser Patienten wird im frühen Erwachsenen- bis mittleren Lebensalter symptomatisch.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Über die Häufigkeit der kongenitalen Lungenfehlbildungen beim Erwachsenen existieren keine sicheren Daten. Angesichts der immer besseren Diagnostik und Therapie dieser Malformationen im Kindesalter ist in entwickelten Ländern jedoch mit einem Rückgang der kumulativen Inzidenz im Erwachsenenalter zu rechnen.<sup>1</sup> Von einer Dunkelziffer nie diagnostizierter Fälle ist allerdings auszugehen.<sup>2</sup></p> <h2>Subtypen kongenitaler Malformationen beim Erwachsenen</h2> <p>Die häufigsten Subtypen kongenitaler Malformationen beim Erwachsenen sind die intralobäre Sequestration, die zystisch- adenomatoide Malformation (CAM) und bronchogene Zysten. Deutlich seltener finden sich extralobäre Sequestrationen und arteriovenöse Fisteln.</p> <p><strong>Intralobäre Sequestration</strong><br /> Bei der intralobären Sequestration handelt es sich um einen Bereich von afunktionalem, dysplastischem Lungengewebe, das in einem Lungenlappen vorhanden ist. Prädilektionsort ist der Unterlappen, mit Bevorzugung der dorsobasalen Anteile der linken Seite. Die arterielle Versorgung erfolgt über eine oder mehrere atypische Systemarterien, die meist aus der Aorta descendens (Abb. 1), seltener aus der A. mesenterica superior entspringen. Die venöse Drainage der intralobären Sequestration erfolgt entweder in die Lungenvene, über eine atypische Systemvene oder kombiniert. Das dysplastische Parenchym der intralobären Sequestration kann sich zu Zysten und Bronchiektasen erweitern oder sekundär pseudotumorös konsolidieren. Da der Sequester sekundär Anschluss an das normale Bronchialsystem findet, kommt es zu Superinfektionen durch mitunter problematische Keime. Tuberkulose und Aspergillome führen in diesem Zusammenhang zu komplizierten Verläufen. Durch die chronische Entzündung kann neben Abszessen und ortskonstant rezidivierenden Pneumonien auch Hämoptoe entstehen. Die gravierendste Komplikation ist die sekundäre Ausbildung einer Neoplasie (Bronchuskarzinom oder Bronchuskarzinoid) im sequestrierten Lungengewebe.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s28_abb1.jpg" alt="" width="1051" height="941" /></p> <p><strong>Extralobäre Sequestration</strong><br /> Diese Malformation besteht ebenfalls aus afunktionalem, dysplastischem Lungengewebe, das jedoch als «zusätzlicher Lappen» mit einem eigenen pleuralen Überzug angelegt ist.<sup>3</sup> Die arterielle Versorgung erfolgt über eine Systemarterie, wiederum meist aus der Aorta descendens oder der A. mesenterica superior, die venöse Drainage immer über eine Systemvene. Somit liegt ein arteriovenöser Shunt vor, der jedoch im Erwachsenenalter hämodynamisch fast nie relevant ist. Prädilektionsort für die extralobäre Sequestration ist der zwerchfellnahe Bereich, sowohl intrathorakal als auch intraabdominell. Da kein Kontakt zum Bronchialsystem besteht, bleiben infektiöse Komplikationen aus. Es kann sich jedoch ein spontaner, mitunter dramatischer Hämatothorax entwickeln.</p> <p><strong>Zystisch-adenomatoide Malformation (CAM)</strong><br /> Auch hier liegt ein Bereich dysplastischen, teilweise zystisch, teilweise solid veränderten Lungengewebes innerhalb eines Lappens vor. Nicht selten ist ein gesamter Lappen betroffen. Die Gefässversorgung ist jedoch regulär. In der Systematik der CAM werden je nach Ausprägungsgrad und vorwiegender Art der Dysplasie mittlerweile 5 Typen (0 bis 4) unterschieden. Für das Erwachsenenalter ist jedoch fast nur der – auch insgesamt häufigste – Typ 1 relevant. Es finden sich Zysten unterschiedlicher Grösse, mintunter in Form einer sehr grossen, dominanten Zyste und umgebender kleinerer Zysten.<sup>4</sup> Auch bei der CAM sind die Unterlappen am häufigsten betroffen (Abb. 2).<br /> Die Symptome und Komplikationen sind de facto identisch mit denen der intralobären Sequestration.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s29_abb2.jpg" alt="" width="400" height="389" /></p> <p><strong>Bronchogene Zyste</strong><br /> Diese mit bronchialem Epithel ausgekleideten, paramediastinal gelegenen Zysten sind im Kindesalter häufig noch klein. Durch ständige Sekretion in das Lumen nehmen die Zysten kontinuierlich an Grösse zu und werden meist als radiologischer Zufallsbefund auffällig. Symptome können durch Verdrängungsphänomene und – selten – bei sekundärem Anschluss an das Bronchialsystem in Form von Superinfektion entstehen.</p> <p><strong>AV-Malformationen in der Lunge</strong><br /> Es handelt sich um anlagebedingte arteriovenöse Shunts – häufig in Form von kleinen Gefässkonvoluten im Lungenparenchym. Klinisch manifestiert sich die pulmonale AV-Malformation durch rezidivierende Hämoptoe, die sich in Einzelfällen dramatisch darstellen kann.<br /> Die Übergänge zwischen CAM, bronchogenen Zysten und intralobärer Sequestration sind fliessend, jegliche Klassifikation und Subtypisierung sind grobe Versuche der Erstellung einer Systematik für die variantenreichen pulmonalen Fehlbildungen. Daher wird zunehmend dazu übergegangen, von kongenitalen thorakalen Malformationen («congenital thoracic malformations », CTM) zu sprechen.<sup>5</sup></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Die Befunde im Übersichtsröntgen sind meist unspezifisch. Die kongenitalen Malformationen können als pneumonische Infiltrate, Atelektasen, Zysten oder Tumoren imponieren. Die Lokalisation derartiger Veränderungen im Unterlappen, vor allem dorsobasal, sollte bei entsprechender Klinik Anlass zu weiterer Abklärung sein.<br /> Durch Kontrastmittel-CT des Thorax, optional mit 3D-Rekonstruktion der vaskulären Versorgung, ist im Erwachsenenalter die Diagnosestellung in fast allen Fällen möglich. Besteht der Verdacht auf ein solides Areal, sollte die Abklärung auch in Richtung Malignomausschluss gehen. Allerdings ist dabei die Positronenemissionstomografie (PET) infolge sekundärer entzündlicher Veränderungen häufig nicht aussagekräftig. Endobronchiale bzw. transbronchiale Biopsieverfahren können über die Dignität der Veränderungen besser Aufschluss geben.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Bei allen Sequestrationsformen, bei der CAM und bei bronchogenen Zysten ist die Resektion Therapie der Wahl. Bei den intrapulmonalen Fehlbildungen erfolgen, je nach Ausdehnung der Veränderungen, anatomische Segmentresektionen oder Lobektomie. Die Eingriffe können über Thorakotomie und über videoassistierte Thorakoskopie (VATS) erfolgen.<sup>6, 7</sup><br /> Atypische Arterien haben eine gegenüber normalen Systemarterien veränderte, vulnerable Gewebetextur, die bei der Versorgung berücksichtigt werden muss. In speziellen Fällen kann daher präoperativ die Embolisation atypischer Gefässe erfolgen. Dadurch wird das Blutungsrisiko deutlich reduziert und die Resektion technisch erleichtert.<br /> Bei allen kongenitalen pulmonalen Malformationen, vor allem aber bei den Sequestrationen und bei der CAM können weitere, in der präoperativen Bildgebung nicht erkennbare anatomische Varianten vorliegen. Die Präparation muss dieser Tatsache Rechnung tragen.<br /> Für AV-Malformationen stellt die Embolisation die Therapie der Wahl dar. Nur in seltenen Fällen, wenn trotz Blutung keine eindeutige Identifikation des zuführenden Gefässes gelingt, muss reseziert werden.<br /> Die Wertigkeit der Embolisation als definitive Therapie von intra- bzw. extralobärer Sequestration ist beim Erwachsenen fraglich. Es wurde zwar danach in kasuistischen Darstellungen Involution des Sequesters beobachtet, dies ist aber nicht bei allen Formen zu erwarten. Die Erfahrungen sind derzeit noch gering. Zudem besteht weiterhin die Gefahr der sekundären Malignomentstehung im dysplastischen Gewebe.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Kongenitale Fehlbildungen der Lunge sind bei Erwachsenen sehr selten. Ortskonstant rezidivierende Infekte bzw. Schmerzen – vor allem im Unterlappen – können einen diagnostischen Hinweis darstellen. Neben Abszessen und Blutungskomplikationen stellt die sekundäre Malignomentwicklung in einem fehlgebildeten Areal die gravierendste Komplikation dar. Nach Diagnose durch ein Kontrastmittel- CT ist in den meisten Fällen die Resektion die Therapie der Wahl.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Papagiannopoulos K et al.: Cystic lung lesions in the pediatric and adult population: surgical experience at the Brompton Hospital. Annals of Thoracic Surgery 2002; 73(5): 1594-8 <strong>2</strong> Sun X, Xiao Y: Pulmonary sequestration in adult patients: a retrospective study. Eur J Cardiothorac Surg 2015; 48(2): 279-82 <strong>3</strong> Ke FJ et al.: Extralobar pulmonary sequestration presenting as an anterior mediastinal tumor in an adult. Chest 1993; 104(1): 303-4 <strong>4</strong> Abu Omar M et al.: Congenital pulmonary airway malformation (CPAM) with initial presentation in an adult: a rare presentation of a rare disease. BMJ Case Reports 2016; pii: bcr2016216957 <strong>5</strong> Eber E.: Antenatal diagnosis of congenital thoracic malformations: early surgery, late surgery, or no surgery? Semin Respir Crit Care Med 2007; 28(3): 355-66 <strong>6</strong> Vogt-Moykopf I et al.: Surgery for congenital malformations of the lung. [Review] [75 refs] Ann Chir 1992; 46(2): 141-56 <strong>7</strong> Dewan RK et al.: Congenital malformation of lung parenchyma: 15 years experience in a thoracic surgical unit. Indian J Chest Dis Allied Sci 2012; 54(2): 105-9</p>
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</p>
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