© Getty Images/iStockphoto

Workshop „Lunge – Umwelt – Arbeitsmedizin“

Kimawandel – Lebenswandel: Parallelen in Ursachen und Lösung

<p class="article-intro">Die Erderhitzung ist zur spürbaren Realität geworden: bei uns durch Sommer, die von April bis Oktober dauern, ganzjährig drohende Starkniederschläge und – bei ungebremsten Emissionen – Ansteigen der Schäden auf geschätzte 8,8 Milliarden Euro österreichweit im Jahr 2050. Kosten, die schließlich auch dem Gesundheitswesen Geld entziehen werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Klimaverschlechterung ist f&uuml;r die meisten Regionen schon jetzt Realit&auml;t und bietet Konfliktpotenzial.</li> <li>Bei Hitzewellen steigt das Sterberisiko von Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten.</li> <li>Durch den Klimawandel steigt die Allergenbelastung, unter anderem durch Ansiedelung neuer Pflanzenarten.</li> <li>Ohne &Auml;nderungen des pers&ouml;nlichen Lebensstils k&ouml;nnen die Klimaziele nicht erreicht werden.</li> <li>Klimaschutz ist auch Menschenschutz.</li> </ul> </div> <p>Drei Klimarisiken f&uuml;hren den World Risk Report des World Economic Forums 2019 (&bdquo;Davos&ldquo;) an, noch vor einer allgemeinen Wirtschaftskrise. Und bereits 2009 schrieb &bdquo;The Lancet&ldquo; &bdquo;Climate change is the biggest health threat of the 21<sup>th</sup> century&ldquo;. Das Thema f&uuml;hrt auch die WHO-Risiko-Liste an. Klimaverschlechterung ist f&uuml;r die meisten Regionen schon jetzt Realit&auml;t: Selbst bei Einhaltung des 2&deg;C-Zieles von Paris reduziert die Hitze nach Berechnungen der Weltbank die Produktivit&auml;t in den USA um 2 % pro Jahr, erreicht Deutschland aufgrund der derzeit noch tieferen Temperaturen ein Optimum, dagegen wird es in den s&uuml;dlicheren L&auml;ndern &ndash; also auch in &Ouml;sterreich &ndash; schlechter. Abbildung 1 zeigt, wie sich unterschiedliche Temperatursteigerungen auswirken. <br />Heute schon m&uuml;ssen 350 Millionen Inder zunehmend in der Nacht arbeiten, weil es tags&uuml;ber zu hei&szlig; ist. Wir sollten also statt von &bdquo;global warming&ldquo; von Erderhitzung sprechen. Indien, Bangladesh und Pakistan sind mit ihrer hohen Bev&ouml;lkerungsdichte, der Anf&auml;lligkeit f&uuml;r Hitzeperioden, D&uuml;rren und Fluten besonders gef&auml;hrdet. Mit radikalisierten Bev&ouml;lkerungen und Regierungen werden Konflikte (zum Beispiel der Kampf ums Wasser) angeheizt. So zwang die &bdquo;Syrian drought&ldquo; (2006 bis 2011) zwei Millionen Bauern vom Land in die St&auml;dte &ndash; ein Ursprung des B&uuml;rgerkrieges. Waldbr&auml;nde, D&uuml;rre und die Ausbreitung von W&uuml;sten f&uuml;hren zudem in vielen Regionen zu einer hohen Staubbelastung und als Folge zu gesundheitlichen Sch&auml;den.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s31_abb1_fuchsig.jpg" alt="" width="750" height="348" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Weg von fossilen Brennstoffen</h2> <p>China hat mit 140 Millionen Menschen, die bei einem Meeresspiegelanstieg von vier Metern fliehen m&uuml;ssen, am meisten Betroffene. Das Land &bdquo;decarbonisiert&ldquo; (reduziert fossile Brennstoffe) entschlossen &ndash; nicht nur wegen der Luftschadstoffe. W&auml;hrend 2013 noch 500 Millionen Chinesen f&uuml;nf Jahre Lebenserwartung durch schlechte Luft verloren, sind es heute &bdquo;nur&ldquo; mehr 300 Millionen. 130 Kohlekraftwerke wurden bereits geschlossen, die chinesische Windkraft hat schon 2014 die US-Atomkraft (98 Reaktoren, Frankreich 58) &bdquo;&uuml;berfl&uuml;gelt&ldquo; und ist inzwischen doppelt so leistungsf&auml;hig. Nirgends werden mehr Elektrofahrzeuge zugelassen; es ist zu bef&uuml;rchten, dass hier ein Technologievorsprung entsteht. Ein Grund, warum manch deutscher Hersteller noch so am Diesel h&auml;ngt? <br />Es geht nicht um Klimaschutz, sondern um Menschenschutz, wenn eine weitere Destabilisierung des Klimas verhindert wird. Erst im Holoz&auml;n (die letzten 10 000 Jahre) hat eine besondere Stabilit&auml;t des Klimas Ackerbau, st&auml;ndige Siedlungen und das Entstehen von Hochkulturen erm&ouml;glicht. Davor haben Klimaschwankungen die Menschheit mehrfach an den Rand des Aussterbens gebracht. Nun sind wir dabei, diese Schwankungen selbst zu erzeugen. Das Anthropoz&auml;n steht vor der Anerkennung, weil unsere Spuren in allen B&ouml;den der Welt zu finden sind und wir alle Regionen ver&auml;ndern.</p> <h2>Mehr Belastung f&uuml;r Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten</h2> <p>In Hitzewellen gibt es bei chronischen Lungenerkrankungen ein zus&auml;tzliches t&auml;gliches Sterberisiko von 14 %, bei l&auml;ngeren Hitzewellen kumulativ bis plus 43 %. Das ist mehr als der Anstieg der kardialen Sterblichkeit. Die dahinter vermuteten Pathomechanismen sind: Entz&uuml;ndung der Bronchialschleimhaut, Senkung der bronchokonstriktorischen Schwelle, vermehrter Fl&uuml;ssigkeitsverlust und dadurch &Auml;nderungen von Perfusion und Ventilation. Entz&uuml;ndungen des Endothels via ROS und p38-MAPK sowie TRPV-Rezeptor-vermittelte Bronchokonstriktion treten bereits unterhalb der gewebstoxischen Schwelle von 42 &deg;C auf. Abbildung 2 (n&auml;chste Seite) zeigt, dass die Zahl von Tagen &uuml;ber 30 &deg;C seit 1981 deutlich zugenommen hat. <br />F&uuml;r Asthmatiker und Pollinotiker bedeutet das mehr Allergene, z. B. durch Trockenstress der Pflanzen, aber auch neue Allergene. Das bisher wichtigste ist Ragweed, doch pro Woche kommen rund 50 neue in die EU; in &Ouml;sterreich wurden bereits 2000 Neobiota festgestellt. Laut einer Berechung der LMU M&uuml;nchen und des Helmholtz-Institutes k&ouml;nnte die Zahl der Ragweed-Allergiker in &Ouml;sterreich auf rund 800 000 steigen. <br />Dazu kommen Waldbrandabgase, die im Mittelmeerraum vielen Asthmatikern zusetzen. Doch auch der hohe Norden ist nicht verschont von solchen Abgasen (&bdquo;arktischer ring of fire&ldquo; 2018 oder Torfbr&auml;nde in Sibirien). Hochwasser, Starkniederschl&auml;ge und Sommerkondensation (es wird auch feuchter!) k&ouml;nnen die Atemwege durch Schimmel ebenso beeintr&auml;chtigen wie durch Traumatisierung.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s33_abb2_fuchsig.jpg" alt="" width="750" height="489" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Was ist zu tun &ndash; was wirkt f&uuml;r Gesundheit und Klima?</h2> <p>K&ouml;rperliche Bewegung kann fast jedem empfohlen werden: Wer zu Fu&szlig; zum Zug geht, gewinnt mehr an Lebensjahren als der &bdquo;weekend warrior&ldquo;, der sich nur am Wochenende sportlich abk&auml;mpft. Wer mit dem Rad schon etwas angestrengt zur Arbeit f&auml;hrt, reduziert seine Sterblichkeit um 46 % und spart dem Arbeitgeber rund 1000 Euro Gesundheitsfolgekosten pro Jahr. <br />Langlebiger sollten auch unsere Produkte werden. Elektromotoren funktionieren ohne Wartung oft Jahrzehnte &ndash; hoffentlich ist der Rest des Autos ebenso dauerhaft (updatef&auml;hige Elektronik wird wohl das Wichtigste sein). Wir produzieren 100 Milliarden Kleidungsst&uuml;cke pro Jahr &ndash; davon zwei Drittel aus Kunstfaser &ndash; ein enormer Verursacher von Mikroplastik. Brauchen wir wirklich mehr als 12 neue Kleidungsst&uuml;cke, 12 kg Fasern (auch f&uuml;r Teppiche etc.) pro Kopf und Jahr? Wie viel wird nur einmal getragen? In der Lungenfl&uuml;ssigkeit sind von harmlosen PP- oder PE-Fasern nach 180 Tagen gerade einmal 5 % aufgel&ouml;st. <br />Im Sommer sollte man auf extreme K&uuml;hlung unter 24 &deg;C und im Winter auf &Uuml;berheizen &uuml;ber 22 &deg;C verzichten: Beides macht krank, im Winter reduziert Kippl&uuml;ftung bei kalten Temperaturen zus&auml;tzlich die Luftfeuchte vor allem in B&uuml;ros unter 25 %. Zusammen mit Stress k&ouml;nnen dann Schleimh&auml;ute trocken und gereizt werden. Klimatisierung f&uuml;r Krankenh&auml;user und Altenheime in Tieflagen ist mittelfristig unvermeidbar. Die &Ouml;sterreichische &Auml;rztekammer (&Ouml;&Auml;K) hat an einer Empfehlung f&uuml;r Patienten mitgearbeitet. Die Deutsche Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie (DGP) empfiehlt Telemedizin und Hausbesuche in Hitzephasen.</p> <h2>Luftschadstoffe und Treibhausgase reduzieren</h2> <p>300 Millionen Kinder atmen hochtoxische Luft, das hei&szlig;t, dass die WHO-Grenzwerte um das Sechsfache &uuml;berschritten werden. In der EU leben rund 90 % der Bev&ouml;lkerung in Gegenden, wo der WHO-Grenzwert f&uuml;r die lungeng&auml;ngigen Feinst&auml;ube PM<sub>2,5</sub> (PM = &bdquo;particulate matter&ldquo;) &uuml;berschritten wird. Vielleicht ist dies der Grund, warum die EU ihren Grenzwert zweieinhalbfach h&ouml;her gesetzt hat, w&auml;hrend in den USA mangels Schutz eine Reduktion auf die H&auml;lfte diskutiert wird &ndash; also ein F&uuml;nftel des EU-Wertes! Durch die Feinstaubbelastung sterben rund 400 000 EU-B&uuml;rger gesichert Jahr f&uuml;r Jahr, w&auml;hrend die Sterblichkeit durch Stickstoffdioxid (NO<sub>2</sub>) unsicher ist und nur bei hohen &Uuml;berschreitungen Asthma ausgel&ouml;st wird. Wir aber diskutieren NO<sub>2</sub> und nicht den Feinstaub, weil es juristisch und medial einfacher ist. Das Nachr&uuml;sten von Partikelfiltern bei Schwerfahrzeugen (f&uuml;r Neufahrzeuge erst seit 2014 Pflicht) k&ouml;nnte hier rasch dem Klima und der Gesundheit helfen. <br />Elektrifizierung aller Antriebe, Maschinen und Schmelzvorg&auml;nge: Nicht nur im Verkehr, sondern auch in der Stromerzeugung und in Hoch&ouml;fen etc. werden gro&szlig;e Schadstoffmengen freigesetzt. Europas Kohlekraftwerke t&ouml;ten auf diese Weise 23 000 Menschen pro Jahr. Der Ersatz fossiler Anwendungen in Verkehr, W&auml;rme und Industrie ben&ouml;tigt rund 70 % mehr Strom, der erneuerbar hergestellt werden kann. Im Sommer gelingt das mit Photovoltaik und kleinen Speichern wie Elektroautos. Eine Firma in Nieder&ouml;sterreich tankt tags&uuml;ber &uuml;bersch&uuml;ssigen Sonnenstrom in die Elektroautos der Mitarbeiter, die zu Hause ihren Strom aus dem Auto entnehmen! Sollten alle Autos elektrifiziert werden, speichern sie den dreifachen Gesamttagesstrombedarf. <br />Im Winter geht es nicht ohne Wind, der zwei Drittel seiner Leistung im Winterhalbjahr abliefert, w&auml;hrend Sonne und Wasser schw&auml;cheln. In Deutschland kommen bereits mehr als 40 % des Stroms aus Wind und Sonne. Ein wenig kann im Winter auch Biomasse liefern, wenn diese &bdquo;stromgef&uuml;hrt&ldquo; sauber verbrannt und die W&auml;rme in Puffern zwischengespeichert wird. Ein mit dem Lebensstil assoziiertes Klimaproblem (Methan, Fl&auml;chen-, D&uuml;ngerund Transportaufwand) ist hoher Konsum an Fleischprodukten, der &uuml;brigens auch mit Lungenproblemen assoziiert ist. Die gute Nachricht: Die gro&szlig;en Fleischverarbeiter der Welt (der gr&ouml;&szlig;te in Deutschland schlachtet 25 000 Schweine pro Woche!) haben inzwischen fast alle vegane Fleischprodukte im Angebot; diese werden geschmacklich und optisch besser und gleichzeitig billiger. <br />Fliegen ist die einzige M&ouml;glichkeit, an einem Tag mehr zu emittieren als der Durchschnittsweltb&uuml;rger in einem Jahr. Nur 7 % der Weltbev&ouml;lkerung sind schon einmal geflogen, ein besonderes Privileg also, das seinen Preis haben sollte. Zahlen sollte man f&uuml;r Flughafengr&uuml;nde (in &Ouml;sterreich gratis von Staat, Bundesland), Steuern (ein Kerosinpreis von 43 Cent pro Liter bedeutet &frac12; Milliarde Subvention pro Jahr in &Ouml;sterreich) und auch den CO<sub>2</sub>-Aussto&szlig;. Wer sein Gewissen halbwegs beruhigen will, kompensiert bei atmosfair oder myclimate. Letztere haben allein in Madagaskar in mehr als hunderttausend H&uuml;tten &Ouml;fen statt offener Feuerstellen schaffen k&ouml;nnen. Damit reduzierte sich die Schadstoffbelastung stark, was auch die Asthmah&auml;ufigkeit senkte. Die Abholzung und das Holzschleppen (durch Frauen) nahmen ab. Au&szlig;erdem kam es kaum mehr zu schwerwiegenden Verbrennungen bei Kindern!</p> <h2>Was macht unser Geld sonst?</h2> <p>Der Welt&auml;rztebund WMA hat zu Divestment aufgerufen: raus aus fossilen Veranlagungen &ndash; also auch aus OMV-Aktien &ndash; und rein in die Erneuerbaren! Fragen Sie doch einmal ihren Wohlfahrtsfonds und ihre Bank &hellip; <br />Letztlich sollten wir uns die Frage stellen, ob Gesundheit Selbstzweck ist oder erf&uuml;lltem Leben dient. Ist das stressige, atemraubende Steigerungsspiel, die &bdquo;Zuvielitis&ldquo;, in der auch viele nicht mehr mithalten und sich von den politischen &bdquo;Eliten&ldquo; abwenden, wirklich erf&uuml;llend? Ist es oft nicht viel mehr Anlass zu Stress, zus&auml;tzlichen Sorgen und &Auml;ngsten? <br />Nichts ist so mit Gl&uuml;ck verbunden wie Gesundheit, erm&ouml;glicht sie doch ungehindertes Schaffen, erf&uuml;llende Beziehungen, Weisheit und Dankbarkeit. Nicht der Gl&uuml;ckliche ist dankbar, sondern der Dankbare ist gl&uuml;cklich (&hellip;). <br />Nachsatz: Zwei &ouml;sterreichischen &Auml;rztinnen danke ich, die in Afrika sehr engagiert sind. &Auml;rztinnen, die Unglaubliches geleistet haben und leisten, die mit weit &uuml;ber 70 noch Feuer voller Freude ausstrahlen: DDr. Christine Wallner, die mit 62 ihre Zelte in &Ouml;sterreich abgebrochen und in Tansania ein Spital, vier Schulen und 280 Arbeitspl&auml;tze geschaffen hat; Dr. Maria Hengstberger, die neben ihrer gyn&auml;kologischen Praxis eine Geburtenkontrolle f&uuml;r Mittellose auf den Weg gebracht hat, die in 36 L&auml;ndern Anwendung findet und in f&uuml;nf eigenen Spit&auml;lern gelehrt wird. Auch Euch beiden verdanke ich Motivation f&uuml;r bereits 20 Jahre T&auml;tigkeit im Umweltreferat der &Auml;rztekammer.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
Back to top