Keine Asthmadiagnose ohne objektive Messwerte
Bericht:
Reno Barth
Medizinjournalist
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Studiendaten zeigen häufiger Über-, Unter- oder Fehldiagnosen bei Patienten mit Asthmasymptomen. Dieses Problem kann nur durch objektivierbare Messungen gelöst werden. Dies ist auch in der allgemeinmedizinischen Praxis mit guter Qualität möglich, wie britische Erfahrungen zeigen.
Asthmadiagnosen gestalten sich im klinischen Alltag alles andere als optimal – mit einem erheblichen Anteil sowohl an Über- als auch an Unterdiagnosen im jeweils zweistelligen Prozentbereich. Damit bekommen alleine in Grossbritannien hunderttausende Menschen falsche Therapien. Dies zeige nicht zuletzt, so Prof. David Lo von der University of Leicester, dass Tests und objektive Messungen in der Asthmadiagnostik unverzichtbar sind.
Die Lage wird zusätzlich dadurch kompliziert, dass unterschiedliche Fachgesellschaften unterschiedliche Algorithmen für die Asthmadiagnostik vertreten und sich damit für den Praktiker die Frage stellt, welchem dieser Algorithmen er folgen solle. Letztlich ginge es jedoch darum, drei Dinge objektiv abzuklären: die (reversible) Atemwegsobstruktion, eine Inflammation der Atemwege sowie die Variabilität der Atemwegsobstruktion über die Zeit. Typischerweise im allgemeinmedizinischen Bereich durchgeführte Untersuchungen sind die Spirometrie mit Bestimmung der Reversibilität durch einen Bronchodilatator, die Messung von FeNO («fraction of exhaled nitric oxide») sowie der Variabilität des Spitzenflusses. Provokationstests werden hingegen üblicherweise von Spezialisten durchgeführt.
Sensitivität und Spezifität der Messungen
Die Spirometrie ist die älteste dieser Untersuchungen und wird mit Variationen und Weiterentwicklungen seit dem 19. Jahrhundert praktiziert. Die Geräte haben sich allerdings «in ihrer Grösse und ihren Möglichkeiten» verändert, so Lo. Die Spirometrie kann durch forcierte exspiratorische Manöver restriktive (forcierte Vitalkapazität; FVC) und obstruktive (forcierte Einsekundenkapazität; FEV1/FVC) Auffälligkeiten der Atemwege erkennen. Wiederholte Durchführungen nach Inhalation eines SABA machen reversible Atemwegsobstruktion deutlich. Die Sensitivität ist niedrig bis moderat, die Spezifität moderat bis hoch.
Messungen des maximalen exspiratorischen Atemflusses («peak expiratory flow rate»; PEFR) werden seit den 1950er-Jahren durchgeführt und haben eine geringe Sensitivität bei moderater Spezifität. Die Methode ist, so Lo, «low tech» und billig und hat den Vorteil, dass die Messungen beispielsweise von den Patienten zu Hause durchgeführt werden können.
Die Messung von FeNO wird seit den 1990er-Jahren durchgeführt und ist seit rund 20 Jahren kommerziell für den Einsatz ausserhalb des Krankenhauses verfügbar. Die Methode erlaubt die Diagnose einer atopischen Entzündung und korreliert einigermassen zuverlässig mit der Eosinophilenzahl in Blut und Sputum. Die Interpretation der Ergebnisse ist einfach, die Sensitivität moderat und die Spezifität moderat bis hoch. Generell bietet derzeit keiner dieser Tests perfekte diagnostische Sicherheit. Lo: «Sie sind gut, um einen Verdacht auf Asthma zu bestätigen, nicht jedoch um Asthma auszuschliessen.»
Praktischer Einsatz objektiver Methoden
Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) führte eine kleine Studie in sieben allgemeinmedizinischen Praxen mit 143 Patienten mit Asthmaverdacht durch und gelangte zu dem Schluss, dass der Einsatz objektiver Methoden den Anteil der positiven Asthmadiagnosen von 10,5 auf 24,5% erhöhte. Sechs der sieben Testpraxen erklärten, dass sie die getesteten Methoden weiterhin verwenden würden, wenn diese erstattet werden. Die Universität Leicester führte eine ähnliche Studie mit Kindern durch und gelangte zu dem Schluss, dass Spirometrie und FeNO-Messung bei Kindern in einer allgemeinmedizinischen Praxis mit guten Ergebnissen durchgeführt werden können (Abb. 1).1
Abb. 1: Prozentsatz der Kinder, die Spirometrie und FeNO-Messung durchführen konnten (modifizert nach Lo et al.)1
Diagnostic-Hub-Pilotstudie
Um die Testqualität nach einer Asthmaattacke zu testen, wurde die Diagnostic-Hub-Pilotstudie ins Leben gerufen. Im Zentrum von Leicester wurde dafür ein Test-«Hub» eingerichtet, an den sich Eltern innerhalb von 48 Stunden nach einem vermuteten Asthmaanfall wenden sollten. Die Kinder wurden im Hub nach den Vorgaben von NICE getestet. Die Ergebnisse werden aktuell noch ausgewertet, zeigen jedoch, so Lo, dass dies in Zukunft ein gangbarer Weg zu einer Asthmadiagnose sein könnte. Lo: «Die Tests sind nicht perfekt, aber sie sind besser, als nicht zu testen – insbesondere wenn sie kombiniert und zur richtigen Zeit durchgeführt werden. Daten aus Grossbritannien und Schweden zeigen, dass der Einsatz dieser Tests in der allgemeinmedizinischen Praxis durch Vermeidung falscher Therapien auch Behandlungskosten reduziert.
Messung und Peak-Flow-Tagebuch
Als weniger erfolgreich erwies sich die Peak-Flow-Messung zu Hause mit dem Anlegen eines Peak-Flow-Tagebuchs – insbesondere bei Kindern. Eine Pilotstudie zeigte, dass die Compliance bei 75% liegt, dass Daten jedoch verändert und erfunden würden. Daher sollte nach Möglichkeit auf elektronische Messgeräte zurückgegriffen werden, die die Messdaten selbstständig speichern.
Quelle:
Primary care session: «Asthma diagnosis: new and old approaches to increase primary care capability»; «New and old tests for asthma diagnosis in primary care: from peak-flow to FeNO», Vortrag von Prof. David Lo, Leicester, im Rahmen des ERS-Kongresses, 6. September 2022, Barcelona
Literatur:
1 Lo D et al.: Spirometry and FeNO testing for asthma in children in UK primary care: a prospective observational cohort study of feasibility and acceptability. Br J Gen Pract 2020; 70: e809-e816
Das könnte Sie auch interessieren:
Asbestbedingtes Larynx- und Lungen-karzinom – Primär- oder Sekundärtumor?
Im Folgenden wird der Fall eines deutschen Facharbeiters vorgestellt, der während seiner Berufstätigkeit asbesthaltigen Stäuben ausgesetzt war und dadurch an einem Plattenepithelkarzinom ...
E-Zigaretten und Krebsrisiko – was wissen wir?
E-Zigaretten und Tabakerhitzer sind für die Tabakindustrie ein neuer, wirtschaftlich bedeutsamer Markt. Im Fokus der Diskussion über die gesundheitlichen Auswirkungen steht vor allem die ...
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: blinder Fleck auch in der Pneumologie?
Der Alpha-1-Antitrypsinmangel (AATM) gilt als seltene genetische Erkrankung und betrifft überwiegend die Lunge und die Leber,jedoch mithoher klinischer Variabilität. Doch AATM ist nicht ...