
Interessante Neuigkeiten aus der Pneumologie
Bericht: Reno Barth
Medizinjournalist
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Wie die meisten Kongresse in diesem Jahr hat auch der Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) Anfang September im virtuellen Raum stattgefunden. Obwohl der persönliche fachliche Austausch mit den Experten fehlte, mangelte es nicht an spannenden neuen Daten aus den unterschiedlichsten Bereichen der Pneumologie.
Die Spätfolgen einer Covid-19-Pneumonie
Bereits vor Monaten häuften sich Berichte über den schlechten Zustand von Patienten nach schweren Covid-19-Erkrankungen. Nun sind erste Daten aus prospektiven Kohorten verfügbar. Sie zeigen deutliche Einschränkungen der Lungen- und Herzfunktion, die jedoch bei einem Teil der Patienten reversibel sind.
Im Rahmen des diesjährigen Kongresses der European Respiratory Society (ERS) wurde die erste prospektive Studie zu den Spätfolgen einer schweren Covid-19-Erkrankung vorgestellt. In die Studie aus Tirol wurden mittlerweile insgesamt 150 konsekutive Patienten eingeschlossen und die Daten der ersten 86 Patienten wurden nun ausgewertet. Untersuchungen erfolgten 6, 12 und 24 Wochen nach Entlassung aus der Klinik. Im Rahmen der Untersuchungen wurden Laborparameter erhoben, Blutgasanalysen, Lungenfunktionstests, Lungen-CT sowie Echokardiografien durchgeführt. Die bereits ausgewerteten Patienten waren im Durchschnitt 61 Jahre alt und zu 65% Männer. Annähernd die Hälfte waren Raucher oder Ex-Raucher und 65% übergewichtig oder adipös. Die Schwere der Erkrankung war sehr unterschiedlich: 18 Patienten (21%) mussten auf der Intensivstation behandelt, 16 davon invasiv beatmet werden. Der durchschnittliche Krankenhausaufenthalt betrug 13 Tage.
Insgesamt zeigte sich ein Bild persistierender Schäden, die sich jedoch im Laufe der Zeit besserten. Bei der ersten Visite klagten mehr als die Hälfte der Patienten über mindestens ein persistierendes Symptom – zumeist Dyspnoe und Husten. Bei 88% der Patienten waren im Lungen-CT Auffälligkeiten zu erkennen. Zwischen der ersten und der zweiten Visite ging der Anteil der Patienten mit auffälligem CT jedoch auf 56% zurück, 13 Patienten litten nach wie vor unter Dyspnoe. Im Rahmen der Lungenfunktionstestung wurden das forcierte Einsekundenvolumen (FEV1), die forcierte Vitalkapazität (FVC) sowie die Diffusionskapazität (DLCO) gemessen. Hier zeigten sich zwischen den Wochen 6 und 12 Verbesserungen aller Werte (Tab.1). Ebenso normalisierte sich das Bild in der CT zunehmend.
Tab. 1: Verbesserung der Lungenfunktionsparameter und der Bildgebung im Verlauf der Nachkontrollen bei 86 Covid-19-Patienten, die stationär behandelt worden waren1
Auch der Herzultraschall war in vielen Fällen auffällig, und zwar im Sinne einer diastolischen Dysfunktion bei 48 Patienten (58,5%). Auch verschiedene Marker für Myokardschädigung, Hyperkoagulabilität und Inflammation waren erhöht. «Eine linksventrikuläre diastolische Dysfunktion ist aber nicht spezifisch für Covid-19, sondern eher ein allgemeines Zeichen für eine schwere Erkrankung», kommentierte Studienautorin Dr. Sabina Sahanic von der Medizinischen Universität Innsbruck. Eine schwere Coronavirus-assoziierte kardiale Dysfunktion wird in der Literatur beschrieben, trat in der Tiroler Kohorte jedoch nicht auf. Von der dritten Visite liegen noch keine Daten vor.1
Eine weitere aktuelle Arbeit zeigt die Bedeutung von Rehabilitationsmassnahmen für Patienten nach schwerer Covid-19-Erkrankung. Für die französische Studie wurde die Erholung der Probanden mit wöchentlichen 6-Minuten-Gehtests überprüft. Viele Patienten waren bei ihrer Ankunft in der Reha-Klinik überhaupt nicht in der Lage zu gehen. Nach der ersten Woche schafften sie 16% ihres Solls. Dieser Wert konnte über drei Wochen auf durchschnittlich 43% gesteigert werden, was immer noch eine erhebliche Behinderung bedeutet. Allerdings zeigte die Studie auch, dass die individuellen Ergebnisse umso besser waren, je früher mit der Rehabilitation begonnen wurde. Der Zustand der Patienten, die in der ersten Woche nach Extubation bereits mit der Rehabilitation begannen, besserte sich schneller als bei Patienten, die erst zwei Wochen nach Entwöhnung vom Respirator ins Reha-Zentrum kamen.2
Pulmonales Mikrobiom und ARDS
Über die mikrobielle Besiedelung der Lunge ist aktuell noch deutlich weniger bekannt als zum Beispiel über das Mikrobiom des Darms. Durch den Kontakt mit der Atemluft kommt die Lunge ständig auch in den Kontakt mit Pilzen. Einige bleiben permanent in den Atemwegen und spielen dort offenbar eine wichtige Rolle.
Akutes Atemversagen («acute respiratory distress syndrome» – ARDS) erfordert bei Patienten mit Covid-19 und anderen schweren Erkrankungen der Lunge nicht selten eine Intubation und ist auch unter optimalen Bedingungen mit einer erheblichen Mortalität assoziiert. Dies gilt insbesondere bei älteren Patienten und solchen mit Komorbiditäten.
Eine im Rahmen des ERS-Kongresses vorgestellte Studie hat nun einen weiteren Risikofaktor für einen ungünstigen Verlauf eines ARDS aufgedeckt: ein verarmtes Mikrobiom in der Lunge, konkret eine geringere Diversität der Pilzbesiedelung. Damit ist die nun an der University of Pittsburgh, USA, vorgestellte Arbeit auch insofern ungewöhnlich, als sie sich als eine der ersten mit der Rolle von Pilzen im menschlichen Mikrobiom beschäftigt, während der Schwerpunkt sonst auf Bakterien und Viren liegt.3 Dies habe auch technische Gründe, so Studienautorin Noel Britton, Dissertantin in Pittsburgh, da Pilze physiologischerweise in deutlich geringerer Zahl vorliegen als Bakterien und es daher bei der Extraktion Probleme gebe. Diesbezüglich ist auch die Lunge ein problematisches Organ, da sie generell viel dünner mikrobiell besiedelt ist als beispielsweise der Darm – dabei aber keineswegs steril ist, wie man noch vor wenigen Jahren dachte. Vor diesem Hintergrund kann es schwierig sein, ein auf einen Pilz hindeutendes Signal von einer Verunreinigung aus dem Labor zu unterscheiden.
Hintergrund der aktuellen Forschung sind die vielen offenen Fragen rund um die im Rahmen des ARDS ablaufenden inflammatorischen Prozessen, bei denen eine Interaktion mit dem Mikrobiom naheliegend ist.
In die Studie wurden zwischen Oktober 2011 und September 2019 202 invasiv beatmete Patienten eingeschlossen, von denen 21% unter einem ARDS litten und die übrigen ein hohes Risiko hatten, ein ARDS zu entwickeln. Von diesen Patienten wurden innerhalb von 48 Stunden nach der Intubation endotracheale Aspirate (ETA) entnommen. Aus diesen Proben wurde zunächst DNA isoliert und anschliessend mittels Next Generation Sequencing auf typische Pilzsequenzen untersucht. Ziel war nicht die Identifikation bestimmter Spezies oder Gattungen, sondern eine Quantifizierung der Diversität der Besiedelung. Diese erwies sich generell als relativ gering, war jedoch bei Patienten mit ARDS besonders gering. Auch taxonomische Abweichungen fielen auf. So waren bei Patienten mit ARDS Candida dubliniensis und Candida dubliniensis in geringerem Mass vorhanden als bei den Kontrollen.
Geringe Pilzdiversität ist assoziiert mit schlechterem Outcome bei ARDS
Geringe Diversität war einerseits mit ARDS, darüber hinaus aber in mehrfacher Hinsicht mit ungünstigem Outcome assoziiert. Schock, Sepsis und ein höherer SOFA(«sequential organ failure assessment»)-Score waren ebenso mit geringer Diversität assoziiert wie eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen Lungenschaden (höherer «lung injury prediction score», LIPS) und ein erhöhtes Pentraxin-3, ein Biomarker für Entzündung und Schwere der Erkrankung. Geringere Diversität des Pilzmikrobioms war auch mit weniger beatmungsfreien Tagen sowie einer höheren Mortalität im Krankenhaus sowohl nach 30 als auch nach 90 Tagen assoziiert.
Prof. Tobias Welte von der Universität Hannover bezeichnete die Ergebnisse als faszinierend. Es sei zu früh, um sagen zu können, was sie letztlich für Patienten und Behandler bedeuten, doch könnten sich daraus in der Zukunft neue diagnostische und therapeutische Optionen ergeben.
Asthmatherapie auf dem Weg in Richtung Personalisierung
Eine Mehrzahl der Asthmapatienten spricht problemlos auf die in den Guidelines empfohlenen Standardtherapien an. Leider trifft das nicht auf alle Patienten zu. Biomarker, die eine Steuerung der Therapie dieser Patienten erlauben, werden daher dringend gesucht. Dazu könnten bereits in naher Zukunft auch genetische Marker gehören, wie eine im Rahmen des ERS präsentierte britische Studie nahelegt.4 Die Arbeit verglich eine nach genetischer Auswahl modifizierte Therapie mit der Standardtherapie in einem Kollektiv von Kindern und Jugendlichen.
Hintergrund ist die bereits zuvor publizierte Beobachtung, dass das A-Allel des Gens rs1042713, das für den β-2-Rezeptor kodiert, bei jungen Asthmapatienten mit schlechtem Ansprechen auf lang wirksame β-2-Agonisten (LABA) assoziiert ist.
PACT-Studie
Die randomisierte, kontrollierte PACT-Studie untersuchte nun die Frage, ob die Verschreibung eines Controllers anhand des rs1042713-Genotyps zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.4 In die Studie wurden 241 Asthmapatienten im Alter von 12 bis 18 Jahren eingeschlossen, denen der Hausarzt eine Asthmatherapie mit inhalativen Kortikosteroiden verschrieben hatte. Die Patienten wurden randomisiert entweder mit Standardtherapie gemäss Guidelines der British Thoracic Society behandelt oder erhielten anhand ihres rs1042713-Genotyps eine personalisierte Therapie. Die Probanden wurden über 12 Monate beobachtet. Primärer Endpunkt war eine Veränderung der Lebensqualität (AQLQ). Asthmakontrolle, Exazerbationen und Beanspruchung des Gesundheitssystems wurden als sekundäre Endpunkte erhoben. Die Standardtherapie bestand aus einer Kombination von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) und dem LABA Salmeterol. Patienten mit dem rs1042713-Genotyp erhielten statt Salmeterol den Leukotrienrezeptor-Antagonisten Montelukast, der nicht am β-2-Rezeptor, sondern an Cys-LT1-Rezeptoren bindet und damit die Bindung von Leukotrienen an ihren Rezeptor in den Bronchien verhindert.
Im Vergleich zur Standardtherapie führte die personalisierte Therapie bei Patienten mit dem rs1042713-Genotyp zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität. Allerdings war der Effekt so gering, dass er als klinisch nicht relevant eingestuft wurde. Homozygote (A/A) Patienten profitierten jedoch in stärkerem und klinisch relevantem Mass (HR: 0,42; 95% CI: 0,02–0,81; p=0,041).
Prof. Somnath Mukhopadhyay vom Royal Alexandra Children’s Hospital der Brighton & Sussex Medical School, einer der Studienautoren, unterstrich den innovativen Charakter der Studie: «Diese Ergebnisse sind vielversprechend, weil sie zum ersten Mal zeigen, dass es bei Kindern und Jugendlichen vorteilhaft sein kann, auf bestimmte genetische Besonderheiten zu testen und die Therapie darauf abzustimmen.» Weitere Studien sollen nun die Frage klären, ob sich mit einer durch den Genotyp gesteuerten Therapieanpassung bei Patienten, die schlecht auf ihre Therapie ansprechen, Verbesserungen erzielen lassen. Es sei nämlich möglich, so Mukhopadhyay, dass die in der PACT-Studie beobachteten Verbesserungen deshalb relativ gering waren, weil die Probanden generell gut auf ihre Therapie ansprachen und in ihrer Lebensqualität wenig eingeschränkt waren.
Score zur Messung der «small airway dysfunction» bei Asthma
Die Dysfunktion der distalen Atemwege («small airway dysfunction» – SAD) trägt nach aktuellem Wissensstand erheblich zur Asthmapathologie bei – wird dabei jedoch noch wenig verstanden, so Prof. Monica Kraft von der University of Arizona. Wenig war bislang über die Assoziationen von SAD und relevanten Asthma-Outcomes bekannt. Ein Grund für die Wissenslücken liegt in technischen Problemen. Die meisten Studien zu SAD untersuchten kleine Patientenkollektive und beruhten zum Teil auf aufwendigen Untersuchungen, wie zum Beispiel Biopsien. In der ATLANTIS-Studie5 wurde nun die Aussagekraft verschiedener pneumologischer Tests im Hinblick auf den Zustand der distalen Atemwege untersucht und ein Score zur Messung der SAD bei Asthmapatienten entwickelt, der auf einer Reihe physiologischer Messungen beruht, aus denen auf den Zustand der distalen Atemwege geschlossen werden kann. Da die gemessene Prävalenz von SAD stark davon abhängt, welcher Test eingesetzt wird, wurden im SAD-Score die verschiedenen Testverfahren kombiniert.
ATLANTIS-Studie
ATLANTIS ist die bislang grösste multizentrische, internationale Longitudinalstudie zur SAD.5 Mit dem oben erwähnten Score fanden die Autoren bei 91% der untersuchten Patienten Hinweise auf SAD. Dies traf auf Asthma aller Schweregrade, am deutlichsten jedoch auf Patienten mit schwerem Asthma zu. Die Studie zeigte nicht zuletzt, dass mit Impulsoszillometrie (zur Bestimmung des Atemwegswiderstandes), Ganzkörperplethysmografie und Spirometrie eine Bewertung der distalen Atemwege im klinischen Alltag möglich ist. Die SAD-Scores erwiesen sich als assoziiert mit Asthmakontrolle, Exazerbationen und Schwere der Erkrankung.5
Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass sich mit dem SAD-Score auch das Exazerbationsrisiko quantifizieren lässt.6 Im Rahmen des ERS-Kongresses wurden die Daten aus dem Ein-Jahres-Follow-up der ATLANTIS-Studie präsentiert, die die Frage klären sollen, welche der eingesetzten Tests am stärksten mit dem Exazerbationsrisiko assoziiert sind. Für die nun präsentierte Auswertung wurden 773 Teilnehmer mit leichtem, moderatem oder stabilem schwerem Asthma über ein Jahr beobachtet.
Die mittlere Zahl von Exazerbationen pro Patient und Jahr betrug 0,32 und war damit relativ niedrig. Das Aufreten von Exazerbationen waren signifikant assoziiert mit der Überblähung der Lunge sowie dem mittels Impulsoszillometrie gemessenen Atemwegswiderstand.6 Die Autoren schliessen aus diesen Daten, dass sich das indivuelle Exazerbationsrisiko mithilfe von Parametern voraussagen lässt, die im klinischen Alltag relativ leicht verfügbar sind.
IPF-Diagnostik: Kann auf die Biopsie verzichtet werden?
Im Jahr 2018 präsentierte die ERS ihre gemeinsam mit mehreren anderen Fachgesellschaften erstellte Leitlinie zur Diagnostik der idiopathischen Lungenfibrose (IPF). Im Umgang mit diesem Dokument stellt sich seither vor allem eine Frage: Wer muss biopsiert werden?
Diese Frage ist insofern relevant, als für die Diagnose einer IPF eine offene, chirurgische Biopsie erforderlich ist, die besonders für Patienten in schlechtem Allgemeinzustand ein nicht zu unterschätzendes Mortalitätsrisiko bedeutet. Andererseits ist jedoch seit der Einführung antifibrotischer Therapien die IPF-Diagnose von erheblicher praktischer Bedeutung. Im Rahmen des ERS-Kongresses nahm Prof. Athol Wells vom Royal Brompton Hospital zu diesem Spannungsfeld Stellung.
Voraussetzung für die Diagnose einer IPF ist – sofern keine alternativen Erklärungen für den Zustand der Lunge vorhanden sind – der Nachweis einer «usual interstitial pneumonia» (UIP). Die UIP kann anhand der hochauflösenden Computertomografie (HRCT) befundet werden, jedoch leider nicht in allen Fällen. Die Leitlinie von 2018 unterscheidet zwischen sicherer UIP, wahrscheinlicher («probable») UIP, unbestimmt («indeterminate») im Hinblick auf UIP und alternativer Diagnose.7 Lässt die Bildgebung keinen eindeutigen Befund zu, kommt die Lungenbiopsie ins Spiel, die in der Leitlinie, ebenso wie die bronchioalveoläre Lavage (BAL) bei wahrscheinlicher UIP, unbestimmt im Hinblick auf UIP und alternativer Diagnose empfohlen wird. Es handelt sich jedoch dabei um eine eingeschränkte («conditional») Empfehlung auf Basis schwacher Evidenz. Wells hebt nun hervor, dass für andere Biopsietechniken als die offene Biopsie (namentlich Kryobiopsie und transbronchiale Biopsie) vor zwei Jahren nicht ausreichend Evidenz verfügbar war, um überhaupt eine Empfehlung abzugeben.
Darüber hinaus betont Wells, dass der Terminus einer «wahrscheinlichen UIP» nicht als klinisches Statement anzusehen sei, da die Wahrscheinlichkeit, dass eine «probable UIP» mit Biopsie bestätigt werden kann, stark von der klinischen Präsentation und dem Alter des Patienten abhängt. Diese Faktoren wurden in einem ebenfalls 2018 publizierten Statement der Fleischner Society stärker berücksichtigt.8 Diese fordert nämlich keine Biopsie, wenn eine wahrscheinliche UIP vorhanden ist und das klinische Bild einer IPF entspricht. Damit erlaubt die Fleischner Society eine medikamentöse Therapie der IPF auf Basis einer «Arbeitshypothese». Wells unterstreicht jedoch, dass zwischen den beiden Empfehlungen bei genauerem Hinsehen keine tiefgreifenden Widersprüche bestehen. Beide Leitlinien empfehlen bei unklarer HRCT die multidisziplinäre Diskussion des Falls. Danach gehe die Empfehlung der ERS-Leitlinie eher in Richtung Biopsie, während die Fleischner Society aufgrund der Risiken die Biopsie zu vermeiden suche.
Letztlich gehe es, so Wells, um die Frage, ob man eine definitive IPF-Diagnose haben möchte oder ob man sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einer IPF begnüge, um ein antifibrotische Therapie beginnen zu können. Dann sei freilich noch die Frage zu klären, wie hoch diese Wahrscheinlichkeit sein soll. In der Regel spreche man – auch bei anderen Erkrankungen – bei einer Wahrscheinlichkeit von 90% und mehr von einer sicheren Diagnose und bei einer Wahrscheinlichkeit von 70–90% von einer provisorischen Diagnose mit «high confidence».
Für die Praxis sei mittlerweile gezeigt worden, dass sich eine Mehrheit der Kliniker mit einer «Arbeitsdiagnose» im Sinne der Fleischner Society begnüge und offene Biopsien vermeide, auch wenn dies nicht der Leitlinien-Empfehlung entspreche.9
ERS-Newsroom
Zusätzliche Berichte über interessante Themen des ERS-Kongresses finden Sie in unserem ERS-Newsroom. Hier
Quelle:
ERS International Congress 2020 virtual, 7.–9. September 2020
Literatur:
1 Sahanic S et al.: Persisting pulmonary impairment following severe SARS-CoV-2 infection, preliminary results from the CovILD study. ERS 2020; Abstract No. OA4143 2 Al Chikhanie Y et al.: New insights into determinants of patient-reported outcomes in chronic respiratory diseases. ERS 2020; Abstract No. PA938 3 Britton N et al.: Diversity of the lung mycobiome is associated with severity of disease in acute respiratory distress syndrome. ERS 2020; e-poster No. 3722 4 Ruffles T et al.: Effect of controller prescribing according tors1042713 genotype on asthma related quality of life in young people (PACT): a randomized controlled trial. ERS 2020; e-poster No. 4617 5 Postma DS et al.: Exploring the relevance and extent of small airways dysfunction in asthma (ATLANTIS): baseline data from a prospective cohort study. Lancet Respir Med 2019; 7: 402-16 6 Kraft M et al.: Late breaking abstract - small airways dysfunction (SAD) correlates with relevant asthma outcomes: longitudinal results from the AssessmenT of smalL Airways involvemeNT In aSthma (ATLANTIS) Study. ERS 2020; e-poster No. 139 7 Raghu G et al.: Diagnosis of idiopathic pulmonary fibrosis. An official ATS/ERS/JRS/ALAT clinical practice guideline. Am J Respir Crit Care Med 2018; 198: 44-68 8 Lynch DA et al.: Diagnostic criteria for idiopathic pulmonary fibrosis: a Fleischner Society white paper. Lancet Respir Med 2018; 6: 138-53 9 Walsh SLF et al.: Diagnostic likelihood thresholds that define a working diagnosis of idiopathic pulmonary fibrosis. Am J Respir Crit Care Med 2019; 200: 1146-53
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