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„In der Neuordnung unserer Facharztausbildung sind wir den anderen Additivfächern der inneren Medizin voraus“
Jatros
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08.09.2016
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<p class="article-intro">Bereits im Oktober 2015 hat Prim. Univ.-Prof. Dr. Meinhard Kneussl den Vorsitz der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) von Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka übernommen. JATROS Pneumologie & HNO hat Prof. Kneussl zu einem Interview gebeten, um mit ihm über zentrale Belange und Zielsetzungen seiner Amtsperiode als ÖGP-Präsident zu sprechen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Sehr geehrter Herr Prof. Kneussl, welche Themen und Aufgaben werden für Ihre Amtszeit als Präsident der ÖGP maßgeblich sein?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Ich bin als Präsident seit Oktober 2015, nach der Übergabe durch Prof. Studnicka, im Amt. Das zentrale Thema meiner Präsidentschaft, wie es das auch schon für meinen Vorgänger war, ist sicherlich die Etablierung der neuen Ausbildungsordnung. Diese ist zwar gesetzlich beschlossen, wurde aber noch nicht effektiv umgesetzt. Das hat sich ein wenig verzögert und die neue Ausbildungsordnung wird erst im Laufe dieses Jahres vollständig in Kraft treten.<br /> <br /><strong> Wie wird die Reform der Ausbildungsordnung konkret aussehen? Ist es Ihrer Ansicht nach gelungen, die Qualität der Facharztausbildung auszubauen?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Die pneumologische Ausbildung war in Österreich immer schon sehr konzentriert und sehr gut. Das Einzige, was bislang gefehlt hat, war die Anbindung an die innere Medizin. Niemand wird aber bestreiten, dass die Pneumologie ein internistisches Fach ist. Sie war immer ein Sonderfach, und wir sind in der Neuordnung unserer Facharzt­ausbildung nun den anderen Additivfächern der inneren Medizin voraus, die ja – bedingt durch die europäische Gesetzeslage – ebenfalls zu Hauptfächern werden.<br /> Was die Qualität betrifft, so ist es sicherlich ein Vorteil, dass die Ausbildung nun noch strukturierter vor sich gehen wird: Zuerst erfolgt die Basisausbildung, darauf folgen 27 Monate Sonderfach Grundausbildung (SFG) im Rotationssystem, um möglichst viele Fächer der inneren Medizin abzudecken, und danach kann man sich 36 Monate auf die Pneumologie konzentrieren, Sonderfach Schwerpunktausbildung (SSA). Eine ähnlich klare Struktur haben uns die USA, Kanada und einige europäische Staaten schon vorgegeben. Natürlich kommt es damit zu einer deutlichen Verkürzung der Ausbildungszeit für alle Fächer der inneren Medizin, wir sind aber letzten Endes den anderen Fächern der inneren Medizin damit auch gleichgestellt. Ich sehe die Anbindung an die innere Medizin als eine sehr positive Entwicklung.</p> <div id="rot"> <p>„Insgesamt gibt es heute mehr therapeutische Möglichkeiten, mehr Interaktion mit Kollegen und eine bessere Kommunikation.“ - M. Kneussl, Wien</p> </div> <p><strong>Werden unterm Strich mehr neue Stellen geschaffen werden, um die neue Ausbildungsordnung umzusetzen?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Wir mussten bei den zuständigen Landesärztekammern und der Österreichischen Ärztekammer um die neuen Facharztstellen ansuchen, und zwar sowohl für die Basisausbildung als auch für die Grund- und Schwerpunkt­ausbildung. An bestimmten Abteilungen wird noch die Ausbildung in der allgemeinen inneren Medizin zusätzlich angeboten. Insgesamt werden nicht mehr Stellen geschaffen, die Ausbildung erfolgt aber strukturierter.<br /> <br /><strong> Wie wird sich die Wahrnehmung des Faches durch diese Neuordnung ver­ändern?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Die Pneumologie hatte als Sonderfach immer eine gewisse Sonderstellung. Das wird nun sicherlich besser werden, weil sie z.B. mit der Kardiologie oder der Nephrologie in Zukunft gleichgestellt sein wird, die ebenfalls Sonderfächer werden; wir haben somit in der Ausbildung gleiche Voraussetzungen.<br /> In der Ausbildung gibt es nun eine Übergangslösung: Derzeit sind alle Auszubildenden noch in der alten Ausbildungsordnung, man kann sich aber schon jetzt für die neue Ausbildungsordnung melden. Diese wird wahrscheinlich im Herbst oder Ende des Jahres in Kraft treten und dann kann man sich ummelden. Ebenfalls ummelden können sich auch bereits fertig ausgebildete Fachärzte, da die Berufsbezeichnung in Zukunft ja nicht mehr „Facharzt für Lungenkrankheiten“ lauten wird, sondern „Facharzt für innere Medizin und Pneumologie“. Ich werde meinen Mitarbeitern, die bei mir die Ausbildung machen, jedenfalls raten, dass sie sich ummelden, damit sie auch die gesamte innere Medizin in der Berufsbezeichnung anführen können.<br /> <br /> <strong>Die Sicherung und Verbesserung der Behandlungsqualität bei unterschiedlichen pneumologischen Erkrankungen waren in den vergangenen Jahren ein Aufgabenbereich, auf den die ÖGP viel Mühe verwendet hat. Besonders zu nennen sind hier das COPD-Audit und das Lung-Cancer-Audit. Können Sie uns erläutern, was den Ausschlag für diese beiden Programme gegeben hat?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Die COPD ist eine der wichtigsten Erkrankungen überhaupt, in Bezug auf die Mortalität derzeit die dritthäufigste schwere Erkrankung weltweit, und die Prävalenz wird sicherlich in den nächsten Jahren noch steigen, während die Zahl onkologischer oder kardiovaskulärer Krankheiten eher rückläufig ist. Wir wissen auch, dass weltweit sehr viele Patienten an COPD erkrankt und noch nicht diagnostiziert sind, es gibt also noch eine große Dunkelziffer. Es gibt ein europäisches und ein österreichisches COPD-Audit-Programm, um das sich Prim. Dr. Sylvia Hartl sehr verdient gemacht hat und das dazu beigetragen hat, die Awareness für die COPD in Österreich wesentlich zu steigern.<br /> Zur pneumologischen Onkologie ist zu sagen, dass nicht nur die Diagnosestellung, sondern auch das Staging des Bronchuskarzinoms und das weitere therapeutische Vorgehen durch den Pneumologen organisiert werden sollten. Da leistet das Tumorboard einen wichtigen Beitrag, in dem Onkologen, Pneumologen, Pathologen/Zytologen, Radiologen, Nuklearmediziner und Thoraxchirurgen besprechen, was für den Patienten die richtige Therapie ist. Die Immunonkologie spielt hier eine immer größere Rolle und heute können den Patienten immer häufiger zielgerichtete Therapien angeboten werden. Wichtig ist allerdings, dass die Therapie des Bronchuskarzinoms, auch mit den neuen Ansätzen, weiter in der Hand von Pneumologen bleibt.<br /> <br /> <strong>Sie haben die Dunkelziffer der nicht diagnostizierten COPD-Fälle erwähnt: Die flächendeckende Refundierung der Spirometrie beim Allgemeinmediziner ist in Österreich nach wie vor nicht gegeben. Sehen Sie hier die Notwen­digkeit von Verbesserungen, um zu besseren Diagnoseraten bei Krankheiten wie Asthma und COPD zu kommen?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Beim Lungenfacharzt ist diese Refundierung natürlich gegeben, beim Allgemeinmediziner allerdings nicht, das ist richtig. Ich glaube aber, die Lungenfunktionstestung sollte außerhalb von Screening-Maßnahmen dem Pneumologen vorbehalten sein, weil er die Befundung und Interpretation am besten beherrscht. Die ÖGP hat aktuell ein Projekt mit der Apothekerkammer gestartet, um mögliche Erkrankungen durch kurze Testverfahren, wie einen Atemstoßtest, vor Ort erkennen zu können. Aber das dient natürlich nur einem ersten Screening und wird gerade ausgewertet. Ich sehe die Aufgabe des praktischen Arztes vor allem darin, jene Patienten, die symptomatisch sind oder bei denen der Verdacht auf eine Atemwegs- oder Lungenerkrankung vorliegt, zum Pneumologen zu überweisen.<br /> <br /> <strong>Das Engagement der ÖGP erstreckt sich nicht allein auf wissenschaftliche und standespolitische Belange, sondern umfasst auch gesundheitspolitische Anliegen, wie Patientenaufklärung, Bewusstseinsbildung in der Allgemeinbevölkerung und Nichtraucherschutz. Welche Aktivitäten sind in Ihrer Amtszeit geplant und wo sehen Sie aktuell besonderen politischen oder gesellschaftlichen Handlungsbedarf?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Anlässlich des Weltnichtrauchertages war die ÖGP gefordert, aktiv zu werden. Der Past President und ich haben ein an die Autofahrerclubs gerichtetes Statement herausgegeben, das zum Inhalt hatte, dass es untragbar ist, wenn Kinder in einem geschlossenen Auto einer hohen Konzentration von Rauch und Nikotin ausgesetzt sind, weil ein Elternteil raucht. Dazu werden auch weitere Aktivitäten folgen.<br /> Im März haben wir den Welttuberkulosetag genutzt, um auf Therapie und Diagnostik der Tuberkulose, insbesondere auch der multiresistenten Tbc, aufmerksam zu machen. In diesem Bereich wird es in Zukunft einige Programme geben, die wir aktiv weiterbetreiben werden.<br /> <br /> <strong>Sehen Sie eine ernst zu nehmende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit durch das befürchtete Ansteigen der Tuberkuloseinzidenz im Zuge der aktuellen Flüchtlings- und Asylkrise? Medial wird hier immer wieder der schmale Grat zwischen Verharmlosung und Übertreibung beschritten.</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Man darf hier keinesfalls übertreiben! Die Tbc ist in den letzten 100 Jahren rückläufig – seit der Einführung der Tuberkulostatika vor 50 Jahren und aufgrund von besseren sozialen und hygienischen Verhältnissen seit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Es gibt natürlich immer wieder Schwankungen durch die Migration und durch die Kriege in Osteuropa. Man hat sehr viel Angst gehabt, dass durch die aktuell anhaltende Flüchtlingsbewegung sehr viele Tbc-Fälle nach Europa kommen, wir haben aber noch keinen Anhaltspunkt, dass sich hier viel ändern wird. Wir wissen auf jeden Fall, dass die Flüchtlinge, die aus Syrien kommen, kaum multiresistente Tbc haben. Die multiresistenten Fälle kommen eher aus Regionen der Russischen Föderation bzw. aus Afghanistan und aus anderen osteuropäischen und asiatischen Ländern. Ich glaube, man darf hier keinesfalls überdramatisieren und die Bevölkerung verunsichern. Natürlich ist das aber ein wichtiges Thema, das angesprochen werden muss. Es ist auch erforderlich, die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass man z.B. Kinder, die nach Europa kommen, impft oder dass ein Thoraxröntgen durchgeführt wird, wenn es zur Abklärung notwendig ist.<br /> In Österreich wird das Thoraxröntgen beim Pneumologen bislang leider nicht flächendeckend refundiert, sondern nur die Lungendurchleuchtung mittels Fluoroskopie. In den meisten Bundesländern wird das Thoraxröntgen bezahlt, in der Steiermark gibt es Einzelverträge, aber in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wird es nicht refundiert. Das sollte man wirklich ändern, damit der Pneumologe das Thoraxröntgen als Tool zur Verfügung hat, um eine adäquate Diagnose stellen zu können. Es ist einfach besser, etwas mithilfe eines Röntgenbilds dokumentieren zu können.<br /> <br /><strong> In kaum einem anderen Fach der Medizin waren in den vergangenen Jahren so viele Innovationen zu verzeichnen, wie es in der Pneumologie der Fall war; nicht nur, aber insbesondere auch in der Behandlung von „orphan diseases“. Was waren, Ihrer Einschätzung nach, die bedeutendsten Meilensteine der letzten fünf Jahre?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Dazu zählt meines Erachtens die Therapie der pulmonalen Hypertension, insbesondere der pulmonal-arteriellen Hypertension (PAH). Hierfür hat die allgemeine Awareness in den letzten Jahren deutlich zugenommen, selbst wenn sicherlich noch nicht alle Betroffenen wirklich diagnostiziert sind. Aber bedeutende Fortschritte sind hier doch erzielt worden.<br /> Auch in der Therapie der zystischen Fibrose (CF) hat sich viel getan, auf diesem Gebiet – in der Behandlung der erwachsenen Patienten – ist das Wilhelminenspital gemeinsam mit dem Kran­kenhaus Hietzing in Wien Kompetenzzentrum. Für das Krankheitsbild der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), zu deren Behandlung es ebenfalls neue Möglichkeiten gibt, ist kaum Awareness vorhanden, da besteht sicherlich noch eine sehr große Dunkelziffer. Man muss danach trachten, dass man in den nächs­ten Jahren die Aufmerksamkeit dafür bzw. auch für andere interstitielle Lungenerkrankungen wie die nicht spezifische interstitielle Pneumonie und andere Formen erhöht.<br /> Aber allein, dass sich der Begriff COPD in der Bevölkerung als Begriff für eine chronische Lungenerkrankung durchgesetzt hat, ist ein enormer Fortschritt für die Pneumologie. Therapeutisch ist hier besonders an jenen Anteil der Patienten zu denken, deren COPD durch Alpha-1-Antitrypsinmangel hervorgerufen wird.<br /> Zur Behandlung des schweren Asthma bronchiale haben wir in der ÖGP mit dem ASA-Net (Austrian Severe Asthma Network) ein Netzwerk zur Sicherung der therapeutischen Qualität und Erforschung der Erkrankung geschaffen, das von einem meiner Mitarbeiter, Dr. Daniel Doberer, betreut wird. Im Zentrum steht dabei vor allem die Förderung der Umsetzung von Guidelines, das ASA-Net umfasst weiters eine webbasierte Plattform zum Informationsaustausch unter den Kollegen sowie ein Register schwerer Asthmafälle in Österreich. Schweres, unkontrolliertes Asthma ist relativ selten, doch wenn es vorliegt, kann man es relativ genau definieren sowie diagnostizieren und dann auch entsprechend therapeutisch eingreifen. Mit Mepolizumab gibt es nun auch eine Therapie gegen schweres eosinophiles Asthma, ebenso wie mit Omalizumab eine Therapie gegen schweres allergisches Asthma.<br /> Insgesamt gibt es heute mehr therapeutische Möglichkeiten, mehr Interaktion mit Kollegen und eine bessere Kommunikation.<br /> <br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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