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„In der Neuordnung unserer Facharztausbildung sind wir den anderen Additivfächern der inneren Medizin voraus“

<p class="article-intro">Bereits im Oktober 2015 hat Prim. Univ.-Prof. Dr. Meinhard Kneussl den Vorsitz der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) von Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Studnicka übernommen. JATROS Pneumologie & HNO hat Prof. Kneussl zu einem Interview gebeten, um mit ihm über zentrale Belange und Zielsetzungen seiner Amtsperiode als ÖGP-Präsident zu sprechen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Sehr geehrter Herr Prof. Kneussl, welche Themen und Aufgaben werden f&uuml;r Ihre Amtszeit als Pr&auml;sident der &Ouml;GP ma&szlig;geblich sein?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Ich bin als Pr&auml;sident seit Oktober 2015, nach der &Uuml;bergabe durch Prof. Studnicka, im Amt. Das zentrale Thema meiner Pr&auml;sidentschaft, wie es das auch schon f&uuml;r meinen Vorg&auml;nger war, ist sicherlich die Etablierung der neuen Ausbildungsordnung. Diese ist zwar gesetzlich beschlossen, wurde aber noch nicht effektiv umgesetzt. Das hat sich ein wenig verz&ouml;gert und die neue Ausbildungsordnung wird erst im Laufe dieses Jahres vollst&auml;ndig in Kraft treten.<br /> <br /><strong> Wie wird die Reform der Ausbildungsordnung konkret aussehen? Ist es Ihrer Ansicht nach gelungen, die Qualit&auml;t der Facharztausbildung auszubauen?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Die pneumologische Ausbildung war in &Ouml;sterreich immer schon sehr konzentriert und sehr gut. Das Einzige, was bislang gefehlt hat, war die Anbindung an die innere Medizin. Niemand wird aber bestreiten, dass die Pneumologie ein internistisches Fach ist. Sie war immer ein Sonderfach, und wir sind in der Neuordnung unserer Facharzt&shy;ausbildung nun den anderen Additivf&auml;chern der inneren Medizin voraus, die ja &ndash; bedingt durch die europ&auml;ische Gesetzeslage &ndash; ebenfalls zu Hauptf&auml;chern werden.<br /> Was die Qualit&auml;t betrifft, so ist es sicherlich ein Vorteil, dass die Ausbildung nun noch strukturierter vor sich gehen wird: Zuerst erfolgt die Basisausbildung, darauf folgen 27 Monate Sonderfach Grundausbildung (SFG) im Rotationssystem, um m&ouml;glichst viele F&auml;cher der inneren Medizin abzudecken, und danach kann man sich 36 Monate auf die Pneumologie konzentrieren, Sonderfach Schwerpunktausbildung (SSA). Eine &auml;hnlich klare Struktur haben uns die USA, Kanada und einige europ&auml;ische Staaten schon vorgegeben. Nat&uuml;rlich kommt es damit zu einer deutlichen Verk&uuml;rzung der Ausbildungszeit f&uuml;r alle F&auml;cher der inneren Medizin, wir sind aber letzten Endes den anderen F&auml;chern der inneren Medizin damit auch gleichgestellt. Ich sehe die Anbindung an die innere Medizin als eine sehr positive Entwicklung.</p> <div id="rot"> <p>&bdquo;Insgesamt gibt es heute mehr therapeutische M&ouml;glichkeiten, mehr Interaktion mit Kollegen und eine bessere Kommunikation.&ldquo; - M. Kneussl, Wien</p> </div> <p><strong>Werden unterm Strich mehr neue Stellen geschaffen werden, um die neue Ausbildungsordnung umzusetzen?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Wir mussten bei den zust&auml;ndigen Landes&auml;rztekammern und der &Ouml;sterreichischen &Auml;rztekammer um die neuen Facharztstellen ansuchen, und zwar sowohl f&uuml;r die Basisausbildung als auch f&uuml;r die Grund- und Schwerpunkt&shy;ausbildung. An bestimmten Abteilungen wird noch die Ausbildung in der allgemeinen inneren Medizin zus&auml;tzlich angeboten. Insgesamt werden nicht mehr Stellen geschaffen, die Ausbildung erfolgt aber strukturierter.<br /> <br /><strong> Wie wird sich die Wahrnehmung des Faches durch diese Neuordnung ver&shy;&auml;ndern?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Die Pneumologie hatte als Sonderfach immer eine gewisse Sonderstellung. Das wird nun sicherlich besser werden, weil sie z.B. mit der Kardiologie oder der Nephrologie in Zukunft gleichgestellt sein wird, die ebenfalls Sonderf&auml;cher werden; wir haben somit in der Ausbildung gleiche Voraussetzungen.<br /> In der Ausbildung gibt es nun eine &Uuml;bergangsl&ouml;sung: Derzeit sind alle Auszubildenden noch in der alten Ausbildungsordnung, man kann sich aber schon jetzt f&uuml;r die neue Ausbildungsordnung melden. Diese wird wahrscheinlich im Herbst oder Ende des Jahres in Kraft treten und dann kann man sich ummelden. Ebenfalls ummelden k&ouml;nnen sich auch bereits fertig ausgebildete Fach&auml;rzte, da die Berufsbezeichnung in Zukunft ja nicht mehr &bdquo;Facharzt f&uuml;r Lungenkrankheiten&ldquo; lauten wird, sondern &bdquo;Facharzt f&uuml;r innere Medizin und Pneumologie&ldquo;. Ich werde meinen Mitarbeitern, die bei mir die Ausbildung machen, jedenfalls raten, dass sie sich ummelden, damit sie auch die gesamte innere Medizin in der Berufsbezeichnung anf&uuml;hren k&ouml;nnen.<br /> <br /> <strong>Die Sicherung und Verbesserung der Behandlungsqualit&auml;t bei unterschiedlichen pneumologischen Erkrankungen waren in den vergangenen Jahren ein Aufgabenbereich, auf den die &Ouml;GP viel M&uuml;he verwendet hat. Besonders zu nennen sind hier das COPD-Audit und das Lung-Cancer-Audit. K&ouml;nnen Sie uns erl&auml;utern, was den Ausschlag f&uuml;r diese beiden Programme gegeben hat?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Die COPD ist eine der wichtigsten Erkrankungen &uuml;berhaupt, in Bezug auf die Mortalit&auml;t derzeit die dritth&auml;ufigste schwere Erkrankung weltweit, und die Pr&auml;valenz wird sicherlich in den n&auml;chsten Jahren noch steigen, w&auml;hrend die Zahl onkologischer oder kardiovaskul&auml;rer Krankheiten eher r&uuml;ckl&auml;ufig ist. Wir wissen auch, dass weltweit sehr viele Patienten an COPD erkrankt und noch nicht diagnostiziert sind, es gibt also noch eine gro&szlig;e Dunkelziffer. Es gibt ein europ&auml;isches und ein &ouml;sterreichisches COPD-Audit-Programm, um das sich Prim. Dr. Sylvia Hartl sehr verdient gemacht hat und das dazu beigetragen hat, die Awareness f&uuml;r die COPD in &Ouml;sterreich wesentlich zu steigern.<br /> Zur pneumologischen Onkologie ist zu sagen, dass nicht nur die Diagnosestellung, sondern auch das Staging des Bronchuskarzinoms und das weitere therapeutische Vorgehen durch den Pneumologen organisiert werden sollten. Da leistet das Tumorboard einen wichtigen Beitrag, in dem Onkologen, Pneumologen, Pathologen/Zytologen, Radiologen, Nuklearmediziner und Thoraxchirurgen besprechen, was f&uuml;r den Patienten die richtige Therapie ist. Die Immunonkologie spielt hier eine immer gr&ouml;&szlig;ere Rolle und heute k&ouml;nnen den Patienten immer h&auml;ufiger zielgerichtete Therapien angeboten werden. Wichtig ist allerdings, dass die Therapie des Bronchuskarzinoms, auch mit den neuen Ans&auml;tzen, weiter in der Hand von Pneumologen bleibt.<br /> <br /> <strong>Sie haben die Dunkelziffer der nicht diagnostizierten COPD-F&auml;lle erw&auml;hnt: Die fl&auml;chendeckende Refundierung der Spirometrie beim Allgemeinmediziner ist in &Ouml;sterreich nach wie vor nicht gegeben. Sehen Sie hier die Notwen&shy;digkeit von Verbesserungen, um zu besseren Diagnoseraten bei Krankheiten wie Asthma und COPD zu kommen?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Beim Lungenfacharzt ist diese Refundierung nat&uuml;rlich gegeben, beim Allgemeinmediziner allerdings nicht, das ist richtig. Ich glaube aber, die Lungenfunktionstestung sollte au&szlig;erhalb von Screening-Ma&szlig;nahmen dem Pneumologen vorbehalten sein, weil er die Befundung und Interpretation am besten beherrscht. Die &Ouml;GP hat aktuell ein Projekt mit der Apothekerkammer gestartet, um m&ouml;gliche Erkrankungen durch kurze Testverfahren, wie einen Atemsto&szlig;test, vor Ort erkennen zu k&ouml;nnen. Aber das dient nat&uuml;rlich nur einem ersten Screening und wird gerade ausgewertet. Ich sehe die Aufgabe des praktischen Arztes vor allem darin, jene Patienten, die symptomatisch sind oder bei denen der Verdacht auf eine Atemwegs- oder Lungenerkrankung vorliegt, zum Pneumologen zu &uuml;berweisen.<br /> <br /> <strong>Das Engagement der &Ouml;GP erstreckt sich nicht allein auf wissenschaftliche und standespolitische Belange, sondern umfasst auch gesundheitspolitische Anliegen, wie Patientenaufkl&auml;rung, Bewusstseinsbildung in der Allgemeinbev&ouml;lkerung und Nichtraucherschutz. Welche Aktivit&auml;ten sind in Ihrer Amtszeit geplant und wo sehen Sie aktuell besonderen politischen oder gesellschaftlichen Handlungsbedarf?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Anl&auml;sslich des Weltnichtrauchertages war die &Ouml;GP gefordert, aktiv zu werden. Der Past President und ich haben ein an die Autofahrerclubs gerichtetes Statement herausgegeben, das zum Inhalt hatte, dass es untragbar ist, wenn Kinder in einem geschlossenen Auto einer hohen Konzentration von Rauch und Nikotin ausgesetzt sind, weil ein Elternteil raucht. Dazu werden auch weitere Aktivit&auml;ten folgen.<br /> Im M&auml;rz haben wir den Welttuberkulosetag genutzt, um auf Therapie und Diagnostik der Tuberkulose, insbesondere auch der multiresistenten Tbc, aufmerksam zu machen. In diesem Bereich wird es in Zukunft einige Programme geben, die wir aktiv weiterbetreiben werden.<br /> <br /> <strong>Sehen Sie eine ernst zu nehmende Herausforderung f&uuml;r die &ouml;ffentliche Gesundheit durch das bef&uuml;rchtete Ansteigen der Tuberkuloseinzidenz im Zuge der aktuellen Fl&uuml;chtlings- und Asylkrise? Medial wird hier immer wieder der schmale Grat zwischen Verharmlosung und &Uuml;bertreibung beschritten.</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Man darf hier keinesfalls &uuml;bertreiben! Die Tbc ist in den letzten 100 Jahren r&uuml;ckl&auml;ufig &ndash; seit der Einf&uuml;hrung der Tuberkulostatika vor 50 Jahren und aufgrund von besseren sozialen und hygienischen Verh&auml;ltnissen seit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Es gibt nat&uuml;rlich immer wieder Schwankungen durch die Migration und durch die Kriege in Osteuropa. Man hat sehr viel Angst gehabt, dass durch die aktuell anhaltende Fl&uuml;chtlingsbewegung sehr viele Tbc-F&auml;lle nach Europa kommen, wir haben aber noch keinen Anhaltspunkt, dass sich hier viel &auml;ndern wird. Wir wissen auf jeden Fall, dass die Fl&uuml;chtlinge, die aus Syrien kommen, kaum multiresistente Tbc haben. Die multiresistenten F&auml;lle kommen eher aus Regionen der Russischen F&ouml;deration bzw. aus Afghanistan und aus anderen osteurop&auml;ischen und asiatischen L&auml;ndern. Ich glaube, man darf hier keinesfalls &uuml;berdramatisieren und die Bev&ouml;lkerung verunsichern. Nat&uuml;rlich ist das aber ein wichtiges Thema, das angesprochen werden muss. Es ist auch erforderlich, die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass man z.B. Kinder, die nach Europa kommen, impft oder dass ein Thoraxr&ouml;ntgen durchgef&uuml;hrt wird, wenn es zur Abkl&auml;rung notwendig ist.<br /> In &Ouml;sterreich wird das Thoraxr&ouml;ntgen beim Pneumologen bislang leider nicht fl&auml;chendeckend refundiert, sondern nur die Lungendurchleuchtung mittels Fluoroskopie. In den meisten Bundesl&auml;ndern wird das Thoraxr&ouml;ntgen bezahlt, in der Steiermark gibt es Einzelvertr&auml;ge, aber in Wien, Nieder&ouml;sterreich und dem Burgenland wird es nicht refundiert. Das sollte man wirklich &auml;ndern, damit der Pneumologe das Thoraxr&ouml;ntgen als Tool zur Verf&uuml;gung hat, um eine ad&auml;quate Diagnose stellen zu k&ouml;nnen. Es ist einfach besser, etwas mithilfe eines R&ouml;ntgenbilds dokumentieren zu k&ouml;nnen.<br /> <br /><strong> In kaum einem anderen Fach der Medizin waren in den vergangenen Jahren so viele Innovationen zu verzeichnen, wie es in der Pneumologie der Fall war; nicht nur, aber insbesondere auch in der Behandlung von &bdquo;orphan diseases&ldquo;. Was waren, Ihrer Einsch&auml;tzung nach, die bedeutendsten Meilensteine der letzten f&uuml;nf Jahre?</strong><br /> <strong>M. Kneussl:</strong> Dazu z&auml;hlt meines Erachtens die Therapie der pulmonalen Hypertension, insbesondere der pulmonal-arteriellen Hypertension (PAH). Hierf&uuml;r hat die allgemeine Awareness in den letzten Jahren deutlich zugenommen, selbst wenn sicherlich noch nicht alle Betroffenen wirklich diagnostiziert sind. Aber bedeutende Fortschritte sind hier doch erzielt worden.<br /> Auch in der Therapie der zystischen Fibrose (CF) hat sich viel getan, auf diesem Gebiet &ndash; in der Behandlung der erwachsenen Patienten &ndash; ist das Wilhelminenspital gemeinsam mit dem Kran&shy;kenhaus Hietzing in Wien Kompetenzzentrum. F&uuml;r das Krankheitsbild der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), zu deren Behandlung es ebenfalls neue M&ouml;glichkeiten gibt, ist kaum Awareness vorhanden, da besteht sicherlich noch eine sehr gro&szlig;e Dunkelziffer. Man muss danach trachten, dass man in den n&auml;chs&shy;ten Jahren die Aufmerksamkeit daf&uuml;r bzw. auch f&uuml;r andere interstitielle Lungenerkrankungen wie die nicht spezifische interstitielle Pneumonie und andere Formen erh&ouml;ht.<br /> Aber allein, dass sich der Begriff COPD in der Bev&ouml;lkerung als Begriff f&uuml;r eine chronische Lungenerkrankung durchgesetzt hat, ist ein enormer Fortschritt f&uuml;r die Pneumologie. Therapeutisch ist hier besonders an jenen Anteil der Patienten zu denken, deren COPD durch Alpha-1-Antitrypsinmangel hervorgerufen wird.<br /> Zur Behandlung des schweren Asthma bronchiale haben wir in der &Ouml;GP mit dem ASA-Net (Austrian Severe Asthma Network) ein Netzwerk zur Sicherung der therapeutischen Qualit&auml;t und Erforschung der Erkrankung geschaffen, das von einem meiner Mitarbeiter, Dr. Daniel Doberer, betreut wird. Im Zentrum steht dabei vor allem die F&ouml;rderung der Umsetzung von Guidelines, das ASA-Net umfasst weiters eine webbasierte Plattform zum Informationsaustausch unter den Kollegen sowie ein Register schwerer Asthmaf&auml;lle in &Ouml;sterreich. Schweres, unkontrolliertes Asthma ist relativ selten, doch wenn es vorliegt, kann man es relativ genau definieren sowie diagnostizieren und dann auch entsprechend therapeutisch eingreifen. Mit Mepolizumab gibt es nun auch eine Therapie gegen schweres eosinophiles Asthma, ebenso wie mit Omalizumab eine Therapie gegen schweres allergisches Asthma.<br /> Insgesamt gibt es heute mehr therapeutische M&ouml;glichkeiten, mehr Interaktion mit Kollegen und eine bessere Kommunikation.<br /> <br /><strong> Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
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