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Workshop „Lunge – Umwelt – Arbeitsmedizin“

Hitze und andere Wetterextreme

<p class="article-intro">Extreme Wetterereignisse fanden auch in der Vergangenheit statt, sodass ihre Auswirkungen auf die Gesundheit relativ gut untersucht sind. Sowohl extreme Kälte als auch extreme Hitze führen zu einem deutlichen Anstieg der Sterblichkeit, wobei das Risiko vor allem ältere und chronisch kranke Menschen betrifft. Dies unterstreicht auch die Verantwortung der Ärzte bei der Behandlung und Schulung dieser Patienten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Extreme Wetterverh&auml;ltnisse sind nicht neu, nehmen aber zu.</li> <li>&Auml;rzten kommt bei der Bew&auml;ltigung der individuellen Gesundheitsfolgen besondere Bedeutung zu.</li> <li>Neben physischen m&uuml;ssen auch psychische Folgen ber&uuml;cksichtigt werden.</li> </ul> </div> <p>Andere Extremereignisse wie Trockenheit, Starkregen, Sturm, &Uuml;berschwemmungen usw. f&uuml;hren bei uns dank guter Schutzvorkehrungen, Hilfsdiensten und Infrastruktur nur zu sehr wenigen zus&auml;tzlichen Todesf&auml;llen. Die Langzeitsch&auml;den an Hab und Gut k&ouml;nnen allerdings schwerwiegend sein und gerade Personen aus Randgruppen der Gesellschaft hart treffen. L&auml;ngerfristige, besonders psychische Beeintr&auml;chtigungen sind in diesem Fall zu bef&uuml;rchten.</p> <h2>Einleitung</h2> <p>Das Klima war immer variabel. Aber noch nie in der Geschichte menschlicher Zivilisationen hat es sich so rasch ge&auml;ndert wie derzeit und ebenfalls erstmalig in der Geschichte &auml;ndern die Menschen ihre Umwelt nicht nur lokal, sondern auf einem globalen Ma&szlig;stab.<sup>1</sup> <br />Der Klimawandel kann sich auf drei unterschiedliche Arten auf uns und unser Wohlergehen auswirken: Extreme Wetterereignisse k&ouml;nnen uns unmittelbar (be)treffen. Die Klima&auml;nderung kann in unserer Umwelt Ver&auml;nderungen hervorrufen. Das betrifft &Ouml;kosysteme, die Landwirtschaft, aber auch technische Einrichtungen und Infrastruktur sowie die atmosph&auml;rische Chemie, den globalen Wasserhaushalt und vieles mehr. Zuletzt ist zu bedenken, dass der Klimawandel als weltweites Ph&auml;nomen auch in entfernten Weltgegenden Auswirkungen hat. Das betrifft gerade Nationen und Gemeinschaften, die nicht gen&uuml;gend Ressourcen haben, um sich an die Ver&auml;nderung anzupassen. In einer vernetzten Welt k&ouml;nnen wir uns auch diesen entfernten Folgen nicht verschlie&szlig;en.<sup>2, 3</sup></p> <h2>Temperaturextreme</h2> <p>In diesem Beitrag werden vor allem die direkten Wirkungen extremer Wetterereignisse beschrieben. Diese hat es zwar &bdquo;immer schon gegeben&ldquo;. Es ist aber mehrfach belegt, dass mit der globalen Erw&auml;rmung extrem hei&szlig;e Wetterlagen zunehmen werden. W&uuml;rde sich einfach die mittlere Temperatur &auml;ndern, aber die Temperaturvariation in etwa gleich bleiben, die Glockenkurve der Temperaturverteilung sich also nur verschieben, w&auml;re das wahrscheinlich nicht so schlimm: Auch bisher schon lebten Menschen in ganz unterschiedlichen Klimazonen und haben sich an die jeweilige Klimazone angepasst. Eine Temperatur, bei der zum Beispiel Bewohner von Stockholm bereits unter einer Hitzewelle st&ouml;hnen, wird von einem Bewohner in Rom wahrscheinlich als ganz normale Sommertemperatur empfunden. Es ist nat&uuml;rlich die Frage, wie rasch sich das Klima &auml;ndert. Anpassungsvorg&auml;nge laufen auf sehr verschiedenen und unterschiedlich raschen Wegen ab. Das reicht von Verhaltensanpassungen &uuml;ber physiologische Ver&auml;nderungen der Wasser- und Kreislaufregulation sowie bauliche, technische und institutionelle Anpassungen bis hin zu &ndash; sehr langfristig &ndash; genetischen Anpassungen (z. B. K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e, K&ouml;rperfettverteilung). Der derzeitige Klimawandel d&uuml;rfte jedoch in seiner Geschwindigkeit manche dieser Vorg&auml;nge &uuml;berholen. <br />Leider zeigt es sich, dass sich die Glockenkurve nicht nur einfach verschiebt, sie wird auch breiter, die Variation der Wetterparameter wie Temperatur, Feuchte, Niederschlag oder Windgeschwindigkeit nimmt zu. Wenn es also im Mittel etwas w&auml;rmer wird, dann werden die extremen Hitzewerte noch viel deutlicher zunehmen. Und obwohl es insgesamt w&auml;rmer wird, wird es trotzdem immer wieder, wenn auch seltener, sehr kalte schneereiche Winter geben. An Extremereignisse k&ouml;nnen wir uns aber zunehmend schlechter anpassen, je extremer sie ausfallen. <br />Wie sich Extremwetterlagen auf die Gesundheit auswirken, k&ouml;nnen wir im Prinzip an historischen Daten untersuchen. Aus langj&auml;hriger Erfahrung ist bekannt, dass die Sterblichkeit in den gem&auml;&szlig;igten Breiten im Winter h&ouml;her ist als im Sommer.<sup>4, 5</sup> Wir wissen, dass diese &Uuml;bersterblichkeit im Winter weniger unmittelbar von der K&auml;lte am Sterbetag bestimmt wird, sondern dass eher eine lang dauernde K&auml;lteperiode, etwa die Durchschnittstemperatur &uuml;ber mehrere Wochen, f&uuml;r das Sterberisiko verantwortlich ist. Die pathophysiologischen Ursachen f&uuml;r die K&auml;ltesterblichkeit sind vielf&auml;ltig. So finden sich beispielsweise erh&ouml;hte Entz&uuml;ndungsmarker, insbesondere Fibrinogen.<sup>6</sup> Diese gr&ouml;&szlig;ere Entz&uuml;ndungsbereitschaft d&uuml;rfte einerseits aufgrund schlechterer Hautdurchblutung entstehen, die zu Zellsch&auml;digungen beitr&auml;gt. Andererseits steigt im Winter auch das Risiko f&uuml;r Atemwegsinfektionen. Dieses ist nicht nur Folge der niedrigen Temperatur, sondern besteht unter anderem auch wegen geringerer (desinfizierender) Ozonwerte.<sup>7</sup> Zudem ist die UV-Strahlung im Winter geringer, die eventuell &uuml;ber die Vitamin-D-Bildung positiv wirkt.<sup>8, 9</sup> <br />Im Gegensatz dazu wird die &Uuml;bersterblichkeit bei Hitze fast ausschlie&szlig;lich durch die unmittelbaren Temperaturen am gleichen und allenfalls am Vortag bestimmt. Nachdem man den langfristigen Trend und die saisonalen Schwankungen herausgerechnet hat, findet man bereits ab relativ moderaten Temperaturen einen zunehmend steilen Anstieg des Sterberisikos (Abb. 1). Man k&ouml;nnte vermuten, dass die Hitze vor allem das Herz-Kreislauf-System belastet. Wenn man allerdings die offiziellen Todesursachen betrachtet, findet man ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r fast alle Todesursachen. So sind etwa sowohl bei K&auml;lte als auch bei Hitze Todesf&auml;lle mit traumatischen Ursachen wahrscheinlicher. Und im Gegensatz zu fast allen anderen Todesursachen betrifft dies in besonderem Ma&szlig;e M&auml;nner. Insgesamt ist das relative Sterberisiko bei Hitze f&uuml;r Frauen h&ouml;her und nimmt mit zunehmendem Alter zu (Abb. 2). Das gr&ouml;&szlig;te relative Risiko bei Hitze betrifft aber Atemwegserkrankungen als Todesursache. Atemwegserkrankungen sind auch eine der wenigen Ursachen f&uuml;r Krankenhauseinweisungen, die bei Hitze signifikant mehr sind. Dabei verursacht wahrscheinlich nicht der Hitzestress selbst die Atemwegserkrankungen. Vielmehr d&uuml;rften Personen mit bestehenden chronischen Atemwegserkrankungen besonders stark in ihrer Adaptationsf&auml;higkeit eingeschr&auml;nkt sein. Hier kommt der &Auml;rzteschaft eine besondere Aufgabe zu, da sie Patienten beraten und schon vorsorglich unter anderem f&uuml;r eine gute Einstellung der Medikation sorgen muss.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s34_abb1_moshammer.jpg" alt="" width="650" height="552" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s35_abb2_moshammer.jpg" alt="" width="650" height="450" /></p> <h2>Weitere Extremwetterereignisse</h2> <p>Neben der Hitze (und K&auml;lte) spielen selbstverst&auml;ndlich auch andere Extremereignisse eine Rolle. Aufgrund funktionierender Infrastruktur und sozialer Einrichtungen sind allerdings Trockenheit, Sturm, Starkregen und &Uuml;berschwemmung bei uns bisher nur mit sehr wenigen direkten Todesf&auml;llen verbunden und werden daher bez&uuml;glich dieser Ma&szlig;zahl von Hitzewellen weit in den Schatten gestellt. <br />&Uuml;berschwemmungen, Vermurungen und dergleichen setzen aber oft auch langfristige Sch&auml;den. Aus lungenfach&auml;rztlicher Sicht ist an Wassersch&auml;den an Geb&auml;uden mit nachfolgendem Schimmelbefall zu denken.<sup>10&minus;12</sup> Studien in anderen L&auml;ndern weisen auch auf bedeutende psychische Folgen im Sinne eines posttraumatischen Stress-Syndroms hin.<sup>13, 14</sup> Diese Folgen sind in &Ouml;sterreich aber bisher nicht untersucht worden. Solche Studien sind allerdings notwendig, da gerade hinsichtlich psychischer Effekte soziale Resilienzfaktoren entscheidend sein k&ouml;nnen und daher Ergebnisse ausl&auml;ndischer Studien nicht unmittelbar auf &Ouml;sterreich &uuml;bertragbar sind. Wichtig w&auml;re es nat&uuml;rlich, besonders die Auswirkungen auf soziale Randgruppen zu untersuchen. Gerade hier ist der Zugang zu validen Daten jedoch schwierig.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Extremwetterereignisse sind keine neuen Ph&auml;nomene und unser Gesundheitssystem sollte theoretisch in der Lage sein, mit den diesbez&uuml;glichen Bedrohungen umzugehen. Dennoch besteht die begr&uuml;ndete Sorge, dass es durch die starke Zunahme der Extreme an Intensit&auml;t und H&auml;ufigkeit an seine Grenzen st&ouml;&szlig;t. Neben institutionellen Hilfsdiensten wird lokalen Netzwerken sowohl w&auml;hrend der akuten Bedrohungssituation als auch zur Unterst&uuml;tzung nach dem Ereignis eine immer gr&ouml;&szlig;ere Bedeutung zukommen. Die &Auml;rzteschaft vor Ort kann durch ihre Erfahrung und ihr Vorbild solche Netzwerke anregen und st&auml;rken. Letztlich muss es aber klar sein, dass Anpassungen alleine nur eine Teill&ouml;sung der Bedrohung durch die Erderw&auml;rmung sein k&ouml;nnen. Es erspart uns sicher nicht, Klimaschutzma&szlig;nahmen &ndash; endlich &ndash; deutlich intensiver als bisher umzusetzen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Austrian Panel on Climate Change (APCC): &Ouml;sterreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (AAR14). Wien: Verlag der &Ouml;sterreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014. ISBN: 978-3-7001-7699-2 <strong>2</strong> APCC: APCC Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel 2018 (ASR18). Pre-Print-Version (http://sr18.ccca.ac.at/download/apcc-sr18-final-report-volltext-de-pre-print) <strong>3</strong> Hutter H-P et al.: Klimawandel und Gesundheit: Auswirkungen. Risiken. Perspektiven. MedUni Ratgeber. Wien: MANZ Verlag, 2017. ISBN: 978-3-214-07803-4 <strong>4</strong> Donaldson GC, Keatinge WR: Excess winter mortality: influenza or cold stress? Observational study. BMJ 2002; 324: 89- 90 <strong>5</strong> Todd N, Valleron AJ: Space-time covariation of mortality with temperature: a systematic study of deaths in France, 1968-2009. Environ Health Perspect 2015; 123: 659-64 <strong>6</strong> Basu R et al.: Estimating the associations of apparent temperature and inflammatory, hemostatic, and lipid markers in a cohort of midlife women. Environ Res 2017; 152: 322-7 <strong>7</strong> Ali ST et al.: Ambient ozone and influenza transmissibility in Hong Kong. Eur Respir J 2018; 51: 1800369 <strong>8</strong> Cannell JJ et al.: Epidemic influenza and vitamin D. Epidemiol Infect 2006; 134: 1129-40 <strong>9</strong> Geier DA et al.: A longitudinal ecological study of seasonal influenza deaths in relation to climate conditions in the United States from 1999 through 2011. Infect Ecol Epidemiol 2018; 8: 1474708 <strong>10</strong> Johanning E et al.: Review of health hazards and prevention measures for response and recovery workers and volunteers after natural disasters, flooding, and water damage: mold and dampness. Environ Health Prev Med 2013; 19: 93-9 <strong>11</strong> Rath B et al.: Adverse respiratory symptoms and environmental exposures among children and adolescents following Hurricane Katrina. Public Health Rep 2011; 126: 853-60 <strong>12</strong> Rando RJ et al.: Respiratory health effects associated with restoration work in post-Hurricane Katrina New Orleans. J Environ Public Health 2012; 2012: 462478 <strong>13</strong> Lowe D et al.: Factors increasing vulnerability to health effects before, during and after floods. Int J Environ Res Public Health 2013; 10: 7015-67 <strong>14</strong> Fernandez A et al.: Flooding and mental health: a systematic mapping review. PLoS One 2015; 10: e0119929</p> </div> </p>
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