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Hält sich Österreich an das WHO-Rahmenübereinkommen zur Tabakkontrolle?

<p class="article-intro">180 Vertragsstaaten haben das WHO-Rahmenübereinkommen zur Tabakkontrolle (FCTC) ratifiziert <a href="http://www.aerzteinitiative.at/Rahmenkonvention.html" target="_blank">(http://www.aerzteinitiative.at/Rahmenkonvention.html)</a>. Auch Österreich hat sich 2005 völkerrechtlich verbindlich verpflichtet, das FCTC durchzuführen. Dennoch hinkt man mit der Umsetzung wesentlicher Punkte hinterher.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Nach den Begriffsdefinitionen in Artikel 1 ermutigt Art. 2 zu strengeren Ma&szlig;nahmen und Art. 3 beschreibt als Ziel, die Verbreitung von Tabakkonsum und Passivrauchen stetig und wesentlich zu vermindern. Dementsprechend werden in Art. 4 als Leitlinien der Schutz aller vor dem Passivrauchen, die Reduzierung des Tabakgebrauchs und die Verhinderung des Einstiegs genannt. Art. 5 enth&auml;lt allgemeine Verpflichtungen: die laufende Aktualisierung und &Uuml;berpr&uuml;fung nationaler Programme (5.1), wirksame Gesetze, ihren Vollzug und ihre Finanzierung (5.2).</p> <h2>Meldung von Verst&ouml;&szlig;en</h2> <p>&Ouml;sterreich hat bisher halbherzige Tabakgesetze erlassen und die Meldung von Verst&ouml;&szlig;en den Opfern aufgeb&uuml;rdet. Auch das Tabakgesetz 2015 hat den Vollzug nicht verbessert: Die Exekutive erhielt wieder kein Recht zur Ausstellung von Strafmandaten und andere Kontrollorgane d&uuml;rfen nichts kosten. Denn der Gesetzgeber stellt dazu fest: <em>&bdquo;Da nur bei dringendem Verdacht offensichtliche (&sbquo;ins Auge springende&lsquo;) Verst&ouml;&szlig;e aufgezeigt werden, sind weder haftungsrechtliche Folgen f&uuml;r die Kontrollorgane noch eine zeitliche Mehrbelastung gegeben.&ldquo;</em> Eine Finanzierung der Tabakkontrolle aus Mitteln der Tabaksteuer hat der Finanzminister abgelehnt.</p> <h2>Staatliche Ma&szlig;nahmen</h2> <p>Nach Art. 5.3 sollten die staatlichen Ma&szlig;nahmen vor kommerziellen und sons&shy;tigen eigenn&uuml;tzigen Interessen der Tabak&shy;industrie gesch&uuml;tzt werden. Aber Vertreter der Tabakindustrie und ihres Vertriebs&shy;systems beeinflussen weiterhin Minister und andere Entscheidungstr&auml;ger in &Ouml;sterreich, weil Gespr&auml;che mit ihnen geheim gef&uuml;hrt und keine Protokolle dar&uuml;ber angelegt werden, die &ouml;ffentlich einsehbar w&auml;ren.<br /> Art. 6 gibt (detailliert seit den 2014 von den Vertragsparteien akzeptierten Leitlinien) Anweisungen zur Senkung des Ta&shy;bakkonsums durch Preis- bzw. Steuerpolitik sowie durch Einfuhr- und Verkaufsbeschr&auml;nkungen. &Ouml;sterreich hat bisher wesentliche Erh&ouml;hungen der Tabaksteuer vermieden, die vor allem auf Jugendliche positive Auswirkungen h&auml;tten. Auch sozial benachteiligte Gruppen, die der Aufkl&auml;rung weniger zug&auml;nglich sind, w&uuml;rden von einer deutlichen Tabakpreissteigerung profitieren. Eine Senkung des Tabakkonsums durch Verbot der Zigarettenautomaten und Reduzierung der Tabakverkaufsstellen wurde hierzulande &uuml;berhaupt noch nicht in Angriff genommen, ebenso wenig nicht preisbezogene Ma&szlig;nahmen zur Verminderung der Nachfrage nach Tabak (Art. 7).</p> <h2>Schutz vor Passivrauchen</h2> <p>Eine entscheidende Bedeutung f&uuml;r den Erfolg der Tabakkontrolle hat Art. 8: Schutz vor Passivrauchen. Die Vertragsstaaten haben anerkannt, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidit&auml;t verursacht, und sich verpflichtet, Arbeitsr&auml;ume und &ouml;ffentlich zug&auml;ngliche R&auml;ume zu 100 % rauchfrei zu machen. Schon auf der 2. Konferenz der Vertragsparteien (CoP-2) 2007 wurden die Richtlinien dazu beschlossen und 2009 empfahl die EU eine Umsetzung bis 2012, was nur von 3 Ratsmitgliedern (Jur&aacute;skov&aacute;, Ra&scaron;i und St&ouml;ger) nicht unterst&uuml;tzt wurde. In diesem Punkt, der f&uuml;r die Eind&auml;mmung der Tabakepidemie essenziell ist und daher auf den gr&ouml;&szlig;ten Widerstand des Tabakkartells st&ouml;&szlig;t, sind &Ouml;sterreich, Tschechien und die Slowakei bis heute besonders r&uuml;ckst&auml;ndig. Eines der 3 L&auml;nder, in dem die reaktion&auml;ren Kr&auml;fte und der Einfluss der Tabaklobby besonders stark sind, k&ouml;nnte daher der &bdquo;Aschenbecher der EU&ldquo; werden. &Ouml;sterreich nimmt in den Tobacco Control Rankings der Europ&auml;ischen Krebsligen schon seit 2007 den letzten Platz ein, hat die Durchsetzung einer rauchfreien Gastronomie auf Mai 2018 verschoben und vertraut darauf, dass ein Vollzug, der bisher nicht funktioniert hat, 2018 wie durch ein Wunder wirksam wird.</p> <h2>(Schad-)Stoffmessungen</h2> <p>Art. 9 behandelt die Messung der Inhaltsstoffe und der Emissionen von Tabakerzeugnissen, was nach CoP-6 auch Wasserpfeifen, rauchfreien Tabak und E-Zigaretten (auch ohne Nikotin) umfasst. Das ist einer der wenigen Punkte, in denen das &ouml;sterreichische Gesundheitsminis&shy;terium f&uuml;r den Entwurf des Tabakgesetzes 2016 den Rat medizinischer Experten eingeholt hat. Dementsprechend lag f&uuml;r die Abstimmung ein relativ guter Gesetzesvorschlag zur Umsetzung der EU-Tabakprodukt-Direktive vor, den am 29. April 2016 im &ouml;sterreichischen Parlament auch Tabakindustrie und -handel sowie eine reaktion&auml;re Oppositionspartei nicht mehr aufhalten konnten. Das mit 110 zu 36 Stimmen beschlossene Gesetz betrifft im Wesentlichen die Bekanntgabe der Inhaltsstoffe und Emissionen von Tabakerzeugnissen an amtliche Stellen und die Ver&ouml;ffentlichung toxischer Bestandteile (Art. 10), die Verpackung und Etikettierung sowie die Warnhinweise (Art. 11), die der EU-Direktive (TPD-II) folgen. &Ouml;sterreich hat auch das &bdquo;Schmuggelprotokoll&ldquo; (Art. 15, CoP-5) ratifiziert, muss aber in der Praxis seine Schmuggelbek&auml;mpfung noch verbessern, wof&uuml;r zweckgebundene Tabaksteuern ebenso herangezogen werden k&ouml;nnten wie f&uuml;r Aufkl&auml;rung, Information, Schulung und Bewusstseinsbildung (Art. 12), f&uuml;r die in &Ouml;sterreich bisher nur ein sehr bescheidenes Budget zur Verf&uuml;gung steht. Tabakpr&auml;vention wird praktisch nur in der Steiermark finanziert, auf Bundesebene beschr&auml;nkt sich die Tabakkontrolle im Wesentlichen auf Raucherberatung. Medienkampagnen dienten bisher eher der Imageverbesserung des jeweiligen Ressortchefs und eine gesetzlich festgelegte TV-Sendezeit von 90 Minuten pro Monat, wie sie z.B. in der T&uuml;rkei besteht, um &uuml;ber die Gefahren von Tabak, Nikotin, Passivrauchen etc. aufzukl&auml;ren, d&uuml;rfte in &Ouml;sterreich ohne Zweckbindung von Tabaksteuern ein Wunschtraum bleiben.</p> <h2>Verbot von Werbung in Trafiken</h2> <p>Beim Verbot von Werbung, Verkaufsf&ouml;rderung und Sponsoring (Art. 13) ist &Ouml;sterreich vor allem in Trafiken noch r&uuml;ckst&auml;ndig. Die meisten anderen EU-Mitglieder haben Zigarettenautomaten samt ihrer Werbung verboten, erlauben auch am Verkaufsort keine Tabakwerbung und keine Zurschausellung von Tabakwaren oder beschr&auml;nken den Verkauf auf Trafiken ohne Au&szlig;enwerbung, die erst ab 18 Jahren betreten werden d&uuml;rfen. In &Ouml;sterreich d&uuml;rfen Tabakh&auml;ndler Kinder mit S&uuml;&szlig;waren, Softdrinks, Kaugummi, Comic-Heften und dergleichen in ihr Gesch&auml;ft locken und dort dem Tabakrauch und der Tabakwerbung aussetzen. Dar&uuml;ber hinaus wird auch noch au&szlig;erhalb der Trafiken auf Tausenden Automaten geworben. In Wien erkaufte sich der Tabakkonzern Japan Tobacco International mit nur 20.000 Euro die Nachr&uuml;stung von &uuml;ber 18.000 Papierk&ouml;rben mit Aschenrohren und die Installation von rund 1.200 freistehenden Aschenrohren in Form &uuml;berdimensionaler Zigaretten, die den Raucher an jeder Haltestelle daran erinnern, sich noch rasch einen &bdquo;Tschick&ldquo; anzuz&uuml;nden, bevor der Bus oder der Zug kommt.</p> <h2>Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen</h2> <p>Um die Vorbeugung der Tabakabh&auml;ngigkeit ist es in &Ouml;sterreich schlecht bestellt und Diagnose, Beratung und Behandlung (Art. 14) erfolgt fl&auml;chendeckend nur &uuml;ber das Rauchfreitelefon. In der Schweiz wird auch die Ausbildung zum Rauchertherapeuten aus dem Tabakpr&auml;ventionsfonds finanziert, der aus der Tabaksteuer gespeist wird. Der Allgemeinmediziner kann dort 45 Minuten pro Quartal Beratungszeit f&uuml;r einen gesunden Raucher als Kassenleistung anbieten, der Facharzt sogar 90 Minuten.<br /> &Ouml;sterreich hat weder den Verkauf an Minderj&auml;hrige noch die Zurschaustellung von Tabakwaren, die Lockmittel und die Automaten gem&auml;&szlig; Art. 16 verboten. Nur mehr 3 von 27 EU-L&auml;ndern haben kein Verbot des Verkaufs von Tabakwaren an 16- und 17-J&auml;hrige. In &Ouml;sterreich wird nicht einmal der Verkauf an unter 16-J&auml;hrige geahndet und einige Bundesl&auml;nder haben noch gar keine gesetzlichen Grundlagen f&uuml;r Testk&auml;ufe durch Kinder unter beh&ouml;rdlicher Aufsicht geschaffen.<br /> Die F&ouml;rderung von alternativen T&auml;tigkeiten (Art. 17) f&uuml;r Tabakbauern und -arbeiter spielt in &Ouml;sterreich keine Rolle, wohl aber die f&uuml;r Einzelverk&auml;ufer; diese wurde in &Ouml;sterreich v&ouml;llig vernachl&auml;ssigt, sodass die Abh&auml;ngigkeit der Trafikanten und der Monopolverwaltung von den ausl&auml;ndischen Tabakkonzernen aufrechterhalten wurde. Wie die von Trafikanten getragenen Proteste gegen Tabakkontrolle und EU-Direktiven zeigten, ben&uuml;tzt die Tabakindustrie diese Gruppe (ebenso wie Funktion&auml;re der Wirtschaftskammer, Fachbereich Gastronomie) zur Durchsetzung ihrer Gesch&auml;ftsinteressen.<br /> Schutz der Umwelt und Gesundheit bei Tabakanbau und Herstellung (Art. 18) betrifft &Ouml;sterreich nur indirekt, indem Tabakwaren importiert werden, die zum Teil umweltzerst&ouml;rend wirken und von Kindern sowie unter gesundheitssch&auml;digenden Arbeitsbedingungen produziert werden. &Ouml;sterreich hat sich auch kaum f&uuml;r Informationsaustausch und Weiterentwicklung des Zivil- und Strafrechtes zu Haftungsfragen inklusive Schadenersatz durch Tabakfirmen engagiert (Art. 19). Eine Dissertation und eine Diplomarbeit zu diesen Themen waren den juristischen Karrieren der beiden Autoren meines Wissens nach eher hinderlich.<br /> Die Bereitstellung von Daten und die Forschung sowie epidemiologische &Uuml;berwachung (Art. 20) werden in &Ouml;sterreich kaum gef&ouml;rdert. Lieber wird Auftragsforschung bei abh&auml;ngigen Stellen finanziert, welche die politisch gew&uuml;nschten Ergebnisse liefern. Dagegen muss z.B. die Statis&shy;tik Austria, die durch ein Gesetz vor politischen &Uuml;bergriffen gesch&uuml;tzt ist, sparen. Analysen zur Tabakkontrolle, die einem internationalen &bdquo;peer review&ldquo; standhielten, wurden von der EU, aber bisher nicht von &ouml;sterreichischen Fonds unterst&uuml;tzt.<br /> Berichte aus &Ouml;sterreich an die Konferenz (CoP) d&uuml;rften &uuml;ber das FCTC-Sekretariat eingegangen sein (Art. 21), wurden aber in &Ouml;sterreich nicht ver&ouml;ffentlicht, sodass die Vermutung naheliegt, dass sie sch&ouml;ngef&auml;rbt wurden und ein &bdquo;shadow report&ldquo; einer NGO erforderlich w&auml;re. Die &uuml;brigen Artikel des Vertrages behandeln vorwiegend den Informationsaustausch zwischen den Parteien, die Koordination durch das Sekretariat und rechtliche Fragen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend ist zu folgern, dass &Ouml;sterreich wesentliche Artikel des Vertrages (z.B. Art. 5&ndash;8) noch nicht erf&uuml;llt und der internationalen Entwicklung hinterherhinkt. Besonders besorgniserregend ist der R&uuml;ckstand gegen&uuml;ber Nord- und Westeuropa, aber auch gegen&uuml;ber Nachbarl&auml;ndern wie Italien oder Ungarn. Das wurde am 5. April 2016 bei einem Symposium deutlich, zu dem die Kommission Klima und Luftqualit&auml;t der &Ouml;sterreichischen Akademie der Wissenschaften eingeladen hatte.</p> </div></p>
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