
Interstitielle Lungenerkrankungen vom progredient fibrosierenden Phänotyp
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Die interstitiellen Lungenerkrankungen stellen eine kaum überschaubare Gruppe sehr unterschiedlicher Ätiologie dar. Für die klinische Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, diese Erkrankungen nach Verlauf und Prognose zu kategorisieren.
In den letzten Jahren habe man viel über die idiopathische Pulmonalfibrose (IPF) gelernt, so Dr. Martin Kolb von der kanadischen McMaster University. Unter anderem wisse man, dass ein IPF-Patient pro Jahr um die 200 ml an forcierter Vitalkapazität verliert, was in etwa das Zehnfache eines normalen, altersbedingten Verlustes bedeutet. Ungeachtet des auf die IPF gerichteten Fokus dürfe man jedoch nicht vergessen, dass die IPF nur eine von zahlreichen interstitiellen Lungenerkrankungen ist und nur ungefähr 20 % der gesamten Population der Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungssen (ILD) ausmacht.1
Alles in allem wurden bislang mehr als 200 ILD beschrieben, die sich in mehrere grosse Gruppen wie zum Beispiel die idiopathischen interstitiellen Pneumonien, die Autoimmun-ILD, die Sarkoidose, die exogen allergische Alveolitis (EAA) und die nicht näher bezeichnete Gruppe der „anderen ILD“ einteilen lassen. Kolb: „Nicht alle diese Erkrankungen sind progredient, nicht alle sind chronisch, viele sind es jedoch schon. Wenn wir mit einem konkreten Patienten zu tun haben, versuchen wir, dem Problem einen Namen zu geben, und wir versuchen, Progredienz und Prognose abzuschätzen. Dazu wurden mehrere Algorithmen publiziert, die letztlich alle auf dasselbe hinauslaufen.“ Im ersten Schritt wird eine gründliche Anamnese erhoben, es werden Lungenfunktionstests durchgeführt und die Serologie wird bestimmt. Weiters ist die hochauflösende Computertomografie (HRCT) von grosser Bedeutung. Zeigt die HRCT das Bild einer „usual interstitial pneumonia“ und wird keine Ursache für die ILD gefunden, so kann die Diagnose einer IPF gestellt und die Behandlung mit einem der heute zugelassenen Antifibrotika begonnen werden. Wird eine exogen allergische Alveolitis diagnostiziert, so gilt es, das Allergen zu identifizieren und den Patienten entsprechend zu beraten bzw. antiinflammatorisch und bei Bedarf immunsuppressiv zu behandeln. Wird eine Bindegewebserkrankung oder Autoimmun-ILD gefunden, so stellt aktuell ebenfalls Immunsuppression die Standardtherapie dar.
Den Überblick bewahren: Lumping oder Splitting?
Alles in allem stelle sich die Frage, so Kolb, ob es tatsächlich sinnvoll ist, die ILD in so viele unterschiedliche Entitäten einzuteilen oder ob therapeutische Schritte nicht eher anhand der Entwicklung der Erkrankung („disease behaviour“) gesetzt werden sollen. Diese Frage wird aktuell unter „Lumping and Splitting“ intensiv diskutiert. Kolb: „Das Problem mit dem Splitting ist, dass es die einzelnen Erkrankungen wie abgeschlossene Silos betrachtet. So haben wir lange Zeit die IPF als IPF-Silo gesehen. Wer hineingekommen ist, weil er die Diagnoskriterien erfüllte, der konnte antifibrotisch behandelt werden. Wer draussen bleiben musste, der erhielt keine Therapie, auch wenn er möglicherweise davon profitiert hätte. Andererseits wäre es verfehlt, alle ILD als eine einzige Erkrankung zu behandeln. Es geht darum, die ILD nach ihrer Prognose zu betrachten.“ Aus dieser Perspektive kann eine ILD selbstlimitierend und reversibel, reversibel mit Progressionsrisiko, stabil mit residueller Erkrankung, progredient und irreversibel mit Chance auf Stabilisierung oder progredient und irreversibel auch unter Therapie sein. Die IPF stellt in diesem Schema den „worst case“ dar.2 Darüber hinaus können sich jedoch verschiedene andere ILD so ungünstig verhalten wie eine IPF.3 Kolb merkt dazu an, dass die im Management der IPF eingesetzten Substanzen in den Prozess der Fibrosierung eingreifen, der keineswegs nur auf die IPF beschränkt ist.
Dies bedeute, so Kolb, allerdings nicht, dass alle fibrosierenden ILD mit Antifibrotika behandelt werden sollen. Diese durchaus mit Nebenwirkungen behafteten Therapien sollten aggressiv progredienten Erkrankungen vorbehalten bleiben. Mit einem progredient fibrosierenden Phänotyp präsentieren sich häufig die ILD im Zusammenhang mit systemischer Sklerose, die ILD im Zusammenhang mit rheumatoider Arthritis (RA-ILD), die exogen allergische Alveolitis und die nicht klassifizierbare interstitielle Pneumonie. „Standard of Care“ ist bei vielen dieser Erkrankungen nach wie vor die Immunsuppression, obwohl es beispielsweise für die RA-ILD keine klinischen Studien gibt und bei der Skleroderma-ILD die Erfolge sehr begrenzt waren.4 Im Gegensatz dazu wurden die Antifibrotika mittlerweile in einer Reihe qualitativ hochwertiger Studien untersucht. So zeigte Nintedanib in den Studien INPULSIS 5, SCENSIS 6 und INBUILD 7 Wirksamkeit in den Indikationen IPF, Skleroderma-ILD und diverse progredient fibrosierende ILD, inklusive RA-ILD. Die Studien zeigen, dass Nintedanib bei diesen Erkrankungen den Verlust der Lungenfunktion in ähnlichem Mass bremsen kann wie bei IPF. Leider ist es nicht gelungen, Subgruppen zu definieren, die mehr oder weniger als andere von der Therapie profitieren. Das Antifibrotikum Pirfenidon wurde ebenfalls in Nicht-IPF-ILD untersucht und zeigte einen vergleichbaren Effekt.8
Quelle:
ERS 2021, State of the Art Session „Interstitial Lung Diseases“ am 6. September 2021
Literatur:
1) Lederer DJ, Martinez FJ: Idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2018; 378(19): 1811-23
2) Travis WD et al.: Update of the international multidisciplinary classification of the idiopathic interstitial pneumonias. Am J Respir Crit Care Med 2013; 188(6): 733-48
3) Wells AU et al.: What's in a name? That which we call IPF, by any other name would act the same. Eur Respir J 2018; 51(5): 1800692
4) Gao Y, Moua T: Treatment of the connective tissue disease-related interstitial lung diseases: a narrative review. Mayo Clin Proc 2020; 95(3): 554-73
5) Richeldi L et al.: Efficacy and safety of nintedanib in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med 2014; 370(22): 2071-82
6) Distler O et al.: Nintedanib for systemic sclerosis-associated interstitial lung disease. N Engl J Med 2019; 380(26): 2518-28
7) Flaherty KR et al.: Nintedanib in progressive fibrosing interstitial lung diseases. N Engl J Med 2019; 381(18): 1718-27
8) Behr J et al.: Pirfenidone in patients with progressive fibrotic interstitial lung diseases other than idiopathic pulmonary fibrosis (RELIEF): a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 2b trial. Lancet Respir Med 2021; 9(5): 476-86
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